Kapitel 5- Ein neuer Weg

100 10 0
                                    

Huch, da hat es nun irgendwie länger gedauert bis ich meinen Weg zurück an den PC gefunden habe. Als Entschädigung kommen dann heute ausnahmsweise mal ein paar Kapitel am Stück. Viel Spaß! =) 

Kapitel 5- Ein neuer Weg

Die Fahrt hatte länger gedauert als sie angenommen hatte, was nicht zuletzt den drei Staus geschuldet war, in die sie unversehens hinein geraten war. Doch endlich hielt sie vor dem, ein wenig unheimlich anmutenden, alten und offenbar einzigen Hotel der Stadt und lehnte sich erst einmal zurück um durch zu atmen und noch einmal alles durchzugehen.

Sie hatte an alles gedacht. Wieder Zuhause hatte sie ein letztes Mal auf ihr Handy gesehen und tatsächlich noch eine Antwort des Unbekannten gefunden.

‚Ich weiß dass du mich für alles verantwortlich machst und vermutlich hast du Recht. Aber glaube mir, das lag nie in meiner Absicht und für den Rest meines Lebens werde ich diese Schuld tragen müssen. Also bitte, Sevil. Bitte lass mich jetzt zumindest dir helfen. Lass mich dir helfen und dich beschützen!'

Sie hatte nicht darauf geantwortet, die Speicherkarte des Handys in das Neue gesetzt und das Alte liegen lassen nachdem sie alle Hinweise auf das Haus ganz sicher von dem Gerät gelöscht hatte.
Dann hatte sie all ihre Sachen mit Michaels Hoodie, seinem Laptop und auch, notgedrungen, ihrem eigenen zusammen gepackt und sich nach einem kurzen Anruf in besagtem Hotel auf den Weg gemacht. Ihr war durchaus aufgefallen wie die Stimme der jungen Frau, die den Anruf beantwortet hatte, bei ihrem Namen ins Stocken geraten war und spürte eine leise Vorahnung wer da am anderen Ende der Leitung mit ihr gesprochen hatte, war aber einfach darüber hinweg gegangen, als wäre rein gar nichts los. Wenn sie so tat als würde sie nichts von alle dem wissen, als hätte sie keinerlei Bezug zu diesem Ort, würden die Anderen sie vielleicht in Ruhe lassen. Oder einfach davon ausgehen sich zu irren.

Nun war sie also hier. An diesem Ort, der ihren Bruder schon lange gefangen hielt. In jeder Sekunde, seit dieser verfluchten Chatanfrage. Willkommen in Duskwood, hatte auf dem Holzschild gestanden und ihr nur ein spöttisches Schnauben entlockt. Noch ein letztes Mal atmete sie durch, dann schulterte sie den schweren Rucksack und stieg aus.

Vor dem Hotel saß ein Junge, der auf den ersten Blick vollkommen normal wirkte. Erst als sie näher heran kam erkannte sie den entrückten Blick und das angedeutete Lächeln auf seinen Lippen. Als sie beinahe auf selber Höhe mit ihm war, blickte er auf und blinzelte ihr erstaunt und neugierig entgegen.
„Wer bist du?", verlangte er zu wissen als würde er sie mit dem richtigen Lösungswort in ein Geheimnis einweihen wollen. Sevil lächelte ihn an.
„Ich bin Sevil und du?"
Einen Moment starrte er sie noch an, dann verlor er offensichtlich das Interesse und wandte den Blick wieder auf seine Schuhspitzen. Stattdessen erschien nun ein ältere, abgekämpft wirkende Frau in der Tür, die sie aufmerksam musterte und dann heran winkte.
„Sevil Pierce?", verlangte sie zu wissen.
„Ja, M'am. Tut mir Leid, dass es so spät wurde."
Die Frau winkte ab und bedeutete ihr zu folgen.
Das tat sie auch während sie fieberhaft überlegte, wie die Frau mit Namen hieß. Sie wusste, dass sie es gelesen hatte, doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie kam nicht darauf.
„Sie haben mit meiner Angestellte Frau Danvord gesprochen.", informierte die Hotelbesitzerin sie während sie sie einen düsteren schmalen Gang entlang führte und vor einem Zimmer stehen blieb, wo sie sie noch einmal eingehend musterte.
Dieses unverhohlene Interesse war Sevil mehr als nur unangenehm, doch sie hielt dem Blick tapfer stand.
„Und Sie sind beruflich hier?"
„So in etwa.", gab sie zurück. „Ich bin Illustratorin und brauchte einen Tapetenwechsel. Vielen Dank, dass sie es so kurzfristig einrichten konnten."
Darauf erhielt sie keine Antwort. Nach einem letzten eindringlichen Blick,öffnete die Ältere die Tür, drückte ihr den Schlüssel in die Hand und wandte sich zum Gehen.
„Ich bin Frau Walters. Melden Sie sich, wenn Etwas nicht nach Ihren Wünschen ist."
„Freut mich, ich bin sicher dass alles in Ordnung ist. Gute Nacht."

Eigentlich hatte sie nach einer kleinen Mahlzeit fragen wollen. Doch der Gedanke, noch länger diesem aufmerksamen, eindringlichen Blick ausgesetzt zu sein, erschien ihr unerträglich. Also schloss Sevil eilig die Tür hinter sich und lehnte sich aufseufzend von innen gegen das dicke, grobe Holz. Die erste Hürde hatte sie geschafft. Wie es nun weiter ging, blieb abzuwarten.

Nun, da sie endlich angekommen war und allmählich zur Ruhe kam, spürte sie überdeutlich die Erschöpfung und der Schmerz in ihrem Bein meldete sich zurück.
Vollkommen unbeschadet war sie nicht aus der ganzen Sache heraus gekommen und auch wenn sie sich alle Mühe gab es zu verdrängen der eigentliche Grund für diese Verletzung, der weit in ihrer Vergangenheit begraben lag, machte ihr erheblich zu schaffen. Um sich abzulenken, zog sie das Handy hervor, in dem nur eine einzige Nummer eingespeichert war. Micks. Doch er nahm nicht ab, obwohl sie es wieder und wieder versuchte, bis sie schließlich eine Grimasse schnitt und aufgab. Da wollte man ein guter Freund sein und sich melden...

Stattdessen zog sie die beiden Laptops hervor, zögerte einen Moment und öffnete dann jenen, den sie aus dem Haus mitgebracht hatte. Es dauerte nicht lange, bis er hochgefahren war und ein Passwort verlangte, dass für sie kein Problem dar stellte. Sie kannten einander gut und weil er nie im Leben damit gerechnet hatte, dass sie jemals an diesem Gerät sitzen würde, hatte er sich keine Mühe mit der Verschlüsselung gegeben. Den schmerzhaften Stich, den diese Gewissheit mit sich brachte, ignorierend, öffnete sie den einzigen Ordner, der sich auf der Festplatte befand und hielt den Atem an.
Was sie dort fand war viel mehr als das, was an der Wand gehangen hatte. Das hier waren private Dateien, Fotos, Videos. Gespräche. Wo hatte er das alles her? Wie war an diese Sachen heran gekommen? Michael hatte sich mit all diesen Dingen nicht sonderlich gut ausgekannt. Man hatte froh sein können, wenn er mit den Grundfunktionen zurechtgekommen war und dennoch hatte sehr oft sehr verzweifelt ein geknickter großer Bruder bei ihr angerufen, der wieder versehentlich mit unkoordinierten Tasten eine halbe Katastrophe angerichtet hatte. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, das allerdings erstarb als sie durch Zufall ein offenbar immer offenes Videofenster aufrief, das den Blick in einen Raum freigab der ganz offensichtlich jemandem gehörte, der sich sehr wohl mit Computern und Technik auskannte.
Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie an Mick, dann wurde ihr allerdings klar in wessen Reich sie da blickte. Doch es war zu spät. Denn eben jene Person blickte, durch die tiefe Schwärze ihres Hoodies vom Monitor zurück

Scambled PapersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt