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Im Angesicht des Augenblicks:
anschließend an 7; im Park, in dem Amelie & Jona den Vögeln hinterherjagten

Die Sonne schien, Vögel zwitscherten und in der Ferne da gluckerte irgendwo ein kleiner munterer Brunnen vor sich hin. Lau fielen goldene Sonnenstrahlen durch die lichten Stellen des grünen Blätterdachs einer gutbeleibten, alten Buche und legten sich sachte wie eine wärmende Decke auf sie nieder. Die Wiese war weich, keineswegs strohig oder gar pieksend, nein, saftig, grün und schmiegsam. Dann und wann entdeckte man kleine Marienkäfer oder fleißige Ameisen bei der Arbeit, aber auch letzte Bienen und Hummeln sowie filigrane Schmetterlinge passierten die Lüfte über spät erblühende, bunte Blumen hinweg. Ein lieblicher Duft lag in der Luft, leicht feucht aber auch irgendwie süßlich und herb zugleich. Amelie lag im Gras und direkt neben ihr der Mann, in den sie sich unsterblich verliebt hatte. Sie lag einfach da, neben ihm, sah ihn an, strahlte dabei glücklich über das ganze Gesicht und streichelte ihm zärtlich die raue Wange. Stundenlang könnte sie ihm dabei zusehen wie er halb in ihren Armen döste, die Augen geschlossen, der Atem ruhig und tief.

,,Sag, Jona, weshalb der ungepflegte Bart? Deine Wangen waren einst seidiger gewesen, so glatt und zart", glitt es ihr von den Lippen und zeichnete mit ihrem Finger seinen Kiefer nach.
,,Wieso, Amelie? Stört es dich? Macht es mich denn nicht mannhafter?", brummte er leise lächelnd.
,,Nein, das ist es nicht. Und weshalb, Jona, weshalb ist dein Haar länger? Es war noch nie das Kürzeste und doch ist es jetzt so lang, dass du es zu einem kleinen Zopfe binden kannst", fragte sie und spielte zärtlich mit seinem Haar.
,,Nun, Amelie, stört es dich?"
,,Nein, das auch nicht. Aber so frag ich mich doch, ob ich der Grund dafür sei", begann sie schließlich schüchtern und hielt in ihrer verspielten Liebkosung inne.
,,Worauf willst du hinaus? Meinst du, ich vernachlässigte meine Pflege? Und wenn, was würde das schon ändern? Würdest du dich schuldig fühlen, dich eine Törin schimpfen? Nein, das will ich nicht", erwiderte Jona und schlug dieses Mal die Augen auf, um sie forschend anzusehen.
,,Jona, so sag doch: War ich es? Und wenn ich es war, so...", ließ sie nicht nach und strich ihm mit dem Daumen bedächtig über die dunkle Braue.
,,Ja, du warst es. Du brachtest mich um den Verstand, sodass ich glaubte, es gäbe keinen Sinn mehr, sich zu halten als wäre man ein Mann von Manier und Ehre. Ich ließ mich gehen", gestand er schließlich, mehr um sie zu beruhigen als sie zu rügen und in schludvolle Verlegenheit zu bringen.
,,Oh Jona, das tut...", brach sie beinahe in Tränen aus und schmiss sich an seine Brust, da ihr es so unendlich leid tat. Doch Jona fuhr ihr dazwischen, weil er nicht wollte, dass sie sich schuldig fühlte.
,,Still, davon will ich jetzt nichts hören und wenn du es später abermals versuchen solltest, so will ich es ebenfalls nicht sowie morgen und in ein paar Jahren. Und falls du es doch ausprechen solltest, so will ich weghören und es nicht einmal von deinen Lippen lesen."
Er umgriff mit seiner starken Hand ihren Kopf und drückte sie an sich, an die Stelle an der sein Herz schlug und das nur für sie. Seine linke ließ er über ihren Arm wandern und zog seine Finger begütigend in kleinen Kreisen über ihre zarte Haut.
,,So weine nicht, Amelie. Ich werde dich nicht noch einmal so leicht gehen lassen."
Liebevoll wie er war drückte er ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel, woraufhin sie sich nur noch mehr an ihn kuschelte und seinem rasenden Herzen heimlich lauschte.

,,Was hältst du von einem Neuanfang? Wenn wir alles gemeinsam vergessen machen und ganz von vorne anfangen?", fragte er sie, nach dem einige Sekunden schweigend verstrichen waren.
,,Ich weiß nicht, ob ich es vergessen will, Jona. Dafür hänge ich zu sehr an diesen Erlebnissen. Doch wenn wir nur von vorne anfangen, so hast du eine Freundin in mir gefunden", antwortete sie daraufhin und fuhr ihm mit den Fingerspitzen abwesend über das T-Shirt hinweg über seinen linken Brustmuskel.
,,Das soll mir recht sein... Noch heute um acht bei Ramiro in Chelsea? Wenn du dich traust, begleitest du mich und wenn nicht, dann bist du mir noch immer etwas schuldig. Überlege es dir gut", grinste er, was sie amüsiert lachen ließ.
,,Sie haben sich diese Sätze tatsächlich gemerkt. Sie überraschen mich, Mister Anderson."
,,Sie doch auch, Miss Meyland...", er nahm ihre Hand in seine, führte sie zu seinen Lippen und küsste ihren Handrücken, ehe er fortfuhr, ,,und dieses Mal haben Sie sogar eine Antwort parat."
,,Das hatte ich doch auch schon damals, indem ich die Herausforderung angenommen habe."
,,Welche Herausforderung? Ich dachte, es wäre eine Falle gewesen..."
,,Das war es ja auch."
,,Dann war sie also so offensichtlich gewesen? Verdammt! Und ich dachte, sie wäre richtig gut gewesen!"
,,Gerade weil sie so offensichtlich gewesen war, war sie genial", schmunzelte Amelie, richtete sich auf und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Nasenspitze.
,,Und auch dieses Mal werde ich kommen, Jona Cedric De Vere Anderson. Darauf ist Verlass."

©Eine Milliarden GründeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt