Geständnis

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"Danke.", flüsterte Sofia Hernando zu, während sie zu schauten, wie die anderen sich wieder verstreuten. Camilo warf ihr einen fragenden Blick zu, den sie nickend erwiderte. Sie würde mit seinem Onkel schon fertig werden.

"Danke, dass du geholfen hast", sagte sie als alle weg waren. "Aber ich hätte das schon irgendwie hin bekommen."

Bruno schüttelte den Kopf und zog sich die Kapuze runter. "Du solltest vorsichtig bei ihm sein." 

Eine Zeit lang standen die beiden Schweigens da, bis sie hörten, wie Abuela ihre Zimmertür öffnete. "Brunito?", rief sie fragend übers Geländer. "Kommst du bitte zu mir?"
Kurz sah er Sofia nochmal an, ehe er sich umdrehte und die Treppen zu seiner Mamá hinauf eilte.

Jetzt war die Schwarzhaarige ganz allein und passend zu ihrer, und anscheinend Pepas, Stimmung, fing es nun zu regnen an. Sofia schloss die Augen und blieb einen Moment lang noch stehen, genoss die klitzekleinen Tropfen, die auf ihre Haut prasselten. Es war, als könnte sie das erste Mal seit Ewigkeiten endlich wieder abschalten und so richtig durch atmen. Auch wenn es jetzt eigentlich viel gab, worüber sie sich Gedanken machen sollte, worüber sie sich sorgen musste. Das alles schien jetzt wie weggespült. Sie wusste nicht, wie lang sie da stand, doch auf jeden Fall lange genug, dass ihr Haar und ihr Kleidung anfing an ihr zu kleben.

"Was machst du denn da im Regen?" Bruno war anscheinend wieder zurück und eilte die Stufen herunter zu ihr, wobei er aufpassen musste, dass er auf den nassen Boden nicht ausrutschte. "Komm."sagte er nur und zog sie an die Seite, zu der kleinen Sitzgruppe.

"Casita, kannst du...?", fing Bruno an, aber er brauchte gar nicht weiter reden, denn schon ließ das Haus ihnen ein großes Handtuch zukommen.

"Danke.", flüsterte er nur und reichte es Sofia, die sich langsam damit versuchte abzurechnen, auch wenn es nicht allzu viel bringen würde. Als sie fertig war, setzten sie sich zusammen hin. Eine ganze Weile lang lauschten sie einfach nur dem Regen.

"Es kommt mir so vor, als wären Jahre vergangen, seit dem ich über die Berge zurück zum Encanto gekommen bin.", Sofias Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. "Seitdem ist so viel passiert, dass ich das Gefühl habe, kaum noch hinter her zu kommen." Sie seufzte und lehnte sich zurück. "Wie soll es jetzt weiter gehen? Wie viel Zeit haben wir.", fragte sie den Älteren, der natürlich sofort wusste, worauf sie hinaus wollte.

"Mamá will 'die Angelegenheit' so schnell wie es geht hinter sich bringen. Eine Woche."

Sofia ließ den Kopf hängen.

"Sofia.", fing Bruno an und zog damit ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Wir müssen das nicht tun. Es gibt immer einen Weg."

Ein kurzes Nicken ihrerseits folgte, bevor sie auf stand. "Danke, Bruno." Wenn sie könnte, würde sie alles tun, um etwas an ihrer Situation zu ändern. Wie konnte sie denn zulassen, dass er zu seinem Leben mit ihr gezwungen wurde? Sofia kämpfte mit den Tränen. Alles was sie wollte, war seine Zuneigung. Doch nicht auf so eine Weise.

Er erhob sich ebenfalls und steckte seine Hände in die Hosentaschen. "Ich weiß, es ist nicht einfach-"

Sofia lachte freudlos auf und unterbrach ihn. "Nicht einfach? Du hast ja keine Ahnung...."

Gequält verzog der Ältere das Gesicht. "Du hasst mich. Das ist ok...."

Sofia schloss die Augen und versank in Gedanken. "Du verwechselst Hass mit Liebe.", hauchte sie und riss erschrocken die Augen auf, als sie bemerkte, dass sie grade laut gesprochen hatte. Sie wagte es gar nicht Bruno an zu schauen, fürchtete sich vor seiner Reaktion. Am liebsten wäre sie ganz schnell ganz weit weg gerannt.

"Wie bitte?", fragte er, als hätte er es nicht deutlich verstanden. Doch Sofia wusste es besser. Sie antwortete nicht darauf, sondern schlang die Arme um ihren Oberkörper und wandte sich ab.

Durch den starken Regen bemerkte sie nicht, dass Bruno ihr näher kam. Erst, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte, um sie herum zu drehen, zuckte sie vor der Berührung zusammen.

"Sieh mich an.", flüsterte er fast, ließ ihre Schulter nicht los. Zwar drehte sie sich zu ihm, fixierte mit den Augen aber eine der Sanduhren auf seinen Poncho. "Sieh mir an.", sein Ton wurde nachdrücklicher und zeigte Wirkung. Sofia zwang sich, ihm direkt in die Augen zu sehen. Doch konnte sie nicht genau sagen, was sie darin nun erkennen würde.

"Hast du es denn immer noch nicht verstanden?", fragte er und sah sie eindringlich an. "Alles, was ich getan habe, tat ich auf freien Stücken. Alles was ich gesagt habe, meinte ich so. Und ja, vielleicht ist es ein wenig unglücklich gelaufen, aber..." Bruno atmete tief durch und sah ihr an, dass sie mit dem schlimmsten zu rechnen schien. "Wenn deine Worte wirklich ernst gemeint sind.... dann bin ich der glücklichste Mann der Welt." Die letzten Worte hauchte er nur und sah zu, wie sie ihn nur mit weit aufgerissenen Augen ansehen konnte. "Ich liebe dich, Sofia. Vielleicht habe ich eine Weile gebraucht, um es zu realisieren und ja, es macht mir eine verdammte Angst. Aber es ist so. Ich liebe dich."

Sofia konnte darauf nichts erwidern. Immer noch sah sie ihn an, war wie erstarrt. Wenn Bruno schon vor seinem Geständnis nervös war, so wurde es mit jeder Sekunde, die verstrich, nur noch schlimmer.

"Ich... also... jetzt wäre der Moment für dich, etwas zu sag-", finde er an, doch er kam nicht weit. Denn just in diesem Moment legte Sofia ihm eine Hand an die Wange, bevor sie ihn ohne Vorwarnung küsste.

Bruno lächelte in den Kuss hinein, bevor er ihn schließlich erwiderte und die Arme um sie schlang, um sie näher an sich ran zu ziehen. Sie schienen sich vollkommen im Kuss zu verlieren und einen Moment war es, als würde die Welt um sie herum stehen bleiben.

Schwer atmen und dennoch lächelnd, lösten sie sich schließlich von einander.  Vollkommen im Glück standen sie nun da, die Stirn aneinander gelehnt.

Keiner von beiden ahnte, dass sie die ganze Zeit beobachtet wurden.

....

POV Alma

Nun, das hatte ja besser geklappt als gedacht. Fast schon hätte sie damit gerechnet, dass das Paar sich mit diesem kleinen Geständnis noch bis nach der Eheschließung Zeit lassen würde.

Sie musste gestehen, dass sie vielleicht ein wenig hart reagiert hatte, nachdem sie die beiden in Brunos Zimmer erwischt hatte. Doch diese Chance hatte sie sich einfach nicht entgehen lassen können. Normalerweise wäre sie nie auf die Idee gekommen, einfach so in das Zimmer ihres Sohnes zu kommen, wenn Dolores ihr nicht erzählt hätte, was an dem Abend ihrer Verlobung geschehen ist. Es war einfach perfekt gewesen.

Natürlich, hätte sie auch einfach abwarten können, ob beiden von allein zu einander finden und ihre Gefühle gestehen. Lange genug hatte man es ihnen ja schließlich angesehen, es war fast kaum zu ertragen gewesen.

Doch Alma kannte ihren Sohn eigentlich recht gut. Zumindest gut genug um zu wissen, dass es vermutlich auch nie dazu gekommen wäre. Von daher fühlte sie sich auch nicht schlecht, dem einen Stups in die richtige Richtung gegeben zu haben.

Alles was sie seit dem Neuanfang gewollt hatte war schließlich, dass jedes ihrer Kinder einfach glücklich war.

dos oruguitas (Bruno x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt