Kapitel 16-Von Angesicht zu Angesicht

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Hallo ihr da draußen!

Ich möchte endlich einmal daran denken mich bei euch zu bedanken. An all die Leser und jene, die diese Geschichte sogar hinzugefügt haben =) Schön, dass meine Geschichte zu gefallen scheint. Vielleicht ist ja der eine oder andere von euch ja sogar gewillt, mir eine kurze Rückmeldung zu hinterlassen, das würde mich auch riesig freuen. 

Aber jetzt genug gesappelt! Es geht weiter. Viel Spaß und passt alle gut auf euch auf!

Eure Holly 

Kapitel 16- Von Angesicht zu Angesicht

Der behandelnde Arzt hatte sie nur äußerst widerwillig gehen lassen. Aber Sevil hatte es nicht länger ausgehalten.
Nach einer unruhigen Nacht, in der es allen Medikamenten nicht gelungen war die Alpträume von ihr fern zu halten, hatte sie an diesem Morgen darauf bestanden entlassen zu werden. Die Tests waren unauffällig, auch wenn er darauf plädierte sie noch einen weiteren Tag zur Beobachtung dazubehalten.

Aber sie hatte entschieden auf ihre Entlassung bestanden und letztlich war ihm nichts anderes übrig geblieben.
Nachdem sie all die Anweisungen und Ermahnungen über sich hatte ergehen lassen, hatte sie sich ein Taxi rufen lassen. Die kurze Treppe, die zu ihrer Wohnung hinauf führte, reichte aus um den Kopfschmerz wieder zu verschlimmern und sie vollkommen zu erschöpfen.
So wankte sie mehr als dass sie ging durch ihre Wohnungstür und lehnte sich atemlos gegen die Wand in ihrem Flur.
Minutenlang stand sie einfach nur da und konzentrierte sich darauf zu atmen. Und erst als sie nicht mehr das Gefühl hatte jeden Augenblick zusammen zu brechen, wagte sie es ihr Wohnzimmer zu betreten. Es wirkte fremd. Leer und verlassen. Genauso wie sie sich fühlte.

Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter, warf die leichte Tasche mit allem, was man ihr bei ihrer Entlassung ausgehändigt hatte, achtlos aufs Sofa und betrat ihr Schlafzimmer.
Ein geöffneter Koffer lag auf ihrem Bett. Sie hatte ihn bereits gepackt und hatte nur noch die letzten Kleinigkeiten dazu legen wollen, wenn sie nach ihrem Termin zurückkehrte.
Und nun?
Reglos stand sie mitten im Zimmer und starrte den Koffer an ohne ihn wirklich anzusehen.
Und erst eine vertraute Melodie riss sie aus ihrer Starre. Der Startton ihres Handys.
Überrascht wollte sie ins Wohnzimmer zurückkehren, wankte jedoch und riss auf der Suche nach Halt das Bild auf ihrem Nachttisch hinunter. Mit einem schier ohrenbetäubenden Klappern landete es auf dem Boden, blieb dabei aber glücklicherweise unbeschädigt.

Wie ferngesteuert hob sie es auf und betrachtete es. Die drei Kinder, die ihr hinter dem Glas entgegen lächelten, wussten noch nicht was ihnen bevorstand. Sie hatten bereits schlimme Dinge erlebt und Tragödien überstanden doch von dem, was ihnen noch bevor stehen sollte, hatten sie nichts ahnen können. Zwei Jungen, die frech und aufgeweckt ein deutlich jüngeres Mädchen in ihrer Mitte umarmten.
Sevil schluckte. Nein, diese Kinder hatten nicht gewusst was noch kommen würde. Und ganz sicher hatten sie in diesem Augenblick niemals damit gerechnet dass sich ihre Wege für immer trennen würden.
Eine rasche Folge weiterer Töne, die aus dem Wohnzimmer drangen, ließen sie nun doch nachsehen.
Schnell hatte sie das Gerät aus der Tasche gezogen und starrte verblüfft auf den Hintergrund, der sie und Michael zeigte. Sie hatte das Handy ausgeschaltet , als sie die Fabrik betreten hatte um bei dem Termin nicht gestört zu werden. Oder etwa nicht?
Es brummte und tönte noch immer und immer mehr neue Nachrichten gingen ein. Sie entdeckte eine Gruppe, der man sie hinzugefügt hatte. Und von dort kamen auch die meisten Nachrichten.
Dazu kamen noch unzählige verpasste Anrufe und einzelne Nachrichten.
Sevil zögerte. War sie überhaupt imstande sich jetzt mit dieser Gruppe auseinander zu setzen?
Zumindest sollte sie nachsehen was da so dringend war.
Lilly war es gewesen, die die Gruppe eröffnet und alle hinzugefügt.

Lilly: Sevil! Bitte melde dich! Lass uns wissen, dass es dir gut geht!
Offenbar schien sie gewusst zu haben, dass etwas nicht stimmte und nachdem sie die verwirrten Nachfragen der Anderen überflogen hatte, entdeckte sie auch den Grund dafür.
Lilly: Jake hat mir vorhin mitgeteilt dass sie nicht mehr auf Nachrichten reagiert. Ihr Handy ist ausgeschaltet und er hat aus irgendeinem Grund die Polizei zu der letzten bekannten Adresse geschickt. Aber sie reagiert noch immer nicht!

Also hatte sie es Jake zu verdanken, dass die Einsatzkräfte rechtzeitig aufgetaucht waren. Natürlich.
Sie sparte es sich alle Nachrichten zu lesen. Doch es reichte aus um die stetig wachsende Sorge regelrecht zu spüren.
Als Dan irgendwann mitten in der Nacht nachfragte wo denn die letzte bekannte Adresse gewesen sei, erfuhr sie dass auch Jake direkt nach seiner Nachricht verschwunden war und auf nichts mehr reagierte.
Immer noch zögerte sie. Dann allerdings gab sie sich einen Ruck.
Sevil: Hallo Leute. Ich kam erst jetzt an mein Handy ran und werde es gleich wieder ausmachen. Ich will euch nur wissen lassen, dass es mir gut geht. Ich bin Zuhause.

Sie wartete gar nicht erst ab, auch wenn augenblicklich alle online waren und schrieben. Stattdessen rief sie die restlichen Nachrichten auf und entdeckte die, nach der sie gesucht hatte.
Eine unterdrückte Nummer hatte ihr mehrere Nachrichten geschrieben. Die letzte traf sie mehr als sie es zugeben wollte.
Jake schrieb: Es macht mich wahnsinnig nicht zu wissen was passiert. Ich weiß dass sie dich erreicht haben. Ich weiß dass jemand festgenommen wurde. Ich weiß dass jemand gestorben ist. Bitte, sei nicht du das.

Sie schluckte schwer und setzte gerade an ihm zu antworten, als sie sah dass er bereits schrieb.

‚Ich habe eine große Dummheit begangen.'
Sie runzelte die Stirn.
‚Und was?'
Darauf antwortete er nicht. Er ging offline und während sie noch verwirrt auf ihr Handy starrte, ertönten Schritte. Schritte; die nicht von draußen kamen sondern...aus ihrer Wohnung?
Bewegungsunfähig stand sie einfach nur da. In der einen Hand das Handy, in der anderen das Bild, das sie gedankenverloren mitgenommen hatte und starrte auf die sich öffnende Tür zu ihrem Arbeitszimmer.
Eine Gestalt schob sich ins Wohnzimmer. Groß, breitschultrig. Das Gesicht unter einer weiten Kapuze verborgen. Noch bevor sie schreien konnte, hob der Unbekannte beschwichtigend die Hände.
„Ganz ruhig."
Da war sie. Die verzerrte dunkle Stimme.
„Jake?", hauchte sie fassungslos.
Er machte einen Schritt auf sie zu,hielt aber sofort wieder inne, als sie zurück wich.
„Was...soll das?"
„Ich konnte dich nicht erreichen."
Selbst durch die Verzerrung konnte sie erkennen wie mitgenommenn er klang. Fassungslos. Aufgelöst.
„Und...darum....was...."
„Ich musste wissen dass du lebst."
Und dieses Mal ließ er ihr keine Zeit. Schneller, als sie es begriff, überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und ergriff ihre Arme.
„Du bist verletzt."
„Eine Gehirnerschütterung. Nicht weiter wild."
„Aber es war knapp."
Sie sah zu ihm auf. Ganz wage meinte sie Gesichtszüge zu erkennen, doch bevor sie wirklich etwas erkennen konnte, senkte er den Kopf ein klein wenig mehr und machte die Schatten vollkommen.
„Für Mick kam jede Hilfe zu spät."

Wenn man es ausspricht, ist es wahr. Wieder hatte sie die schreckliche Wahrheit ausgesprochen, wieder überwältigte sie die Erkenntnis. Ein Zittern erfasste ihren Körper während sie nichts tun konnte um die aufsteigenden Tränen zu stoppen. Jake erwiderte nichts. Stattdessen zog er sie an sich und hielt sie fest. Ließ es zu, dass sie ihr Gesicht hilflos an seiner Schulter vergrub und weinte.
Eine kleine Ewigkeit standen sie so da, bis das Schluchzen abebbte, die Tränen versiegten und Sevil endlich wieder ihre Fassung gewann. Vorsichtig und verlegen löste sie sich von ihm und trat ein wenig zurück.
„Tut mir Leid." Sie hasste den erstickten Klang ihrer eigenen Stimme.
„Es gibt nichts zu entschuldigen.", gab er zurück und senkte den Kopf ein wenig weiter. Er nickte auf das Bild, das sie noch immer umklammert hielt.
„Das...stand auf deinem Nachttisch."
„Du warst also auch in meinem Schlafzimmer."
Er erwiderte nichts.
Sie seufzte und senkte den Blick auf das Foto.
„Ich, Michael und unser bester Freund."
Sein Kopf zuckte abrupt in ihre Richtung, doch er sagte nichts und als das Schweigen sich ausdehnte, wandte sie sich ab und trat in die Küchenzeile. Zwar hatte ihr der Arzt Kaffee verboten, doch ihre Hände brauchten eine Beschäftigung.

„Es war schwer Michaels Vertrauen zu gewinnen.", sagte er plötzlich. Sevil zögerte einen Moment, dann nickte sie langsam.
„Dein Auftreten ist auch nicht gerade vertrauenserweckend."
„Das hat er auch gesagt."
Trotz der Situation, musste sie für einen kurzen Moment lächeln. Natürlich hatte er das.
„Und wie hast du ihn am Ende überzeugt?"
Sie hörte wie er sich bewegte. Spürte, wie er wortlos neben sie trat. Dann tauchte mit einem Mal etwas vor ihrem Gesicht auf. Eine Kette mit einem Medaillon. Sevil zuckte so erschrocken zurück als hätte er ihr eine Giftschlange vor das Gesicht gehalten.
Sie musste nicht fragen was das war oder was es damit auf sich hatte. Sie musste das Medaillon nicht öffnen um zu wissen, was sie darin sehen würde. Sie kannte diese Kette und ihren Anhänger. Sie selbst hatte sie vor Jahren mit klopfendem Herzen an einen Jungen übergeben, der kurz darauf aus ihrem Leben verschwunden war.

Fassungslos wandte sie den Kopf. Beobachtete wie die Kette wieder in den Taschen des Pullovers verschwand und die Hände zu der Kapuze glitten um sie zurück zu schieben. Schwarzes Haar, markante Züge und blassblaue Augen, die sie nie vergessen hatte.
Der Junge, den sie gekannt hatte, hatte rein gar nichts mehr mit dem Mann, der nun vor ihr stand, zu tun und dennoch erkannte sie ihn auf der Stelle.
„Jakob.", hauchte sie tonlos. „Jake."
Er nickte mit ernster Miene.
„Es...tut mir unendlich leid.", raunte er, nun vollkommen ohne künstliche Verzerrung. Die Stimme dunkel und ein wenig rau.
Sie stand einfach nur da. Und dann, ohne dass sie wusste wie es dazu kam, hatte sie die Hand erhoben und ihm eine saftige Ohrfeige verpasst.

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