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Retrospektive:

Trübsinnig sah Amelie aus dem kleinen Fenster ihrer Küche. Ihre kalten Hände hatte sie um die schwarze Batman-Tasse gelegt, die sie einst von einem ehemaligen Arbeitskollegen aus früheren Zeiten geliehen und seitdem nicht wieder zurückgegeben hatte. Dampfend stieg ihr der herbe Geruch des heißen Schwarztees in die Nase.
Sie hatte sich in einen dicken Pulli gekuschelt und saß in Jogginghose auf der kleinen Esstischbank.
Nachdem sie lange durch den eisigen Regen gestapft war, auf der Suche nach irgendwelchen neuen Ideen, war sie schließlich genervt und durchnässt, ohne jeglichen Einfall, zurückgekehrt. Kaum zu glauben, dass es wirklich schon Frühling war!
Es fühlte sich wie der kälteste Herbst an!
Und jetzt, wo sie so nach draußen sah:
Nichts geschah. Keine graue Wolke wollte der hellen Sonne weichen.

Es waren bereits eineinhalb Wochen vergangen, als sie den großen, blonden, gutaussehenden Milliardär zuletzt gesehen hatte. Er hatte sich seitdem nicht wieder bei ihr gemeldet und sie nicht bei ihm.
Aber wieso sollte sie auch?
Sie war schließlich die Dame und er wollte ganz offensichtlich etwas von ihr.
Doch wollte sie auch etwas von ihm? Sie hatte zu ihrer Schande ein paar Mal die Kontrolle verloren und ihn zwar schon geküsst, aber hatten dahinter auch wirklich Gefühle gesteckt?
Ihr Bauch hatte wie verrückt gekribbelt und ihr Herz hatte angefangen in seiner Nähe schneller zu schlagen.
Aber könnte zwischen ihnen wirklich mehr entstehen?
Liebe?
Oder würde es nur eine zarte Erinnerung bleiben?

Zähneknirschend raufte sie sich das blonde Haar. Sie sollte aufhören, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Es war nicht erst gestern gewesen, sondern vor eineinhalb Wochen und seitdem hatten sie nicht einmal mehr miteinander gesprochen.
Es war einfach nur ein nettes Abendessen gewesen und dass sie in seinem Bett, in seinen Armen eingeschlafen war, war Zufall gewesen und nicht weiter von Bedeutung.
Genau!
Sie nickte entschlossen.
Es wäre des Beste, sie würde sich nun schleunigst davon ablenken.

Also öffnete sie ihren Laptop und verlor sich in der Welt der Wörter und Buchstaben. Der Chefredakteur der High Sociality hatte sie nämlich gebeten, einen weiteren Artikel über Jona Anderson zu veröffentlichen und da sie erst letztens einen in die Hände gespielt bekommen hatte, hatte sie noch genügend Gesprächsstoff.
Sie würde den Artikel "Jona Andersons Teekanne" nennen. Bei dieser Überschrift konnte sie nicht anders, als frech zu grinsen; denn es gab keine bessere Ablenkung, als jemanden ordentlich durch den Kakao zu ziehen. Außerdem hatte sie noch das reizende Bild von ihm auf ihrem Handy. Vielleicht war es ein Spiel mit dem Feuer, aber dennoch ließ sie sich nicht davon abhalten. Außerdem deckte sie ja kein Verbrechen auf, das den Milliardär dazu veranlassen könnte, sie umzubringen. Es sollte nur eine kleine Stichelei sein, die manche vielleicht auch als süße Rache bezeichnen würden, nachdem er sich nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.
Wieso war sie eigentlich nur so sauer auf ihn?
Es war doch eindeutig gewesen, dass es nur ein Spiel seiner Laune war.
Oder etwa nicht?
Amelie biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Es wäre wirklich das Beste, alles zu vergessen und Efeu darüber wachsen zu lassen.
Jona Anderson kann für sie dort bleiben, wo der Pfeffer wächst!

Es dauerte nicht lange und sie hatte einen leicht satirischen und grandiosen Text über die Vorliebe zum feinen Teeservice des Milliardärs geschrieben. Die Leute würden ihn lieben!
Jetzt musste sie nur noch das Bild hochladen und der Artikel wäre vollendet.
Sie entsperrte also ihr Handy und öffnete gerade ihre Fotogalerie, um das Bild zu finden, als eine Nachricht oben am Bildschirmrand aufleuchtete.
Sofort war ihre Neugier geweckt, denn es gab nicht viele, die ihr eine Nachricht schickten.
Also öffnete sie stattdessen ihren Nachrichtenmessenger.
Eine unbekannte Nummer hatte ihr geschrieben. Sie war verwundert und tippte zugleich die Nachricht an.

Und wie war es?
K.

Amelie runzelte die Stirn.
K.?
Hatte der oder die sie nicht schon einmal angeschrieben?
Unwillkürlich blickte sie zu dem himmelblauen Tuch, dass an ihrem alten Kleiderständer hing.
Damals hatte ihr es jemand einfach so geschenkt, nur weil ihr kalt gewesen war. Das Skurrile daran war außerdem gewesen, dass beides zur ungefähr derselben Zeit gewesen war.
Erst das Tuch, dann die Nachricht.
Sie hatte insgeheim angenommen, dass es einen Zusammenhang zwischen diesem Tuch und K. gab.
Allerdings hatte sie das nicht mehr herausfinden können, weil nach dem seltsamen Text die Nummer nicht mehr existiert hatte und sie somit keinen mehr darüber erreichen hatte können. Sie blickte auf den Display ihres Smartphones und tippte schließlich:

Es war warm. Danke

Kurz darauf folgte eine Antwort:

Das ist schön. Keine Ursache

Dann kam erstmal nichts mehr, aber sie wusste nun zumindest, dass sie das Tuch von dem geheimnisvollen Schreiber dieser Textnachrichten hatte. Woher hätte er sonst wissen sollen, was sie damit meinte?

Wie war das Abendessen?

Amelie runzelte die Stirn.
Woher sollte der Typ wissen, dass sie mit jemanden Abendessen war?
Wurde sie etwa beobachtet?
Was tat sie da eigentlich?
Sie schrieb mit jemanden, der ihr gänzlich unbekannt war.
Sollte sie überhaupt noch darauf antworten?
Doch sie war niemand, der so schnell zurückschreckte.
Dann entschied sie sich schließlich für Folgendes:

Welches Abendessen? Alle Abende mit von Speisen gefüllten Tischen sind schön.

Keine Reaktion. Also schrieb sie dieses Mal selbst eine Frage:

Darf ich fragen, wer Sie sind?

Sie musste nicht lange warten.

Vielleicht weißt du es schon bereits. Doch es wäre für unser beider Wohl, dass wir dieses Rätsel nicht lösen.

Seltsam war es auf jeden Fall, dass er nicht einmal seinen Namen preisgeben wollte.
Außerdem: Wer sollte es nur sein?
Uns woher hatte er ihre Handynummer?
Sie überlegte kurz, ob sie überhaupt noch weiterschreiben sollte oder ihn lieber auf der Stelle blockieren und melden sollten, schließlich Drang der geheimnisvolle Schreiber ganz offensichtlich in ihre Privatsphäre ein. Jedoch konnte sie es einfach nicht sein lassen und erwiderte dann:

Schade. Es hätte mich zumindest gefreut, deinen Namen zu kennen.

Kurz darauf erschien diese Nachricht:

Nenn mich einfach K ;)

Amelie lächelte. Er schien wirklich ein Geheimnis daraus zu machen, aber sie hatte nun mal ein kleines Faible für diese und so konnte sie einfach nicht widerstehen.

Dann also K ;)

Sie wartete noch einige Augenblicke, aber nichts geschah mehr.
Eigentlich hätte sie gar nicht erst damit anfangen dürfen zurückzuschreiben.
Wer weiß, wer dieser K in Wirklichkeit war?

©Eine Milliarden GründeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt