dos oruguitas (Bruno x OC)

Ablenkung

Stöhnend lag Sofia mit dem Kopf auf dem Esstisch der Madrigals. Ihr Kopf dröhnte, eine wirklich lästige Nachwirkung der Alkohols. Innerlich schwor sie sich, niemals auch nur noch einen Tropfen zu trinken. Sie erinnerte sich daran, wie sie nach dem kurzen Gespräch mit Dolores noch eine ganze Weile einfach da gestanden hatte. Hatte das für und wieder abgewogen. Doch am Ende kam sie immer wieder auf das selbe Ergebnis. Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab, dass Bruno zurück kehrte, eines Tages irgendwann, dann würde sie darauf vertrauen. So schwer es ihr auf fiel. Aber dieser kleine Hoffnungsschimmer war jetzt alles, woran sie sich klammern konnte. 

"Hier, iss das.", sagte Julieta von der Seite und stopfte ihr irgendetwas keksmäßiges in den Mund. Langsam kaute sie und merkte dann, wie es ihr allmählich besser ging. Die Kräfte der Älteren waren wirklich erstaunlich. Kurz war Julieta versucht, sie darauf an zu sprechen, ließ es dann aber. 

"Ah, gut, dass ihr hier seid." Abuela kam herein. "Julieta, im Dorf gibt es einen kleinen Aufruhr zwischen Señora Estevez und Señora Aranda. Könntest du bitte mal nachsehen gehen?", sagte sie und warf dann einen Blick auf die jüngere Frau, die ihren Kopf langsam wieder vom Tisch erhob. "Und nimm Sofia mit. Ein wenig frische Luft tut ihr sicher gut."

Sofia hatte nicht wirklich Lust auf noch mehr Stress, doch vielleicht war es ja wirklich ganz gut, sich abzulenken. Womöglich brachte sie das ja dann auch auf andere Gedanken. Besser, als in der Casita zu sitzen und dabei zu zu sehen, wie alle eine Hochzeit vorbereiteten, die eh nicht stattfinden würde. Und das alles nur, um die Dorfbewohner nicht zu verunsichern. Zusammen machten die beiden Frauen sich auf den Weg ins Dorf. Schon vor weiten hörte man Señora Aranda brüllen, doch auch die andere Frau war nicht zu überhören. 

"Señora Maria Aranda?", wollte Sofia wissen. "Das ist doch die Frau, die vor ein paar Tagen ihr Kind bekommen hat?"

Julieta nickte. "Ja. Und Señora Estevez ist die Hebamme, die wir sozusagen... vertreten haben." Sie schüttelte den Kopf und richtete den kleinen Korb in ihrem Arm. "Wer weiß, was die beiden jetzt haben."

Ruhig klopfte sie an die Haustür, doch als keiner öffnete, sondern nur weiter laute Stimmen nach draußen drangen, öffnete sie die Tür. Unten war niemand zu sehen, stattdessen gingen die beiden die Treppe nach oben, wo der Krach immer lauter zu werden schien.

"Verschwinden Sie jetzt endlich aus diesem Haus!"

"Sie haben doch keine Ahnung, was S  ie hier tun, Kindchen!"

Sofia sah durch die offen stehende Tür zum Schlafzimmer hinein und sah Maria, die ihr Baby ihm Arm hielt und eine ältere Frau, die ihr gegenüber stand. Von dieser konnte sie jedoch nur die Rückseite erkennen. Es war eine recht kleine, stämmige Frau mit strengem Dutt. 

"Oh Julieta! Sofia! Bitte! Helft mir, diese boshafte Frau aus meinem Haus zu bekommen.", bat die junge Mutter, sobald sie die Neuankömmlinge entdeckte. 

Auf ihren Absätzen drehte sich Señora Estevez herum und strafte die beiden mit bösen Blicken. "Na.", sagte sie und schnalzte mit der Zunge. "Wie ich sehe, wurde ich ja bereits ersetzt." Damit stapfte sie, vor Wut fast schon schäumend, an den Beiden vorbei.

"Was ist passiert?", fragte Julieta die junge Mutter und ging zu ihr hinüber.

"Sie wollte mich nochmal untersuchen, aber als ich sagte, dass ich sie weder an mich, noch an mein Baby heran lassen werde, fing auch schon der Streit an.", erklärte Maria und verzog das Gesicht. Das Kind in ihrem Arm fing an, unruhig zu werden und so wiegte sie es sanft hin und her.

"Entschuldigt mich einen Moment.", unterbracht Sofia leise und verließ das Zimmer. Die ältere Frau tat ihr schon ein wenig leid. Jahrzehnte lang hatte sie dabei geholfen, die Babys der Stadt zur Welt zu bringen. Und das war sicherlich nicht immer gut aus gegangen. Und jetzt sollte sie plötzlich ihren Platz mit anderen teilen. So etwas konnte wirklich schwer zu akzeptieren sein.

Sofia verließ das Haus und eilte auf die Straße. Kurz sah sie sich um, bis sie in der Ferne Señora Estevez entdeckte. Zügig rannte sie hinter her. "Señora! Señora Estevez!"

Mit grimmiger Miene blieb die Angesprochene stehen und wartete darauf, dass Sofia zu ihr kam. 

"Was wollen Sie?", fauchte sie die Schwarzhaarige gleich an, kaum das diese sie schnaufend erreicht hatte. 

"Señora Estevez. Ich weiß, wir kennen uns nicht, aber ich möchte Ihnen dennoch sagen, dass niemand vor hat, sie zu ersetzen."

"Erzählen Sie das jemanden, der es glaubt.", zischte die Ältere und wollte weiter gehen.

"Señora. Bitte hören Sie mir einen Moment zu. Vor einigen Tagen wurde mir angeboten, dass ich mich hier eventuell als Hebamme nützlich machen kön-"

"Ha! Da haben wir es doch.", unterbrach sie Señora Estevez und ihre Miene wurde noch ein Stück grimmiger.

"Jetzt hören Sie mir doch mal zu!" Sofia verlor die Geduld. Ob es nun an den Ereignissen der letzten Tage lag, oder daran dass diese Fremde ihr ja nicht einmal eine Chance zur Erklärung geben wollte, wusste sie nicht. Aber sie hatte die Schnauze wirklich voll. "Lassen Sie mich verdammt nochmal ausreden.", sagte Sofia und atmete dann einmal tief durch, bevor sie etwas ruhiger fort fuhr. "Ich habe lange über das Angebot nachgedacht und bin der Meinung, dass ich es wirklich annehmen werde." Señora Estevezs Gesicht wurde feuerrot, doch Sofia hob eine Hand um ihr zu zeigen, dass sie noch nicht fertig war. "Aber ich möchte es nicht allein machen. Ich möchte, dass sie mir helfen, mir zeigen, was ich alles wissen muss. Das wir zusammen arbeiten."

"Sie haben ja Vorstellungen, Kind.", sagte die Ältere abfällig und warf ihr einen Blick zu, der aber nicht mehr ganz so abwertend schien. Sofia schöpfte ein wenig Hoffnung.

"Señora Estevez, ich sage es jetzt einfach mal, wie es ist. Sie sind nicht mehr die Jüngste und wer glauben Sie, soll den Schwangeren hier helfen, wenn Sie es irgendwann nicht mehr können? Wollen Sie diese sich selbst überlassen? So kaltherzig können Sie nicht sein."

Die Señora sah sie einen Augenblick abschätzend an, bevor sie mit der Zunge schnalzte und knapp nickte. "Kommen Sie mit, Kind."