Kapitel 21- Spannungen

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Kapitel 21- Spannungen



Der neuerliche Schlag auf den Kopf trug nicht gerade dazu bei,dass es ihr besser ging. So kämpfte sie mit der Übelkeit und einem grässlichen Mattheitsgefühl, als sie kurz darauf still nebeneinander im Wohnzimmer saßen.
Auch wenn selbst die Gedanken in ihrem Kopf Schmerzen zu verursachen schienene, konnte sie diese einfach nicht abstellen. Die Nachricht hatte sie kalt erwischt. Wer auch immer ihr da schrieb, schien sie genau im Blick zu haben und, was ihr noch viel mehr zusetzte, er war in ihrer Wohnung gewesen.

Das schloss die Mitglieder der Gruppe aus, oder nicht? Immerhin hatten sie sich zeitgleich getrennt. Keiner der Anderen hätte in dieser Zeit zu der Hütte kommen, alles arrangieren und sich dann so verstecken können, dass sie keine Spur von ihm entdeckten.
Die kurze Pause um das Essen zu besorgen, reichte dafür einfach nicht aus. Oder etwa doch? Gab es einen kürzeren Weg, der Duskwood und diesen Ort verband?
Ihr rauchte der Kopf. Es waren einfach zu viele Informationen, die heillos durcheinander purzelten und es ihr nicht erlaubten einen klaren Gedanken zu fassen.
„Was hast du mit der Puppe gemacht?", wollte sie wissen um irgendetwas zu sagen. Im Grunde war es ihr gleich, was Jake mit dem schauderhaften Ding gemacht hatte. Sie war nur froh dass er es weggeschafft und sie ins Haus geschickt hatte. Ihre Wohnung. Jemand war in ihrer Wohnung gewesen. Hatte ihre Sachen durchwühlt.
„Wie bist du in meine Wohnung gekommen? War das... leicht?"
Erst als sie die Frage gestellt hatte ,fiel ihr auf dass er ihr noch eine Antwort schuldig war und wandte vorsichtig den Kopf um ihn anzusehen. Und es erschreckte sie aus ihr unerklärlichen Gründen als sie feststellte, dass er sie offenbar die ganze Zeit angestarrt hatte.
„Jake?"
Seine sonst hellen Augen wirkten düster und grimmig. Seine ganze Haltung war der verkörperte Ausdruck unbändigen Zorns.

„Dieser elende Scheißkerl.", brach es endlich aus ihm hervor und er erhob sich. Dieses Mal war er derjenige, der unruhig seine Bahnen durch das Zimmer zog. Von einer Wand zur nächsten.
„Ich komme nicht an ihn heran. Seine Firewall ist unglaublich und immer wenn ich es schaffe auch nur ein wenig vorzudringen, bemerkt er mich und zieht drei Reihen mehr. Wie kann er das wenn er hier vor Ort auch noch so einen Psychoterror abzieht? WAS will er und warum von dir?"
Langsam erhob sie sich und griff nach ihm, doch er wich ihr aus und setzte seinen ziellosen Weg fort. Hin und Zurück und wieder Hin.
„Genauso gut hätte er dir auflauern können.", grollte er mit vor Wut bebender Stimme ohne auch nur einmal inne zu halten.
„Jake.", sagte sie um einen beruhigenden Ton bemüht.
„Er hätte dich direkt von da vorn wegzerren können ohne dass ich es bemerkt hätte."
„Jake!"
„Dir hätte sonst etwas passieren können und ich...."
Sie stellte sich ihm in den Weg und zwang ihn dazu sie anzusehen.
„Ich bin hier.", sagte sie ruhig und sah ihm fest in die Augen. Bestürzt stellte sie fest dass sein Atem sich beschleunigt hatte. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Pure Angst in seinen Augen.
Aus einem Impuls heraus hob sie ihre Hände und umfasste sein Gesicht. Spürte wie kalt und klamm seine Haut war. „Ich bin hier!", wiederholte sie leise.
Er starrte auf sie herab. Immer noch ging sein Atem schneller und sie meinte zu spüren dass er leicht zitterte.
„Ich habe dich gerade erst wieder gefunden!", sagte er so leise, dass sie sich anstrengen musste um ihn zu verstehen.
„All die Jahre wollte ich dir ein Zeichen geben. Immer wenn du nach mir gesucht hat und als dann Michael wieder in mein Leben trat habe ich mir nichts mehr gewünscht als dass du ihm folgst. Dass du eines Tages einfach in der Tür stehst und wir alle wieder zusammensind. Aber es war zu gefährlich."
„Jetzt bin ich da.", gab sie zurück und würgte den dicken Kloß, der sich in ihrem Hals bildete hinunter.
Jake nickte und dann war es plötzlich wieder da. Ihr Herz begann schneller zu schlagen und ihre Nähe wurde ihr nur allzu deutlich bewusst. Abrupt wollte sie ihre Hand zurückziehen, aber Jake war schneller. Blitzschnell legte sich seine Hand, immer noch ein wenig kühl, auf ihre und hielt sie fest während er sie mit seinem Blick regelrecht durchbohrte.
„Und da sagt man ICH würde mich verstecken.", murmelte er und mit einem Mal war seine Stimme anders. Dunkler. Rau. Der Klang jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken und irritiert stellte sie fest, dass auch ihr Mund trocken wurde.
„Aber wovor läufst du weg, Sevil. Wie kommt es dass du immer schnell zurück weichst, wenn man dir zu nahe kommt?"
War er gerade noch das reinste Nervenbündel gewesen, war er nun wieder die Ruhe selbst. Wachsam. Anziehend.
Zu nah!, tönte eine kleine Stimme in ihrem Kopf alarmiert.
Hauchzart strich sein Daumen über ihren Handrücken. Die Wärme, die von ihm ausging, hüllte sie ein.

Ganz kurz nur huschte sein Blick zu ihren Lippen bevor er zu ihren Augen zurück kehrte und er noch ein wenig näher rückte.
Viel zu nah!, nun war es nicht nur eine Stimme. Es war ein ganzer Chor!
Und endlich kehrten ihre Sinne zurück. Mit einem Ruck entzog sie ihm ihre Hand und trat zurück, darauf bedacht es nicht zu sehr nach einer Flucht aussehen zu lassen. Zwang sich dazu ihm mit gerecktem Kinn entgegen zu blicken.
„Ich laufe nicht weg! Ich passe nur auf mich auf."
Die Überraschung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch nur einen Moment, dann hatte er sich wieder gefasst und schenkte ihr ein Lächeln, dessen Bedeutung sich ihr nicht vollends erschließen wollte, das seine Wirkung allerdings keineswegs verfehlte.
Sie spürte ihren Puls in die Höhe schnellen. Dieses Lächeln war ein Versprechen, machte sie sich bewusst. Das Versprechen auch dieses Geheimnis zu lüften.

Hastig wandte sie sich ab und zog ihr Handy hervor um die Nachricht aufzurufen.
„Was ist wenn du es über mein Handy versuchst?", wollte sie wissen und bemühte sich um einen neutralen Klang. „Immerhin musste er oder sie irgendwie Zugang dazu gehabt haben...um die Nummer meines Bruders einzuspeichern. Ich habe es nie aus den Augen gelassen."
Außer an dem Tag, an dem sie keine Wahl gehabt hatte.
Einen Moment verharrte Jake noch an Ort und Stelle, dann wandte er sich ihr zu und kam gelassen zu ihr herüber.
Schon als Junge hatte Jake gewusst was er wollte und war auch von der herrischen Pflegemutter nicht kleinzukriegen gewesen. Nun ,als Mann jedoch, schien er sich diesen Charakterzug bewahrt und sogar noch weiter ausgeprägt zu haben. Dazu hatte er sich zu einem wirklich gutaussehenden Mann entwickelt.
Der von der Regierung gejagt wurde. Ihren Bruder angestiftet hatte Geheimnisse vor ihr zu haben und jederzeit jedes technische Gerät kontrollieren konnte. Es gab definitiv bessere Kanditaten, bei denen ihr die Knie schwach werden konnten. Aber auch durchaus schlechtere.

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