Kapitel 30

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Es war schrecklich, von ihm ignoriert zu werden.

Ich blickte zu ihm rüber, doch seine Aufmerksamkeit galt ganz seiner Musik.

Er wirkte abwesend im Unterricht, er wirkte unzufrieden. Und ich war mir sicher, dass ich dafür verantwortlich war.

Ich hatte mich bei ihm entschuldigt. Ihn hundert mal angerufen. Ich wusste selbst nicht, was ich sagen wollte, aber ich musste was sagen.

Es hat ihn verletzt, das ich von seiner Homosexualität, die nicht existierte, überzeugt war. So sehr, das er mich rausgeschmissen hat.

Ein Teil von mir sagte ich hab alles verloren, der Andere sagte das Gegenteil.

Ich liebte Louis. Und ich wollte, dass er mich auch liebte.

Wir kannten uns noch nicht so lange, doch ich wollte nichts lieber als mit ihm zusammen sein. Und ich versuchte wirklich, mich irgendwie zu entschuldigen.

Doch er hörte mir nicht zu.

Es war wie am Anfang des Schuljahres. Er war schlecht gelaunt, in seiner eigenen, kleinen Welt.

Und ich musste wohl oder übel feststellen, dass sobald ich nicht mehr an seiner Seite war, sie mehr redeten. Finger zeigten. Lachten. Und ich konnte nichts dagegen tun.

Manchmal kam ich mir vor wie im Kindergarten. Sie sollten Louis in Ruhe lassen. Aber nicht nur das, sie sollten wissen, das er nicht schwul war.

Ich musste es ihnen sagen. Mir würden sie doch glauben, oder?

"Willst du uns nicht sagen, warum ihr euch gestritten habt?"

Ein Rütteln an meinem Arm riss mich aus meinen Gedanken und ich löste meinen Blick von Louis. Alanas Augen lagen besorgt auf mir und auch Max schaute mich an. Ich hatte das Gefühl, seit Samstag kein einziges Wort mehr gesagt zu haben. Und auch jetzt konnte ich meinen Mund nicht öffnen und schüttelte den Kopf.

"Dann frag ich ihn eben" Alana rappelte sich auf und setzte einen Fuß vor den anderen, um zum anderen Ende der Mensa zu gelangen, dort, wo Louis sich verkrochen hatte. Schnell schnappte ich nach ihre Arm, doch meine Finger fühlten sich schwach an, und sie konnte ohne Probleme ihren Arm befreien.

Ich starrte ihr hinterher und mein Puls beschleunigte sich. Was würde er ihr sagen?

"Eleanor ist eine Idiotin, die mir das Herz gebrochen hat. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben."

Max' Hand legte sich auf meine Schulter, und ich kam mir unglaublich hilflos vor. Ich habe vier Tage lang nicht mit ihm gesprochen. Wie kam es, das ich schon jetzt so verzweifelt war?

Ich schnappte nach Luft, als Louis zum ersten Mal heute hochschaute und dabei die sich ihm nähernde Alana anblickte. Ich hoffte inständig, das er sie zu Wort lassen würde.

Er zerstörte diese Hoffnung, indem er nach seiner Tasche griff und ohne sie eines Blickes zu würdigen, die Mensa verließ.

Ich hielt meine Tränen zurück.

"Ich habe kein einziges Wort gesagt!" beschwerte sich meine beste Freundin vorwurfsvoll und kam zu uns zurück. "Hat der wieder mal ne Diva zum Frühstück gegessen?"

"Lass ihn" sagte ich zu seiner Verteidigung und ging.

Ich folgte Louis, aus der Mensa raus, fühlte mich verantwortlich dafür, wollte ihn nicht leiden sehen, wollte zu ihm. Doch ich konnte ihn nirgends sehen. Meine Lippen bebten und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

Ich musste jetzt mit ihm reden. Irgendwie. Irgendwas. Je länger ich wartete, desto eher würde er mich hassen.

Oder hasste er mich jetzt schon? War er nur wütend? Wollte er überhaupt mit mir reden?

In Fact StraightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt