Kapitel 26- Die Maske fällt
Darauf zu warten, dass Jake sich meldete, entpuppte sich als einzige Nervenprobe. Und das betraf nicht nur Sevil. Auch Lilly, der das erste Treffen mit ihrem Bruder, dem sie unwissentlich einen empfindlichen Schlag versetzt hatte, wirkte zerstreut und fahrig. Und mit jeder Stunde, die verstrich, nahm das Ganze nur noch zu.
Es dauerte nicht lange, bis auch die Anderen bemerkten, dass etwas nicht stimmte. Doch als sie auf mehrfaches nachfragen keinerlei Informationen erhielten, gaben sie es schließlich auf. Auch wenn sie die beiden Frauen durchgehend wachsam im Blick behielten.
Besonders Cleo wirkte wie ein Bluthund auf der Jagd und Sevil wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich mit ihrem Verhalten verraten hatten.
Richy, der erst zur Werkstatt hatte fahren müssen um Sevils Wagen abzustellen und erst später dazu gestoßen war, wirkte fahrig und zunehmend nervös. Und gerade als Dan sich wieder einmal dazu äußerte wie wichtig nette Bekanntschaften waren, beugte der Blonde sich zu ihr herüber.
„Kommst du mal mit raus?"
Sofort war Sevil auf der Haut und musterte ihn aufmerksam. Was ihm nicht entging. Ein gequälter Ausdruck huschte über sein Gesicht.
„Wir bleiben einfach vor dem Schaufenster stehen."
Er sah sie flehend an und Sevil brachte es einfach nicht über sich, ihm die Bitte abzuschlagen. Insgeheim klammerte sie sich an ihre Vermutung, dass Richy keineswegs als bösartig einzustufen war und erhob sich.
„Wohin geht's?", wollte Dan sofort wissen und musterte sie wachsam. „Taucht dein geheimnisvoller Freund endlich auf?"
„Nein. Wir müssen nur kurz was wegen dem Wagen klären.", schaltete Richy sich eilig ein bevor sie auch nur über eine Antwort nachdenken konnte.
Dann nahm er sie beim Arm und führte sie mit hinaus.
„Ich hatte nichts damit zu tun.", sprudelte es aus ihm heraus, kaum dass sie draußen standen.
Sevil musterte seine Miene. Er war blass. Wirkte fahrig und immer wieder huschte sein Blick über die umliegende Umgebung.
„Warum solltest du auch?", wagte sie einen vorsichtigen Vorstoß und ihr Gegenüber schloss einen Moment die Augen.
„Du weißt es doch.", murmelte er und sah sie an. Müde und mitgenommen sah er aus und Sevil ahnte, dass das rein gar nichts mit der Verletzung zu tun hatte, die ihm noch immer zu schaffen machen musste.
Sie nickte langsam.
„Zumindest gab es einige begründete Vermutungen."
„Ich habe nie jemandem wehgetan."
Seine Stimme bebte und er wandte den Blick von ihr ab.
„Das habe ich auch nicht von dir erwartet. Du warst eher mit der Vertuschung beauftragt, habe ich Recht?"
Einen Moment schloss er die Augen. Dann nickte er kaum merklich.
Und da wurde ihr erst bewusst, was sie die ganze Zeit übersehen hatte.
„Michael wollte dich warnen. Er hat dich nicht verdächtigt sondern gewusst wie du darin verwickelt bist und..."
„Er hat mich angesprochen.", unterbrach Richy sie tonlos. „Eine Woche vor meinem Angriff und... seinem Unfall. Er hat mir auf den Kopf zu gesagt, dass er weiß dass ich da mit drin stecke. Er wusste alles."
Richy schluckte. Zögerte und schien sich erst sammeln zu müssen, bevor er weiter sprechen konnte.
„Er wusste auch dass ich versucht habe ihn aufzuhalten. Ich habe schon alles versucht. Ich habe sogar versucht der Polizei etwas zukommen zu lassen aber er hat es bemerkt. Als Michael auf mich zukam und ich endlich über alles reden konnte, haben wir uns zusammen getan. Ich habe ihm den Stick gegeben, den er haben wollte. Und dann...."
Sevil fragte nicht von was für einem Stick er sprach. Für den Moment war es wichtiger ihn am Reden zu halten. Und so nickte sie langsam.
„Bist du aufgeflogen. Irgendwie hatte Michael auch das herausgefunden und war auf dem Weg."
„Er wollte mich wegholen.", bestätigte Richy. „Aber er kam zu spät. Wir hatten gerade einen Treffpunkt vereinbart, als ich angegriffen wurde."
Bebend atmete er ein und auch Sevil fühlte sich ein wenig überfordert mit der Situation.
„Aber er hat dich noch immer in der Hand, nicht wahr? Du warst an Michaels Wagen nachdem.... er den Unfall hatte."
Nun stiegen ihm Tränen in die Augen und Sevil erkannte wie sehr er die ganze Zeit gelitten haben musste.
„Er droht den Anderen. Meinte das was er mit mir gemacht hat, wäre nur ein Vorgeschmack auf das, was er mit ihnen tun würde."
„Du sagst er?", hakte sie nach und winkte den Anderen zu, die neugierig zu ihnen hinaus stierten. Vermutlich würde es nicht lange dauern, bis einer von ihnen hinaus kommen würde und bis dahin musste sie so viel erfahren wie nur möglich.
„Ich denke es ist ein er. Aber ich habe ihn weder gehört noch gesehen. Es läuft alles über das Handy. Aber der Angreifer, der war definitv männlich."
Das hatte sie schon vermutet. Auch wenn ihnen das nichts darüber verriet ob der Entführer, und nun ja auch Mörder, tatsächlich ein Mann war.
„Und gestern warst du nicht dabei?"
„Nein."
Es schien ihm wichtig zu sein dass sie ihm das glaubte. Und sie tat es.
„Dieser Freund..", wechselte er urplötzlich das Thema und brachte sie damit aus dem Konzept. „Das ist dieser Hacker oder? Der, der uns schon die ganze Zeit hilft."
„Ja. Dieser Freund ist dieser Hacker.", bestätigte eine vertraute dunkle Stimme hinter Richy. „Hallo Richy."
Da stand er. In Jeans und Pullover. Das schwarze Haar noch ein wenig feucht. Offenbar hatte er die Zwischenzeit genutzt. Er war vollkommen ruhig.
„Du wolltest schreiben!", fiel Sevil als erstes auf und lenkte seine Aufmerksamkeit somit auf sich. Jake lächelte schwach.
„Das habe ich."
Peinlich berührt zog Sevil daraufhin ihr Handy hervor. Tatsächlich.
‚Ich komme zum Café. Bleibt dort.'
Sie spürte wie ihr die Röte in die Wangen kroch, bemühte sich aber sich nichts anmerken zu lassen.
Richy war blass geworden. Er stand da und starrte Jake an, der seinen Blick ruhig erwiderte.
„Es ist gut, dass du dich ihr anvertraut hast.", sagte er und reichte ihm die Hand.
Sevil spürte wie er sie gleich noch ein Stück weiter für sich einnahm. Er hatte offenbar gespürt wie sehr der Andere unter Strom stand und genau das richtige getan.
Es war, als hätte er dem Anderen mit seinen Worten eine Last von den Schultern genommen. Er ergriff die dargebotene Hand und nickte ihm zu.
„Wir sollten uns bald noch einmal in aller Ruhe unterhalten.", sagte Jake und Richy nickte. Erleichtert und um einiges entspannter als noch zuvor.
Gemeinsam kehrten sie in das Café zurück. Jake hielt sich dicht an ihrer Seite und so nahm sie wahr, wie er kurz stockte, als Lilly in Sicht kam. Deren Augen weiteten sich. Instinktiv ergriff Sevil seine Hand, als er einen Moment zögerte und drückte sie leicht. Jake sah sie an.
„Es gibt kein Zurück mehr.", wisperte sie leise und suchte seinen Blick. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Lilly sich erhob und langsam auf sie zukam. „Die Maske ist gefallen, mein Lieber."
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Scambled Papers
FanfictionAls ihr Bruder Michael bei einem mysteriösen Autounfall stirbt, begibt sich Sevil auf die Suche nach der Wahrheit. In Duskwood gerät sie in die verworrenen Geschehnisse einer Gruppe von Freunden hinein, denen Michael zuvor nach aller Kraft zu Helfen...