Kapitel 16

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"Guten Morgen, Eleanor."

Mürrisch nickte ich ihr zu und betätigte den Knopf für den Wasserkocher. Ich gähnte laut und fuhr mir seufzend durch die Haare. Mein Kopf brummte und pochte, ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen.

"Hast du heute was vor?" fragte Mom und blätterte in ihrer Zeitschrift. Ich brummte nur als Antwort und wartete sehnsüchtig darauf, dass das Wasser fertig war.

"I-ich-" Meine Hand wanderte zu meiner Stirn und ich machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Schon wieder dieser Traum, stärker, läuter als letztes Mal. Es schmerzte, einfach nur die Vorstellung, dass es wahr sein könnte.

Dieses mal war es noch direkter. Mittwoch konnte ich die Stimmen nicht identifizieren, wusste nicht was sie sagten. Doch heute Nacht verstand ich es, ich verstand alles.

Ich stöhnte und goss mir das Wasser in meine Tasse. Ich sollte nicht weiter drüber nachdenken. Ein Traum, bloß ein Traum.

"Ja?" hörte ich Mom's Stimme abwartend fragen. "Ich wollte spazieren gehen, gleich" antwortete ich und steckte den Teebeutel in die dampfende Flüssigkeit. Ich wollte Hagebutten Tee mit Milch, doch leider hatten wir beides nicht mehr. Wo war der Teemeister, wenn man ihn brauchte?

"Mach das, El. Ach und bevor ich es vergesse, bringst du Milch mit?" Mit hochgezogenen Augenbrauen blinzelte sie mich an. "Mom" Ich nippte an meinem Tee und ließ mich auf dem Sofa fallen. "Es ist Sonntag" erinnerte ich sie. "Ach ja, natürlich." lachte sie und schüttelte den Kopf.

Ich seufzte und richtete mich auf, um ihn meinem Zimmer zu verschwinden. Schnell zog ich mir eine andere Hose an und nahm meine Lederjacke aus dem Schrank. Sie war zwar viel zu dünn für dieses Wetter, aber das war mir egal. Ich trank noch schnell in einem Zug die Tasse aus und schnappte mir mein Handy.

Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und sofort packte mich ein kalter Windstoß. In einer Woche war November und das spürte man deutlich. Ich pustete meinem Atem in die Luft und ein Wölkchen bildete sich. Ohne darüber nach zu denken, bog ich rechts ab und ließ mich von der kühlen Luft beruhigen.

Ich verschränkte meine Arme und lief einfach die Straße entlang, während mein Unterkiefer unbewusst zu klappern begann. Die Leute um mich herum wirkten alle ausgelassen und gut gelaunt, hatten dicke Jacken an und standen beim Bäcker Schlange. Es schien noch recht früh zu sein und ich merkte, dass ich Hunger bekam.

Nach einigen Minuten setzte ich mich auf eine Bank. Mir war noch immer ziemlich kalt, doch das bisschen Sonne was raus gekommen war, strahlte mir ins Gesicht, welches mir zumindest ein wenig Wärme gab. Ich atmete die frische Luft tief ein und aus und streckte meinen Kopf in Richtung Himmel.

Als ich meinen Blick wieder auf den Weg richtete, beobachtete ich zwei Hunde, die gar nicht so weit von mir entfernt begannen, zu raufen. Lächelnd schaute ich sie mir an und beschloss, näher hinzugehen.

"Tschüss!" Die dunkelhaarige Frau mit dem weißen Pudel verabschiedete sich von dem jungen Mann und ließ ihn mitsamt seines schwarzem Hundes allein. Bevor dieser auch abhauen konnte, kniete ich mich auf den Boden und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit des Tieres zu bekommen. Als er sich freudig zu mir drehte und ich in sein Gesicht schauen konnte, erkannte ich ihn.

"Rocky!" rief ich und ließ mich von dem kleinen Vierbeiner begrüßen. Er sprang an mir hoch und versuchte mein Gesicht abzulecken, weshalb ich ihm kachend  sagte, er solle sich setzten. Sofort hörte er auf mich und als Belohnung durchwuschelte ich ihm seine Öhrchen.

Ich hörte ein leises Lachen hinter mir. "Louis" stellte ich fest und drehte meinen Kopf zu ihm. Sein Grinsend war groß, er fand es bestimmt amüsant, dass ich erst den Hund erkannte, bevor ich ihn wahrnam. Ich richtete mich auf, um ihn zu umarmen, doch stockte, als ich ihm einen Schritt näher kam.

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