Retrospektive:
Sie hatte sich wieder hierher getraut. Zwar hielt sie sich verdeckt - die große Kapuze ihrer Lederjacke tief in die Stirn gezogen und die offenen Haare wirr in das Gesicht gelegt -, aber dennoch war sie wieder hier.
Leise schlürfend trank sie etwas von dem roten Cocktail, den sie sich vorher bei dem graubärtigen Tresenmann bestellt hatte. Irgendetwas zwischen Erdbeerpüree und Limette befand sich in dem hohen Glas.
Vorsichtig beobachtete sie die Leute um sie herum.
Zwei Männer in Schwarz saßen am Tresen und unterhielten sich angeregt, während ein junger Mann mit auffälligem Undercut im hinteren Eck eine Frau auf dem Schoß in seinen sehnigen Armen hielt und ihren Hals mit wilden Küssen bedeckte. Nicht lange behielt sie ihre Augen bei diesem Anblick und ließ sie weiter durch die abgelegene Kneipe schweifen.Ein paar Männer - groß, dick, klein; alles dabei - saßen um einen runden Tisch versammelt und spielten mit Karten um kleine Geldbeträge.
Obwohl Amelie sie nicht sehen konnte, war sie sich sicher, dass in einem abgetrennten Bereich, irgendwo hinter den alten Betonwänden, ein paar andere Männer saßen und um wesentlich höhere Geldbeträge oder gar andere Dinge spielten.
Dank ihrem erfinderischen Autoren-Kopf konnte sie sich eine Menge Dinge ausmalen, die sie eigentlich gar nicht wahrnehmen konnte. Ob diese nun zutrafen oder nicht, das wusste sie nicht. Doch die Versuchung war nahe, all dies herauszufinden, auch wenn sie dafür ihr Leben in Gefahr brachte.Sie schlug die Beine übereinander, stützte ihren Kopf in die Hand und knabberte ein wenig gedankenverloren auf ihrer Lippe.
,,Wenn Sie weiterhin so dreinschauen, dann werden die Männer dort hinten sicherlich nicht weiterhin so friedlich sein", erklang eine männliche Stimme neben ihr und riss sie unwillkürlich aus ihren Gedanken.
Amelie schreckte auf und wirbelte sofort in die Richtung herum, aus der die Stimme kam.
,,Sachte, sachte", lachte es und da erkannte sie, wer vor ihr stand.
,,Jona!", rief sie perplex und musterte ihn erstaunt von oben bis unten.Er trug eine lederne Fliegerjacke mit Lammfell am Kragen, eine ausgewaschene Jeans, klassische Schnürstiefel und -ganz auffällig- einen roten Schal um den Hals.
,,Hey, Amelie. Ist schon eine ganze Weile her, oder?"
,,Du hier?", sprudelte es aus ihr heraus.
,,Dasselbe könnte ich dich fragen", erwiderte er, zog einen Stuhl hervor und setzte sich ihr gegenüber.
Eine Weile starrte sie ihn einfach nur so vor verblüffter Verwunderung an, bis diese in plötzliche Verlegenheit umschlug.
,,Ja, stimmt...", murmelte sie und senkte den Blick auf ihre Hände. Jona umgriff sie, was Amelie wieder aufblicken ließ.
,,Der Abend war wirklich sehr schön", sagte er und lächelte sanft.
,,Es würde mich freuen, wenn wir ihn nicht nur einmal wiederholen würden."Ihre Wangen färbten sich rot, aber darauf antworten konnte sie nichts. Sie hatte den Abend ja auch wirklich sehr genossen und sie hätte auch nichts dagegen, ihn zu wiederholen; doch irgendwas ließ sie zögern. Ihre Augen schweiften wieder zu ihren Händen, die Jona mit seinen großen, starken und doch unendlich zartfühlenden umschlossen hielt.
Es war nicht viel mehr zwischen ihnen passiert, nachdem sie gemeinsam nebeneinander eingeschlafen waren. Sie hatten noch gemeinsam in Ruhe in seiner Wohnung gefrühstückt, ehe sie sich über die Notausgänge hinausgeschlichen hatten - ihnen war es wichtig gewesen, dass niemand in ihren nächtlichen Besuch zu viel hineininterpretierte - und Jona sie anschließend nach Hause gebracht hatte. Dann hatten sie sich mit einem letzten, verzagten Kuss auf der Türschwelle voneinander verabschiedet und sich seitdem nicht wieder getroffen.Das war vor zwei Wochen gewesen. Wieso?
Nun, das wusste Amelie auch nicht. Vielleicht war sie ja nur eine Art Spielzeug für ihn, das er dann und wann mit seiner Attraktivität, derer er sich sicherlich bewusst war, zu tritzen beliebte.
Oder hätte sie sich etwa bei ihm melden sollen?
Sie sah ihn an.
Seine moosgrünen Augen beruhten auf ihr, sahen sie forschend an.
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©Eine Milliarden Gründe
RomanceJede Nachrichtenagentur rauft sich allein bei seinem Namen schon die Haare; jeder Journalist lässt ergeben die Schultern hängen. Jona Anderson, milliardenschwerer CEO der Firma seines Vaters und ein Gentleman der Extraklasse durch und durch, ist un...