Im Angesicht des Augenblicks:
Anschließend an 6

,,Na, komm schon!", rief Amelie aufgeregt, packte Jona bei der Hand und riss ihn mit sich. Gemeinsam rannten sie über die weite Wiese des Central Parks, schlängelten sich durch die Bäume und verfolgten fliegende Vögel wie zwei kleine spielende Kinder.

Abrupt blieb Amelie stehen, riss die Kamera in die Höhe und knipste ein weiteres Bild, während Jona hinter ihr ins Straucheln kam und ihr schwer atmend gegen den Rücken plumpste. Die gespreizten Schwingen kamen dieses Mal besonders gut zur Geltung.

,,Hätte ich gewusst, dass wir durch den ganzen Park rennen wie zwei Verrückte, hätte ich mir meine Sportkleidung angezogen", keuchte Jona und stützte sich auf seinen beiden Knien ab.
,,Und ich dachte du bist so etwas gewohnt", kicherte sie, packte die Kamera wieder fester und sprintete erneut los.

Sie lachte, als sie Jona laut stöhnen hörte. Doch dieses Mal schien er sehr gut mit ihr mithalten zu können, denn schon bald hörte sie seine weichen Schritte auf dem grünen Rasen dicht hinter ihr. Mit Absicht legte sie noch einen Zahn zu, aber Jona hatte keine Mühen aufzuholen. Er bekam sie sogar an der Taille zu fassen und ließ sie in seine Arme stolpern.

,,So jetzt machen wir aber eine Pause!", ächzte er, aber Amelie dachte nicht einmal daran stehen zu bleiben. Sie löste sich aus seinem Griff und entkam ihm erneut mit lautem Gelächter.
,,Da hast du dich aber geschnitten, Jona Cedric De Vere Anderson!", rief sie über die Schulter und verschwand hinter dem nächsten breiten Stamm einer alten Eiche.
,,Komm doch du fauler Hund und fang mich!" Sie hörte sein raues Lachen und musste unwillkürlich schmunzeln, während sie mit fliegenden Schritten zwischen den Sträuchern und Bäumen große Haken schlug. Dabei war Jona ihr immer dicht auf den Fersen, aber egal wie sehr er sich auch bemühte, sie zu kriegen, es gelang ihm nicht, denn sie entwischte ihm immer wieder aufs Neue.

Die Sonne schien und Vögel zwitscherten, Schmetterlinge zogen ihre letzten Kreise und Bienen flogen noch immer von Blüte zu Blüte. Warm küssten die letzten Sommerstrahlen die grüne Wiese, bahnten sich Wege durch die dicht bewachsenen Baumkronen. In der Ferne gluckerte der Springbrunnen und mittendrin erklang ihr heiteres Lachen.

Schließlich gelangte Amelie völlig außer Atem an einen Teich. Ihr Weg endete hier wohl oder übel. Keinen einzigen Laut von sich gebend drückte sie sich mit dem Rücken gegen den Stamm einer alten Weide, um erst einmal in Ruhe zu verschnaufen. Als sie jedoch Jonas Schritte hörte, zuckte sie zusammen und sah sich rasch nach einer Fluchtmögkichkeit um.

,,Amelie?!", rief er und blieb stehen. Doch sie antwortete ihm nicht, wandte sich um und ergriff den nächst besten Ast über ihrem Kopf, um sich daran hochziehen zu können. Mit dem rechten Fuß suchte sie eine Möglichkeit sich hochzudrücken. Schon früher war sie mit Begeisterung auf nicht gerade kleine Bäume geklettert.

Gerade als sie sich abstoßen und zugleich hinaufziehen wollte, packten sie zwei Hände an der Hüfte und zogen sie zurück auf den Boden. Amelie spürte Jonas warmen Hände an ihrem nackten Bauch, da ihr das Langarmshirt beim Klettern etwas hochgerutscht war.

,,Hier geblieben!", brachte Jona zwischen zwei schweren Atemzügen hervor, packte sie bei den Armen, riss diese hoch und wirbelte sie herum.
,,Hab ich dich", grinste er und drückte sie gegen den rauen Baumstamm, seine Lippen so gefährlich nah an ihren, sein Atem heiß auf ihrer Haut.

Amelie nahm den ganzen Mann vor ihr in sich auf, mit seinen zum lockeren Knoten gebundenem Haar, in seinem schwarzen T-Shirt, das deutlich seine schönen Muskeln abzeichnete, dem schwarz-rot karierten Holzfällerhemd, der schwarzen Jeans und den dunklen Jucks. Sein heutiger Stil gefiel ihr sehr. Er ließ ihn jugendlicher erscheinen, sportlicher und offenbarte ihr eine völlig neue Seite von ihrem Gentleman, der sein Haar für gewöhnlich nur nach hinten gelte und maßgeschneiderte Hemden und Anzüge trug. Er sah beinahe aus, wie einer dieser Typen aus der Skaterszene. Das grobe Lederarmband an seinem Handgelenk rundete sein heutiges Aussehen geschickt ab und verlieh ihm dabei eine ganz eigene Eleganz.

,,Wo ist denn deine Brille?", bemerkte sie keck und grinste ihm herausfordernd entgegen.
,,Na, da wo sie bis jetzt immer war, im Brillenetui", antwortete er mit rauer Stimme und streifte mit seinen Lippen ihren unteren Kieferknochen.
,,Schade. Ich glaube sie hätte nämlich dein schönes Outfit perfektioniert", grinste sie.
,,Ich gefalle dir also?"
Ihr Grinsen wurde breiter.
,,Du siehst unglaublich cool aus, Jona", raunte sie, versuchte seine Lippen zu erreichen, um die letzten Zentimeter zwischen ihnen zu überbrücken, aber Jona zog lachend den Kopf zurück.

,,Kannst du das bitte lauter sagen?", bat er sie mit schelmischen Augen. ,,Ich habe dich nämlich nicht gehört." Warnend hob sie hämisch grinsend ihr Knie zwischen seinen Schritt, woraufhin er sie ergeben anlächelte.
,,Pass auf, was du von dir gibst, Jona Cedric De Vere Anderson", zischelte sie und versuchte ihm abermals entgegenzukommen, was im Angesicht dessen, dass er sie gegen den Baum genagelt hielt, nicht gerade einfach war. Er schien freiwillig aufzugeben und erlöste sie von ihrer Begierde, indem er sie in einen leidenschaftlichen Kuss zog.

,,Ich habe dich vermisst, Amelie", murmelte er zwischen einem gemeinsamen Atemzug, drängte sie mit seinem Körper noch fester gegen den Baum und beanspruchte ihren Mund ganz für sich. Sie ließ ihn gewähren und schlang seine Arme um seinen Hals, als er sie frei ließ, um seine Hände an ihr Gesicht zu legen.

Er würde sie nicht noch ein weiteres Mal gehen lassen und das war vielleicht auch ganz gut so, denn noch einmal wollte sie ihn nicht allein lassen, auch wenn ihr Kopf da manchmal etwas anderes befahl.
Kopf ausschalten und sich auf sein Herz verlassen.

©Eine Milliarden GründeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt