Abendspaziergang

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"Sofia? Alles in Ordnung?"
Verwirrt sah die Schwarzhaarige ihren Vetter an, der sie besorgt musterte.

Sie war gerade dabei das Geschirr vom Essen mit Manuel abzuwaschen. Besser als erwartet hatte sie den Abend hinter sich gebracht. Erst hatte sie gedacht, dass hinter dieser Aktion ihrer Tante etwas anderes stecken würde, doch anscheinend hatte sie sich getäuscht.

Nun stand sie am Waschbecken und spülte das Geschirr. Doch in Gedanken war sie ganz woanders. Sie mochte Bruno, das wollte sie gar nicht abstreiten. Und wenn sie ehrlich war, wäre sie froh gewesen, wenn es auf eine gute Freundschaft hinaus gelaufen wäre. Die aufkommenden Gefühle, die sie zu entwickeln schien, tat sie einfach als vorübergehende Verwirrung ab. Vermutlich würde das auch wieder aufhören, wenn sie sich nur auf was anderes konzentrieren würde und Brunos Anwesenheit kein aufregendes Geheimnis mehr war.

Vielleicht sollte sie nochmal hin gehen und mit ihm reden. Innerlich nickte sie und lächelte Mariano dann an. "Ja, alles gut. Ich bin nur ein wenig erschöpft."

"Soll ich dir helfen?", bot er an, doch sie winkte ab.

"Es ist nicht mehr viel. Aber danke.", sagte sie und schnappte sich den nächsten Teller.

.....

Die Sonne war schon längst unter gegangen, als Sofia noch am Geländer des Balkons stand und ihren Blick über das Dorf schweifen ließ. Es ging ein leichter Wind und blies ihr einige ihrer schwarzen langen Haare ins Gesicht. Doch das merkte sie kaum, denn alles, an was sie dachte, war das, was in den letzten Tagen geschehen ist. Seit dem sie sich auf den Weg zum Encanto gemacht hatte, hatte sich ihr Leben von Grund auf geändert. Sie war so herzlich aufgenommen wurden, hatte in so kurzer Zeit schon Freundschaften geschlossen. Auch mit Menschen, von denen sie das nie gedacht hätte. Wie Julieta oder auch Bruno... unwillkürlich musste sie Seufzen. Sie hatte nicht vor gehabt, ihn mit so einer Frage zu verärgern und würde sich natürlich entschuldigen, sobald sie die Möglichkeit dazu haben würde.

Sofia atmete tief durch, bevor sie sich umdrehte und nach drinnen gehen wollte. Doch in diesem Moment traf sie etwas kleines hartes am Hinterkopf.

"Au!" Automatisch hielt sie sich mit einer Hand die Stelle und drehte sie wieder um. Als sie über das Geländer blickte sah sie Bruno unten stehen. Oder Hernando, wenn man seine aufgesetzte Kapuze betrachtete.

"Was machst du denn hier???", fragte sie, gerade laut genug, damit er sie hören konnte. "Und warum bewirfst du mich?"

Ohne ein Wort zu sagen drehte er sich um und verschwand ein Haus weiter in einer Nebenstraße.
Sofias Herz spielte verrückt und so leise sie konnte ging sie durch das Haus. Beim verlassen hoffte sie nur inständig, niemanden geweckt zu haben. Zügig lief sie ihm hinterher und rannte direkt in ihn rein, als sie um die Ecke bog.

"Uff." Bruno hielt sie an den Armen fest. "Alles ok?"

Die Schwarzhaarige nickte und sah ihn verwirrt an. "Was machst du hier?"

"Ich... hab ich dir weh getan?", fragte er stattdessen um ihrer Frage auszuweichen und ließ sie los.

"Bruno. Man antwortet auf eine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Das ist unhöflich." Sofia boxte ihm spielerisch auf den Arm und grinste. "Jetzt sag schon."

Er zuckte mit den Schultern. "Manchmal, wenn alle schlafen, gehe ich hin und wieder eine Runde durchs Dorf. Dann hab ich dich gesehen und dachte ich sag einfach mal 'hi' " Er lächelte ein wenig verträumt und bei dem Anblick konnte sie es ihm nicht übel nehmen.

"Na dann.", sagte sie und hakte sich bei ihn unter. "Wo wollen wir lang?"

"Willst du nicht lieber schlafen gehen? Es ist ja doch schon recht spät?", sagte Bruno und erntete ein Kopfschütteln.

dos oruguitas (Bruno x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt