Kapitel 19

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Ich strich mir den schwarzen Träger meiner Tasche über die Schulter und steckte mir eine lose Haarsträhne, die aus meinem Zopf rausgefallen ist, hinter mein Ohr. Müde trottete ich den Schulgang entlang, welcher zur Treppe führte, um in das Erdgeschoss zu kommen. Ich stieß die große Glastür auf und machte mich auf dem Weg zur Mathew Street 75 A.

Es waren seit Montag drei Tage vergangen. Über den peinlichen Moment, den ich mir bis heute nicht erklären konnte, sprachen wir nicht mehr, ansonsten war alles wie vorher. Louis' Auge besserte sich von Tag zu Tag und war nur noch leicht gefärbt. Das Wissen, wem er das zu verdanken hat, hatte ich noch immer nicht, und sagen wollte er es mir auch nicht.

Gedankenverloren zählte ich meine Schritte, als ich den kleinen Berg hoch zur Haupstraße ging. Dienstag hatten wir erfahren, dass die Theater Aufführung vorgeschoben wurde, wegen einer anderen Veranstaltung im Dezember. Anstelle von 8 Wochen hatten wir nun nur noch 6 Zeit, von denen schon zweieinhalb abgelaufen waren. Auch wenn das Stück nur 5 Minuten lang gehen sollte, so war der zeitdruck trotzdem enorm.

"El, warte!" kam es hinter mir und ich verdrehte die Augen. Verdammt. "Wohin gehst du?" fragte er und packte mich an der Schulter. Mit den Zähnen knirschend drehte ich mich herum und tat auf überrascht. "Sam! Was tust du denn hier?" Er runzelte die Stirn und ließ mich los, grinste dann aber.

"Wollten wir nicht Pizza essen gehen?" Unauffällig seufzte ich und überlegte mir, wie ich es ihm am besten verklickern sollte."Wirklich? Oh gott, tut mir leid, das hab ich total vergessen!" Hatte ich nicht. Ich hatte mir jediglich was anderes vorgenommen und gehofft, Sam würde sich nicht dran erinnern. "Macht doch nichts, babe" Seine Mundwinkel zuckten nach oben, während er lässig seine Tasche nachrückte und seinen Kopf nach rechts warf, damit die Haare wieder lagen.

Ich nickte ihm dankbar zu und fuhr herum, er sprang jedoch direkt an meine Seite. Genervt stöhnte ich und fummelte am Saum meines Strickpullis rum. Als Sam jedoch meine Hand ergriff, zuckte ich zusammen und starrte ihn irritiert an.

"Ich glaube ich nehme Pepperoni heute." murmelte er vor sich rum und tat so, wie als ob meine Hand in seiner was völlig normales wär. "Was nimmst du?"Sam's Finger verenkten sich mit meinen und ich schluckte schwer. Mein Hand schien in seiner großen Pranke zu versinken. "Ich, ich dachte-" Ich unterbrach mich selbst und plusterte meine Wangen auf. Sam würde mich sowieso nicht mehr gehen lassen, welches ich wohl oder übel akzeptieren musste.

"Entschuldige mich kurz" sagte ich mit einem zuckersüßen Lächeln und riss meine Hand aus seiner. Er wirkte überrascht, aber lief still neben mir her, als ich mein Handy raus kramte und es mir ans Ohr hielt.

"Hey El, die Nudeln kochen scho-" "Ich kann nicht kommen." flüsterte ich und kniff dabei die Augen zusammen. Es war ruhig an der anderen Leitung, sodass ich nervös wurde. Sam begutachtete mich mit hochgezogenen Augenbrauen und schien höchst interessiert zu sein. "Tut mir leid, Tommo, ich hab einen wichtigen Termin vergessen und-" "Sam" knirschte er und ich hörte seine Enttäuschung heraus.

"Tommo?" fragte Sam, mit einem bitteren Unterton in seiner Stimme, doch ich ignorierte ihn. "Sorry, ich meld mich nachher bei dir." Louis antwortete nicht mehr, man hörte nur sein leises ein und ausatmen. "Tut mir leid" Mit diesen Worten drückte ich auf den roten Hörer und ließ traurig mein Handy in meine Tasche fallen.

"Du nennst ihn Tommo?" schmunzelte Sam und schnappte sofort wieder meine Hand. "Ja" knurrte ich leise und entzog ihm meine Hand. Von weitem konnte ich schon die Pizzeria erkennen. "Machst du das immer so, mit Spitznamen?" Aus den Augenwinkeln sah ich, wie unzufrieden er über das entziehen meiner Hand war, doch er versuchte dies gekonnt zu überspielen. "Nein" antwortete ich lediglich.

Wir waren mittlerweile angekommen und als Sam die Tür aufstieß, umhüllte mich die warme Luft des kleinen Restaurants. Sam lächelte und eillte zum Tisch von letzter Woche. Wie ein Gentleman wartete er und schob mir meinen Stuhl zurück, sodass ich mich hinsetzte und er mich an den Tisch schob. Mir war das ganze ein wenig unheimlich, weshalb ich ihm auch nicht dankte. Er führte sich ein wenig so auf, als wären wir schon längst verheiratet.

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