Kapitel 19 ~Killing me~

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Unermüdlich schlug ich auf ihn ein.
Er hatte sie entführt.
Er hatte mir alles genommen.
Er verdiente es, zu sterben.
Aber vorher sollte er leiden!
Und ich würde ihn leiden lassen, denn er hatte mich provoziert und damit kam niemand so leicht davon.
Er würde sich noch wünschen, niemals in mein Leben getreten zu sein. Doch dann wird es zu spät sein; dafür ist es schon lange zu spät...

Meine Wut und mein Hass auf diesen Mann waren in den letzten so stark gestiegen, dass ich mich kaum unter Kontrolle hatte.
Ich wollte Rache.
Ich wollte sie so sehr, wie noch nie zuvor in meinem elendigen Leben.
Ich hatte mich schon oft an meinen Feinden gerächt.
Doch dieses Mal war es anders. Es ging nicht um simplen Diebstahl oder das in Brand stecken von Lagerhallen. Es ging auch nicht um die zunehmend nervigen Versuche, mir die Bullen auf den Hals zu hetzten. Das hatte sowieso nie geklappt, da hier alle viel zu korrupt und noch dazu Feiglinge waren.
Nein, hier ging es um meine Familie.
Um meine Tochter und vor allem um meine Frau.
Und es ging um Sam. Mein bester Freund, der Mann der alles für mich und unsere Familie getan hätte, der sich außer damals beim Thema Lyana niemals gegen mich gestellt hätte, war kaltblütig ermordet worden.
Diese Rache würde alle bisherigen übertreffen.
Jede freie Minute, in der ich die Verzweiflung über den Verlust meiner beiden Mädchen kurz beiseite schieben konnte, schmiedete ich meinen Racheplan immer weiter.
Und er war noch lange nicht fertig...
Ich war noch lange nicht fertig mit diesem Bastard!

„Brandon!!!", drang eine bekannte Stimme zu mir durch und das besorgte Gesicht meiner Schwester tauchte in meinem Blickfeld auf.
Sie holte mich zurück in die Realität.
„Hör auf, verdammt! Ich hab dir oft genug gesagt, du sollst nicht alleine hier runter gehen! Du hast dich nicht unter Kontrolle; sieh dir mal deine Hände an!", schrie sie mich regelrecht an.
Aber das war auch nötig, denn sonst würde ich aus dieser Trance wohl kaum herauskommen.
Der Boxsack baumelte vor mir und als ich mir meine Hände ansah, wurde mir klar, was Layla meinte.

Meine Fingerkuppen waren völlig aufgeschürft und bluteten.
Doch ich spürte diesen Schmerz nicht.
Da war nur dieser innere stechende Schmerz, der mich verfolgte seit Lyana weggelaufen war.
Ich hätte sie davon abhalten müssen...
Wieso war sie nur so stur?
Natürlich, sie wollte unsere Tochter retten, aber das wollte ich doch auch.
Wieso nur hatte sie sich in solche Gefahr gebracht?
Das Schlimmste daran war, dass ich sie nun nicht mehr beschützen konnte...
All die Jahre hatte ich alles getan, damit meiner Prinzessin und meinem Engel niemals etwas passiert und nun hatte meine Vergangenheit mich eingeholt...
Und ich wusste, wozu Rael fähig war...

„Ich habe Angst, Layla", gab ich zu und kämpfte innerlich mit den Tränen.
„Ich weiß... Die haben wir alle. Und wir wollen sie so schnell wie möglich da rausholen, aber du hilfst Lyana nicht, wenn du dich selbst verletzt, okay?", redete Layla ruhig auf mich ein.
Doch ich beruhigte mich nicht.
Das war wohl auch kaum möglich, solange sie meine Tochter und vor allem Lyana nicht fest in meinen Armen hielt.
„Ich kann nicht einfach mit euch da rumsitzen und warten bis die Carriords meine Familie zerstört haben! Du weißt genau, wozu diese Bastarde fähig sind! Gerade du solltest es am besten wissen! Du hast uns doch erst in diese Lage gebracht!", rief ich ungeduldig und sofort bereute ich meine Worte.
Ich war zu wütend, zu hilflos, zu ängstlich.
Ich hatte nicht nachgedacht, bevor diese verheerenden Worte meinen Mund verlassen hatten...
Laylas Augen verengten sich für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann reagierte sie ganz anders, als ich erwartet hätte.
„Du musst dich dringend mal beruhigen, Brandon Blackeyl! Komm mit, ich hab eine Idee, wie wir deinen Kopf frei bekommen...", meinte meine Schwester und verließ den Raum.
Etwas verwirrt folgte ich ihr.
Was hatte sie bitte vor?
Ich folgte ihr nach oben in ihr neues „Zimmer".

Wir waren inzwischen bei Wayne untergekommen, da unser altes Heim nicht mehr sicher zu sein schien.
Außerdem schmiedeten wir seit Tagen Pläne, um Lyana und Esmira aus der Carriords Festung herauszuholen und das ging einfach persönlich am besten.
Auch wenn ich sie alle dafür erwürgen könnte, dass das alles so lange dauerte...
Ich wusste, dass meine Prinzessin in all den Jahren stark geworden war und definitiv einiges aushalten konnte, doch ich kannte auch Rael und all seine skrupellosen Taten der letzten Jahre...
Und Wayne, Layla und Julien schienen einfach nur herumzusitzen, anstatt endlich mal etwas zu tun.
Im einen Moment hielt ich sie für Feiglinge, doch im nächsten Moment wurde mir dann wieder klar, dass wir nicht einfach wie Lyana bei den Carriords hereinmarschieren konnten, ohne Konsequenzen...
Wir brauchten einen Plan -und zwar einen verdammt guten. Und wenn es nach mir ging, brauchten wir ihn so schnell wie möglich...
Jede einzelne Sekunde ohne Lyana - ohne meine Frau - machte mich verrückt.
Ich konnte mich von Tag zu Tag weniger kontrollieren und musste immer wieder von jemandem, dem ich vertraute zurück ins Hier und Jetzt geholt werden.
Und diesmal war es Layla -schon wieder...

„Setz dich", holte mich Laylas Stimme aus meinen Gedanken.
Und ließ mich etwas abwesend auf die Couch fallen und bemerkte erst als ich meinen Blick unbewusst etwas schweifen ließ die feine weiße Substanz auf dem Tisch, die bereits sorgfältig in Lines trappiert worden war...
Etwas perplex aber nicht weniger vorwurfsvoll schaute ich meine Schwester an: „Layla, ich dachte du hast aufgehört?! Ich dachte, wir hätten es geschafft und du hättest dich endlich im Griff..."
„Du brauchst was zur Beruhigung, Brandon. In deinem Zustand hilfst du keinem hier. Vertrau mir, ich weiß, was du jetzt brauchst", redete meine Schwester auf mich ein.
„Lyana", murmelte ich kaum hörbar, doch Layla hatte mich trotzdem verstanden.
„Brandon...", mitfühlend schaute sie mich an und legte ihre Hand tröstend auf meinen Oberschenkel.

In ihrem Blick lag soviel Mitleid, ich fühlte mich fast schon wie ein verletztes, scheues Reh, das Layla versuchte zu retten...
Das rüttelte mich wach.
Was war denn verdammt nochmal mit mir los?! Ich bin Brandon Blackeyl, man schaut mich nicht mitleidig an, man sollte Respekt und manche sogar Angst vor mir haben!
Es wurde Zeit, dass ich diese Verzweiflung ablegte und endlich wieder ein Anführer wurde!
Nur so könnte ich Lyana retten.
Ich beugte mich nach vorne und nur wenige Sekunden später hatte Laylas Wundermittel meine Nasenschleimhäute erreicht.
Sie lächelte, nahm sich ihre Line vor und schaute mich dann erwartungsvoll an.
Sie wirkte fast schon glücklich.
„Wie in alten Zeiten", meinte sie schmunzelnd.

Nochmal ein Kapitel mit Brandon, denn ich dachte, seine Sichtweise würde euch vielleicht auch interessieren... :)

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