Neuanfang

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Gerade, als Sofia sich aus ihrer Erstarrung lösen und den Kuss erwidern wollte, schob Bruno sie von sich.

"Tut mir leid", brummte er leise vor sich hin und wollte abhauen, doch Sofia hielt ihn auf.

"Das muss es nicht, ist schon ok, ich..."

Bruno drehte sie wieder zu ihr und sah sie mit einem bösen Blick an. "Nein ist es nicht. Am besten du gehst jetzt und vergisst, was grad passiert ist."

Wieder machte er sich dran, zu verschwinden, doch Sofia bekam seinen Ärmel zu fassen und hielt in zurück. "Warum, Bruno? Erklär Es mir bitte, denn ich verstehe grad überhaupt nichts."

"Ich hätte das nicht tun dürfen.", sagte er, ihr den Rücken zu gewandt. "Es war eine übereilte Reaktion.... Wenn ich jünger wäre... nicht der Mann der ich bin... dann..." Bruno brach ab und schüttelte seinen Kopf. "Es spielt keine Rolle. Es war ein Fehler, der nicht wieder vor kommt."

"Ach ja?", fragte Sofia und musste schwer schlucken. Warum sie das jetzt so traf, wusste sie nicht genau. Ihr Herz schien auf einmal still zu stehen. "Hast du das in deinen Visionen gesehen?"

Sie hörte ihn tief durch atmen, bevor er ihre Hand abschüttelte und davon eilte.

Völlig verloren stand Sofia im Gang zwischen den Wänden. Was zum Teufel ist hier gerade passiert? Sollte sie ihm nach gehen? Versuchen die Sache zu klären? Oder nach Hause gehen und hoffen, dass es sich von selbst beruhigte?

Seufzend fuhr sie sich mit einer Hand durch die Haare, bevor sie ihre Fingerspitzen an ihre Lippen legte. Nicht mal im Traum hätte sie mit so etwas gerechnet. Was hatte das nur zu bedeuten?

Kurz sah sie in die Richtung, in die Bruno verschwunden ist, bevor sie sich umdrehte und auf den Weg nach draußen machte. Womöglich wäre es ein Fehler, ihn jetzt weiter zu bedrängen. Sie sollte ihm vielleicht erstmal Zeit geben, denn es konnte gut möglich sein, dass es alles nur an der momentanen Situation lag und die Gefühle daher ein wenig verrückt spielten. Sicher würden sie später zusammen drüber lachen.

Sofia schlich sich aus der Casita und hörte Isabela und Mirabel noch hinter sich Lachen und Tanzen, als sie sich langsam entfernte.
Der Weg ins Dorf kam ihr heute länger vor als gewöhnlich. Vermutlich lag es auch daran, daß sie mit den Gednaken immer noch völlig woanders war.

Gerade, als sie an den ersten Häusern vorbei ging, hörte sie sie plötzlich laute Schreie und spürte den Boden unter sich vibrieren. Als sie sich um drehte, konnte sie gerade noch so einen Schritt beiseite machen, denn plötzlich zog sich ein tiefer Riss durch die Straße der Stadt.

"Nein...", hauchte sie, als sie sah, wie Casita Stück für Stück in sich zusammen brach. Wie von einer Tarantel gestochen sprintete sie los.

...

Sofia ließ sich neben Mirabel zu Boden sinken und legte ihr eine Hand auf den Arm. "Mira... ist...?" Ihre Stimme brach ab, noch bevor sie ihre Frage richtig formulieren konnte.

"Es wurde niemand verletzt.", sagte sie nur und starrte weiter vor sich hin.

"Sofia? Kannst du mir kurz helfen?" Julieta rief sie. Ihr Herz wurde durch Mirabels Worte ein kleines bisschen leichter und sie machte sich nun zu Brunos Schwester.

Gemeinsam versuchten sie aus den Trümmern noch so viel zu retten wie es ging. Sofia war gerade mit Camilo dabei, einige Steine beiseite zu räumen, als sie Julieta plötzlich rufen hörte.

"Mirabel? Mirabel, wo bist du?", panisch sah sie sich um, konnte ihre Tochter aber nicht finden. "Mirabel ist weg!"

Sofia eilte zu ihr herüber und nahm sie ihn den Arm, bevor Julieta in sich zusammen zu sacken drohte. "Warum nur? Erst mein Bruder, jetzt meine Tochter?" Die Worte waren mehr ein Flüstern zu sich selbst, doch Sofia verstand sie klar und deutlich. Es versetzte ihr einen Stich, ihr Freundin so zu sehen, doch wagte sie nicht, sie wegen Bruno aufzuklären. Wusste ja schließlich grad selbst nicht mal, wo er gerade war.

"Agustín nimm sie.",sagte sie zu Julietas Mann und über gab sie ihm. "Wir werden sie suchen. Sicher ist sie in der Nähe, einen klaren Kopf bekommen."

....

Stundenlang suchten die Madrigals zusammen mit Sofia und einigen Dorfbewohnern alles nach Mirabel ab. Aber vergeblich. Der Morgen brach bereits an und Julieta wurde immer verzweifelter. Und auch Bruno konnte Sofia nirgends entdecken. Also hoffte sie einfach nur, dass beide bald wieder auftauchen würden.

Leider konnte auch Dolores ihnen bei der Suche nicht viel weiter helfen als alle anderen. Die Madrigals hatten nicht nur ihr Zuhause, sondern auch die Magie verloren. Sofia wollte sich gar nicht vorstellen, wie sie sich jetzt fühlen mussten.

"Mirabel!!! MIRABEEEEEEL!"

Noch immer drangen die Rufe nach der 15 Jährigen von überall her an ihr Ohr.
Plötzlich konnte sie immer näher kommendes Hufgetrappel hören. Doch wer....?

Noch ehe sie die Frage zu Ende formulieren konnte, sah sie auch schon Mirabel, die ihrer Mutter in die Arme sprang. Hinter Julietas Rücken gab sie ihr ein kleines Zeichen nach rechts. Zuerst wusste Sofia nicht, was das bedeuten sollte. Also lief sie um die Ruine herum und sah plötzlich das Pferd stehen. Und auf ihm Bruno.

Erleichtert sah sie ihn an und wollte auf den Älteren zu gehen, da hob er nur eine Hand um sie auf Abstand zu halten. Sein Blick zeigte wieder eine gewisse Traurigkeit und noch etwas konnte sie erkennen... etwas entschuldigend? Ihr wollte das Herz brechen. Gerne würde sie ihm sagen, daß alles ok war, aber wie es scheint würde das Warten müssen.

Sofia lief ihm hinterher zu den anderen. Die Freude dort war selbstverständlich riesig, als seine Familie ihn schließlich erblickte. Sie kam gerade an, als Bruno von seinen Schwestern umarmt wurde. Es war ein so schöner Anblick, dass sie für einen kurzen Augenblick vergaß, was geschehen war.

Unwillkürlich musste sie schmunzeln, als sie sah, wie er förmlich zu singen anfing und von einer Schwester zur anderen hüpfte. Alle wirkten so glücklich, so zufrieden. Sie hatten alles verloren.... und doch alles gewonnen.

"Ich wusste, er war nie weg, konnt jeden Mucks verstehen.", gestand Dolores ihrem Bruder, der neben ihr stand, sah dabei aber in Sofias Richtung. Verlegen sah sie nach unten und spürte die Hitze in ihr Gesicht steigen.

"Hört ihr das auch?", fragte plötzlich Abuela und alle drehten sich zu den Dorfbewohnern um, die gerade auf die eingefallene Casita zu steuerten.

Alle zusammen bauten sie das Haus wieder auf. Und schließlich war es an Mirabel, dem Haus und ihrer Familie die Magie zurück zu geben.

dos oruguitas (Bruno x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt