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Retrospektive:
Anschließend an 10

Ganz sachte, wie ein zärtlicher Windhauch schweiften seine Finger über ihren Kieferknochen und zeichneten sanft ihre Kinnpartie nach, bis sein Daumen schließlich unter ihrer Lippe innehielt und sein Zeigefinger unter ihr Kinn wanderte. Sein Blick, mit einem Mal so geheimnisvoll glimmend und magisch anziehend, glitt wieder zu ihren Augen. Sein Gesicht war ihrem dabei so nah, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührt hätten, wäre einer von ihnen nur kurz etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Er sah sie beinahe scheu, zerbrechlich und verhalten mit einem fragenden Ausdruck in diesen moosgrünen Iriden an. Sein warmer Atem streifte ihre Haut und bereitete ihr eine wohlige Gänsehaut.

Während ihr Körper schon längst wusste, was er wollte, bürdete ihr Kopf ihr tausend Gedanken auf.
Wortlos starrte sie ihn mit leicht geöffneten Lippen an.
Was war das nur?
Vor fünf Tagen hatte sie sich doch auch keine Gedanken gemacht und es einfach getan. Sie war ihm nicht abgeneigt und doch schaffte sie es nicht, ihm das irgendwie zu vermitteln beziehungsweise die letzten Millimeter Abstand zwischen ihnen zu überbrücken, ihm die Sicherheit zu geben, um die er bat.

Silvers CEO schien immer nervöser zu werden, bis er schließlich langsam wieder von ihr zurückwich. Seine Augen wirkten so abwesend, während er seine Lippen fest aufeinander presste und sich mit den Eckzähnen darauf biss. Dann hob er ruckartig den Kopf, sah sie aus stürmischen Augen an und kam ihr erneut näher. Dieses Mal schien er nicht zu zögern. Sie selbst sträubte sich nicht einmal.

Doch da ertönte plötzlich die Titelmelodie von Mission Impossibel und zog das ganze Geschehen zwischen ihnen schon beinahe ins Lächerliche. Sofort rückte Jona Anderson von ihr ab, während sie selbst darum bemüht war nicht dämlich zu grinsen oder wie eine Irre vor ihm zu flüchten.

,,Verzeihung...", murmelte der Milliardär vor ihr sichtlich beschämt und tastete hektisch seinen Körper ab, auf der Suche nach dem störenden Handy, das diese hitzige Spannung zwischen ihnen durchbrochen hatte. Als er sein Smartphone schließlich gefunden hatte, nahm er den Anruf mit genervter und vor allem wütender Miene entgegen.
,,Lucas?!", schnauzte er schon beinahe. ,,Sag bloß, dass etwas Wichtiges ist!" Eine eindeutige Warnung, die durch die auftretende Falte zwischen seinen Augenbrauen deutlich untermalt wurde.

Unauffällig rutschte Amelie ein Stück auf dem Sofa zurück und nahm einen kräftigen Schluck ihres Tees, als könne sie damit die letzten Sekunden einfach vergessen machen.
Wieso war sie gleich noch mal hier? Ach ja, richtig.
Ihr war ein Massenmörder auf den Hals gehetzt worden und ein Milliardär hatte sie gerettet.
Wie kitschig war denn das bitte schön?

Während Silvers CEO vor ihr also ein hitziges Telefonat führte und sich dabei grimmig das Haar raufte, versuchte sie sich durch den gigantischen Anblick der teuren Wohnung ein wenig abzulenken. Es war ihr irgendwie zu viel auf einmal. Erst Grimsoul, jetzt Anderson. Der eine wollte ihr das Leben nehmen, der andere rettete sie und hätte sie beinahe geküsst. Dabei hatte sie ihn doch ausgetrickst, übers Ohr gehauen und verärgert.
Was war das nur zwischen ihnen?

,,Miss Meyland?", durchdrang Andersons melodiöse Stimme ihre Gedanken und sofort galt ihre ganze Aufmerksamkeit ihm. Seine Augen wirkten kühl und abwesend. ,,Wäre es für Sie in Ordnung, wenn ich Sie kurz alleine lasse? Ich müsste nämlich schnell etwas persönlich klären..."
Amelie sah ihn stumm an, nickte dann aber zögernd. ,,Geht klar. Ich möchte Sie ja nicht von der Arbeit abhalten, Mister Anderson."
,,Gut. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Sie müssen nicht gleich wieder gehen und falls doch: In der Kommode unter dem Spiegel beim Eingang, in der obersten, rechten Schublade befindet sich eine Keycard. Geben Sie sie einfach beim Verlassen unten am Empfangstresen ab. Und noch ganz wichtig: Fühlen Sie sich bitte ganz wie Zuhause."

©Eine Milliarden GründeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt