Bruno kam zu ihr herüber. Sein Gesicht war für sie nicht zu deuten.
"Ich... du...", fing er an zu stammeln und setzte sich dann wieder hin. "Erst dachte ich, ich würde mich irren.... Doch dann habe ich es nochmal gemacht und nochmal... aber es kam immer aufs selbe hinaus.", sagte er und legte die Vision auf den Tisch, sodass sie einen genauen Blick darauf werfen konnte.
Es dauerte einen Momemt, ehe sie realisierte, was sie da sah. Mit offenem Mund griff sie nach dem grünen Glas. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf.
Das war sie. Vielleicht ein wenig älter, aber doch unzuverwechseln. Sie kauerte auf dem Boden, ein kleines Bündel in den Armen. Ihr Gesicht, tränenüberströmt, von Angst und Verzweiflung gezeichnet. Über ihr ein Mann von großer Statur mit kurzen Haaren, den sie flehend ansah. Manuel. Aber das konnte doch nicht sein. Oder doch?
Eine Ewigkeit verging, in dem sie sich das Bild einfach nur ansah. Versuchte sich einen Reim darauf zu machen, doch egal was sie auch versuchte. Sie konnte sich kein Szenario ausmalen, in dem es am Ende soweit kommen könnte.
"Was..." Ihre Stimme versagte und sie musste sich räuspern, ehe sie es nochmal versuchte. "Was ist da passiert?"
"Ich kann es nicht genau sagen.", gab Bruno zu. "Es ist nicht so, als würde ich eine komplette Szene sehen. Es sind eher Bruchstücke, die erscheinen. Nicht immer ist es leicht, die richtigen Teile zusammen zu fügen, um zu wissen, was genau passieren wird und warum."
Eine Weile saßen sie einfach nur da und Sofia konnte nichts weiter tun, als dieses verdammte Bild anzustarren.
"Danke, Bruno.", kam es schließlich in einem Flüstern von ihr und sie wollte aufstehen.
"Da gibt es noch etwas, was du wissen solltest.", sagte er und hielt sie auf. Sofia ließ sich zurück auf den Stuhl sinken und sah ihn jetzt wieder an. "Ich habe erst nicht mehr daran gedacht. Es ist schon so viele Jahre her... aber als ich die Vision hatte, erinnerte ich mich wieder, als wäre es gestern gewesen." Bruno atmete tief durch und schloss einen Moment die Augen, so als müsse er erst die richtigen Worte finden. "Vor ungefähr 25 Jahren, kurz bevor deine Familie mit dir das Encanto verließ.... kam deine Mutter zu mir und bat mich um eine Vision."
Wie vom Blitz getroffen sah sie ihn an. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und sie fing an zu zittern. Die Welt schien sich viel zu schnell für sie zu drehen, als er weiter sprach. "Sie bat mich in deine Zukunft zu sehen. Und damals... hatte ich genau die selbe Vision. Für mich war es zu dem Zeitpunkt nichts besonderes und ich hatte es schnell wieder vergessen. Doch deine Eltern... Sie hatten Angst um dich und wahrscheinlich war das der Auslöser für sie zu gehen."
Sofia vergrub ihr Gesicht in beide Hände, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. So viel prasselte hier gerade auf sie ein. Zu viel.
"Ich kann verstehen, wenn du jetzt sauer auf mich b-" Bruno wurde von einem lauten Schnaufen ihrerseits unterbrochen.
"Bruno.", fing sie an, versuchte sich zusammen zu reißen. "Ich... bin nicht sauer auf dich. Eher... verwirrt. Ein bisschen sauer auf meine Eltern vielleicht, denn sie haben mir nie etwas gesagt. Manuel, er..." Sofia nahm ihre Hände wieder runter und sah den Älteren mit einem traurigen Blick an. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. "An dem Abend, als wir alle die Rettung der Magie gefeiert hatten... Er hat mir davon erzählt, dass meine Eltern wegen einer Vision von dir gegangen sind. Aber er hat mir nicht gesagt, worum es dabei ging." Schnell wischte sie sich eine Träne weg, die sich den Weg aus ihrem Auge bahnen wollte.
"Zeig es mir", sagte sie nun lauter, entschlossen.
Unsicher sah Bruno sie an, stand aber auf. "Ich weiß nicht, ob du das wirklich sehen willst.", meinte er und deutete ihr an, ihm zu folgen. "Ich habe darauf keinen Einfluss."
"Das weiß ich doch.", sagte sie und tätschelte sanft seinen Arm.
Zusammen gingen sie durch die große Tür, durch die Bruno eben schon einmal verschwunden ist. Dahinter befand sich ein großer runder Raum mit steinernen Wänden. Sie knieten sich einander gegenüber auf den Boden und Sofia sah ihm interessiert dabei zu, wie er alles vor bereitete. Bevor er ein Streichholz entzündete, warf er sich eine Priese Salz über die Schulter, was sie zum Schmunzeln brachte. Nicht einmal jetzt konnte er es lassen, dachte sie sich und nahm seine Hände in ihre.
"Das könnte jetzt ein bisschen windig werden.", sagte er nur und schloss die Augen.
Zuerst dachte sie, dass er sich nur konzentrieren wollen würde, doch als er sie wieder öffnete, konnte sie nicht anders, als ihn fasziniert anzustarren. Seine Augen leuchteten. Und das nicht im übertragenen Sinne. Sie Taten es wirklich. So ein intensives Grün hatte Sofia selten gesehen, als Augenfarbe schon mal gar nicht. Es war... wunderschön.
Noch ehe sie weiter darüber nachdenken könnte, tauchten plötzlich Bilder um sie herum auf.
> Sofia rannte und blickte immer wieder panisch hinter sich.
> Sie mit einem Baby im Arm. Flehend lief sie ein paar Schritte rückwärts.
> Sie kauerten auf dem Boden. Vor ihr Manuel, der bedrohlich auf sie zu lief.
Plötzlich rieselt Sand auf sie herunter und Bruno hielt eine neue Glasscheibe in den Händen. Verwirrt blickte sie um sich, als könnte sie noch irgendwo mehr erkennen.
"Jetzt weißt du es.", sagte Bruno leise und stand auf.
"Aber..." In ihrem Kopf ratterte es. "Wenn die Vision ein Teil meiner Zukunft ist, die ich mit Manuel habe, oder gehabt hätte... warum hat sie sich dann nicht verändert? Ich habe ihn schließlich nicht geheiratet."
Bruno blickte sie verdutzt an und runzelte dann die Stirn. "Ich weiß es nicht. Normalerweise hätte es sich ändern müssen. Vielleicht dauert es einfach nur eine Weile. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon mal eine ähnliche Situation gegeben hat.", gab er zu und deutete ihr an, ihm wieder nach draußen zu folgen. Klar, gab es Mirabels Vision, doch diese stand ja schon von Anfang an nicht eindeutig fest. Hieß das vielleicht auch, dass es für Sofia keinen anderen Weg gab, als Manuel zu heiraten? Oder hatten sie vielleicht etwas übersehen?
"Der Raum...", kam es ihr schließlich in den Sinn. "Der Raum in dem das alles passiert ist. Kam er dir bekannt vor?"
Bruno schüttelte den Kopf. "So ganz habe ich da nicht drauf geachtet."
"Kann ich das vielleicht haben?", fragte sie und deutete auf die Vision, die sie ohne zögern überreicht bekam.
"Und...", fing sie an und versuchte allen Mut zusammen zu nehmen. Es gab noch ein Thema, welches sie zumindest ansprechen wollte. "Was den... Kuss angeht. Ich wollte nur sagen, dass es ok ist. Wirklich. Wir müssen da auch nicht drüber sprechen, wenn du das nicht möchtest. Ich wäre nur froh, wenn wir zumindest gut miteinander auskommen würden."
Bruno nickte stumm, äußerte sich nicht weiter dazu. Mittlerweile waren sie an seiner Zimmertür angekommen. Einen Moment lang blieben sie stehen. Keiner von ihren schien so wirklich zu wissen, was sie jetzt sagen sollten, wie es nun weiter gehen sollte.
"Nun...", sagte Sofia schließlich und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. "... Danke, schätze ich. Für alles. Ohne dich... naja... wäre weiß."
Sie legte eine Hand auf den Türknauf und wollte gerade das Zimmer verlassen, da hielt er sie auf."Sofia ich..." Sie hörte ihn tief durch atmen. "... ich war ein Idiot. Es tut mir wirklich leid."
Kurz drehte sie sich um und sah ihnen einen Augenblick lang an. Schließlich nickte sie stumm und öffnete die Tür.
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dos oruguitas (Bruno x OC)
Fanfic-- Encanto -- Um die Verlobung Ihres Cousins zu retten, muss Sofia herausfinden, wie man dem Wunder helfen kann. Doch kann sie ihre Angst überwinden und Bruno um Hilfe bitten? Charaktere könnten ooc werden, Story abweichen