Kapitel 9 ~Sam...~

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Flatternd öffnete ich die Augen und streckte mich.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich unfassbar lange geschlafen hatte, nachdem Sam mich am vorigen Abend ins Bett geschleppt hatte.
Viel länger als sonst.
Trotzdem fühlte ich mich nicht sonderlich ausgeruht...
Der Blick auf Brandons leeres Kopfkissen ließ mich sofort wieder schwermütig werden und ich entschied mich, aufzustehen.
Doch auch außerhalb des Bettes fand ich nichts als Leere vor.
Im gesamten Haus war es ungewöhnlich still...
Um diese Uhrzeit war Esmira normalerweise schon längst auf den Beinen und sorgte dafür, dass das auch ja jeder mitbekam...
Noch immer verschlafen öffnete ich die Tür zu ihrem Zimmer und fand ihr Bett leer vor...
Langsam überkam mich ein ungutes Gefühl...
"Sam?! ..."
Keine Antwort.
"Mira!? ..."
Stille.

Unruhig lief ich die Treppe hinunter und rannte auf die Terrasse.
Doch auch im Garten waren die beiden nirgendwo zu sehen.
Ich merkte, wie die Panik versuchte , die Kontrolle über meinen Körper zu gewinnen.
Zum einen weil ich mir Sorgen machte, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte, und zum andern, weil ich Angst hatte, alleine zu sein.
Ich setzte mich und versuchte mit aller Kraft, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Meiner Kleinen durfte einfach nichts passiert sein... Das würde ich mir niemals verzeihen...

Dann ging plötzlich alles ganz schnell...
Ich hörte Barneys Bellen und unmittelbar darauf folgten Geräusche, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Erst fiel ein Schuss und fast im gleichen Moment hörte ich den schmerzerfüllten Schrei meines kleinen Engels.

Ich gab mir einen Ruck, löste mich aus meiner Schockstarre, riss die Haustür auf und rannte los.
Mit nackten Füßen sprintete ich über den feuchten Waldboden und musste mir immer wieder die Tränen aus den Augen wischen, da diese drohten, mir die Sicht zu versperren.
Ich kannte mich in diesem verdammten Wald nicht aus. Ich hatte das Haus ja nie verlassen dürfen...
Panisch rief ich nach meiner Tochter, in der Hoffnung, sie würde antworten...
Doch es war nicht Esmira, die ein Zeichen von sich gab.
Barney kam aufgeregt bellend auf mich zu gerannt und wollte mir offenbar den Weg zeigen.
Also folgte ich dem Wolf, wobei es gar nicht so leicht war, mit dem Raubtier Schritt zu halten.
Doch ich spürte die Anstrengung nicht. Ich spürte auch nicht, wie mir die spitzen Dornen des Gestrüpps in die Haut meiner Füße und Beine schnitten.
Ich wollte einfach nur meine Tochter finden.

Doch als Barney endlich langsamer wurde, sah ich nicht Esmira sondern Sam am Boden liegen.
"Sam! Oh mein Gott, Sam!"
Schockiert ließ ich mich neben ihm auf die Knie sinken.
"Lyana, es tut mir so leid...", wisperte er schwach. Seine Augenlider zitterten und drohten, jeden Momemt zuzufallen.
"Was tut dir leid, Sam? Was ist passiert?", schluchzte ich.
"Sie haben Esmira... Lyana, ich konnte nichts tun, es tut mir so leid..."
Sams Stimme war fast nur noch ein krächzen und als ich meinen Blick über seinen Körper schweifen ließ, wurde mir plötzlich klar, wieso.
Auf seiner linken Seite klaffte eine riesige Schusswunde...
Jetzt wurde mir alles klar. Der Schuss war gar nicht auf Esmira abgefeuert worden, sondern auf Sam, um ihn außer Gefecht zu setzen...
Reflexartig presste ich meine Hand auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen, was Sam natürlich vor Schmerz aufstöhnen ließ.
"Sam! Wir müssen dich ins Haus bringen!", schluchzte ich.
"Lyana, das schaffst du nicht... Du musst dich jetzt in Sicherheit bringen! Sonst kriegen sie dich auch noch!", versuchte Sam mir mit letzter Kraft klarzumachen, doch ich schüttelte nur energisch den Kopf und begann zu weinen, weil ich wusste, dass er eigentlich Recht hatte. Doch das wollte ich nicht wahr haben...
"Ich lasse dich ganz bestimmt nicht hier verbluten! Wir kriegen das wieder hin, Sam!", wimmerte ich und versuchte, aufmunternd zu lächeln.
Das war alles zu viel für mich.
Ich konnte Sam nicht verlieren...
Das durfte einfach nicht passieren...
"Lyana", hauchte Sam, "es ist zu spät... Bitte geh nach Hause..."
Weinend schüttelte ich immer wieder den Kopf.
"Sam bitte bleib bei mir... Bitte...", wimmerte ich immer wieder und konnte ihm durch meinen Tränenvorhang kaum sehen.
Traurig hielt ich seine Hand während ich zusehen musste, wie er völlig erschöpft seine Augenlider schloss.
Ich befand mich nun völlig im einem Tunnel. Ich vergaß den kalten Waldboden, nahm nichts mehr um mich herum wahr.
Da war nur noch eine zerstörerische Leere, die mich von innen ausfüllte.
Unaufhaltsam liefen Tränen meine Wangen hinunter umd ich schmiegte mich weinend an Sams Brust.
Das durfte einfach nicht passiert sein...
Er durfte nicht tot sein...
Nicht Sam...

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