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Lucy's Sicht

Er verließ freundlicher Weise das Zimmer und als die Tür mit einem leisen Klick ins Schloss fiel schrie ich vor Glück auf.
Plötzlich dachte ich an all die prägenden Ereignisse, an die schönen, die schlechten, die von denen ich Narben körperlich trug und welche die sich geistig in mich hinein fraßen. All das hatte ich nur über mich ergehen lassen um diesen Moment erleben zu können.. War es das alles wert gewesen, der Anfang, bis zum brutalen Ende der Zerstückelung meiner Seele?
Und wie es das tat, denn so wusste ich wieder wie sich wahre Freude anfühlt, die niemand mir nehmen würde, wie mit hinterhältigen Sinneswandeln, die anfangen mit romantischen Nächten und enden mit Fäusten und blauen Flecken.
Wenn ich Denis nun sehen würde, dann würde alles gut werden, wir würden uns in den Arm nehmen und vielleicht war das doch nur ein Traum und bei diesem Happyend zu einem wunderbaren Schluss finden. Denis war der einzige Lichtblick, der Grund warum ich meine würde als Mensch aufgebe, mein Herz brechen lasse und mich behandeln lasse wie.. Wie Ware...
Aber auch wenn ich als solch unwichtiges Puzzelteil gezählt werde, meine Bestimmung war es das alles durchzustehen. Denn das Schicksal hatte nicht ohne Grund so ein Leben für mich vorgesehen.. Ich existierte nur um für Denis da zu sein, ihn hier raus zu holen und ihm das Leben zu bieten welches er verdiente.
Die vielen Tränen, weiß Gott warum ich nach all den Monaten immer noch welche in Reserve hatte, liefen über meine glühenden Wangen und ich gab mir selber eine Backpfeife. Lass das bloß kein Traum sein. 
Ich riss die Tür auf, lief, stürmte den Flur entlang und durchwülte die Kleiderschränke, zog mir neue Sachen an, bediente mich an den Kleidung eines der jungen Männer. Ich zog mir die Handschuhe an, zog die Ärmel meines Pullovers darüber. Wofür auch immer ich diese bräuchte, oder diese Maske, die ich in meiner Hand hielt, es war mir ein Rätsel.
Für Denis selbst nahm ich ebenso einen Pullover mit, zog eine mir fremde Jacke an, wollte glücklich weiter, wieder raus, um mir meine Schuhe anzuziehen. Hyunjin's Geruch stieg mir in die Nase, von der Jacke.. Ich blinzelte ein wenig traumatisiert, verspürte ein Schein an Schmerz an meiner Wange und schluckte schwer. Wie angewurzelt stand ich hier, Sekunden vergingen, ehe ich lächelte und damit abschließen wollte. Aber so ein schönes Leben war das hier nicht, nicht mein Leben.
Ich behielt sie an, zog mir meine Schuhe an und fand Hyunjin an der Haustür stehen. Ohne mit mir los zu gehen, problemlos, hielt er mich auf, hob seine Hand nur ganz leicht, was mich sofort zusammen zucken ließ.
Wir blickten uns in die Augen.. Egal wie sehr sich die Beziehung zwischen uns gewandelt hatte, von absoluter Verachtung bis zu der besten Nacht, voller Lust und einseitiger Liebe die er ausnutzt gehatte, das ich nun Abstand einnahm bei einer so einfachen Bewegung. Ich vertraute ihm nicht, denn er war unberechenbar und wandelbar durch seine schnellen Stimmungsschwankungen.
Wieder erkannte ich nichts in seinen Augen, doch irgendetwas änderte sich gerade in seinem Inneren. „Was willst du damit?“, fragte er mich monoton und deutete auf den Pullover, den ich unter meinen Arm geklemmt hatte. „Er ist für Denis, falls ihm kalt ist. Und ich will nicht wissen unter welchen Bedingungen er von euch behandelt wurde...“, ich sah ihn verzweifelt an. Verstand dieser Mann denn nicht das mein Bruder mir alles bedeutete und ich keine weitere Sekunden warten wollte um ihn endlich in meine Arme zu schließen?
„Hör auf Lucy. Lass den Pullover hier.“, wurde er auch so wie Dreck behandelt, oder gönnte er meinem Bruder nicht einmal ein wenig Fürsorge? Ich schüttelte stur meinen Kopf, drückte das Stück Stoff an mich, beschützte es, wie als wäre es mein Bruder selber.
Seine Hand ballte sich zu einer Faust und er starrte mich grimmig an, öffnete dann die Tür mit dem Fingerabdruck und einem Zahlencode. Mit geschärften Augen blickte ich auf die vier verschiedenen Zahlen, wurde dann mitgezogen.
„Wo fahren wir hin das ich eine solche Gasmaske brauche?“, fragte ich verwundert und wollte zu den Autos laufen, doch Hyunjin machte keinen Bogen hinter das Haus, zum Schuppen, sondern seine Schritte wanderten strickt nach vorne, zum... Lager...
„Du wolltest mir meinen Bruder zeigen! Wo gehst du hin?!“, ich packte ihn an seinem Handgelenk und bekam einen Blick mit ermüdeten Augen, herablassend und auf mich runter blickend. „Ich bringe dich auch zu deinem Bruder Lucy. Halt die Klappe und folge mir.“, das konnte nicht sein, es durfte nicht wahr sein. Denis war in diesem dreckigen, kalten Lager und dazu noch die ganze Zeit unmittelbar in meiner Nähe gewesen...?
Wie konnte ich das nicht merken? Wieso gab es kein Zeichen, gab es welche, wo, wie offensichtlich? Konnte ich so blind sein?!
Traumatisiert und in Gedanken zog Hyunjin mich mit sich, immer weiter in die Nähe meines Bruders. Unkontrolliert schlug mein Herz ganz hoch in meiner Brust und ich kam zu mir als wir die Treppen hinab stiegen. Ich drückte mein zitternden Körper an den Pullover, würde mich am liebsten los reißen und durch die Zimmer stürmen, bis ich ihn fand und er nach über einem halben Jahr wieder meine Rolle als Schwester einnehmen. Denis, ich bin gleich da...
Es passte mir nicht das Hyunjin auf einmal einen auf die Ruhe selbst tat. Konnte er nicht verstehen das ich so sehnsüchtig auf diesen Moment gewartet hatte und das ich mit jeder Sekunde mehr aus Verzweiflung weinen würde, die Tränen kullerten bereits.
„Ich lass dir den Vortritt nach unten.“, sagte er und hielt mir die Tür mit der Wendeltreppe in die unten sich befindene Etage. Ich schniefte, wischte, die sich nicht zu bremsen bekommenden Tränen weg und stolperte sachte, über meine halb tauben Füße. Gleich Denis, gleich gibt es nur dich und mich und das für immer.
Das Licht ging an und erblickte einen mir nicht sehr bekannten gemachten Ort, doch zwei Räume, einmal der Raum wo Hyunjin fast das Licht gesehen hätte und einmal.. Meine Neugier hatte mich nicht getäuscht. Er musste da sein, hinter den verschlossenen, Sicht geschützten Gittern des Zimmers wo ich Hyunjin seine Spritze geholt hatte...
Ich riss die Tür auf, wollte sofort weiter, über den Sicht Schutz hinüber blicken, Denis sehen, sehen das er lebte, mit ihm leben. Als ich dann plötzlich zurück gezogen wurde schrie ich panisch auf und zitterte. Meine Emotionen zurück zu halten war ein Kampf den ich nicht gewinnen würde, also versuchte ich es auch gar nicht erst.
„Hyunjin! Nein.. Nein tue mir das nicht an. Nicht jetzt! Ich brauch ihn, jetzt... “, weinte ich und wollte mich los reißen, schlug ihn und zerrte an seinen Kleidern.
„Die Maske, setze sie auf.“, wofür diese Maske?! Ich ließ mich nicht länger von ihm aufhalten, setzte die Maske auf und stürmte in die dunkle Zelle.
Meine Augen erblickten das Licht in der Dunkelheit, die Hoffnung in schlechten Zeit. Ich blickte in seine blauen Augen und erblickte dort darin die Wahrheit meines Willens. Mein Atmen wurde durch die Gasmaske gefiltert und ich hörte jeden schnellen und erleichterten Atemzug.
„Denis..“, hauchte ich, jede Maske, harte Schale die ich zum Schutz mir aufgerichtet hatte brach, mein schwerer Kern, nicht durchbrechbar, brach und mir wurde ganz warm ums Herz.
Es wurde umarmt von seiner Präsenz. Ich fühlte mich für einen Moment wie ein ganz normales Mädchen, wie eine Schwester, vergaß die Morde, die Schmerzen und es kam das funkeln in meine Augen zurück.
Ich lief an ihn ran, er war an die Wand gelehnt, atmete flach und lächelte mit halb offenen Augen. Meine Knie kamen unsanft auf dem Boden auf als ich auf diese fiel und ihn in den Arm nahm.
Den Pullover legte ich neben ihm ab, neben dem was von ihm geblieben ist, denn so dünn das ich seine Wirbelsäule und seine Rippen spürte, das war nicht gesund.
„Lucy.. “, hauchte er mit leiser, trockener Stimme. Wut durchströmte meinen Körper als ich realisierte wie schlecht es ihn ging.
Sie hatten kein Mitgefühl, keine Mühe sich gegeben ihn gut zu behandeln, ihn am Leben zu lassen. Tränen über Tränen, prickelnd und leicht brennend spürbar auf meiner Haut flossen so schnell, dass sie sogar schon auf meinem Hals waren.
Nach einer mir noch viel zu kurzen Zeit löschte ich mich und zog ihm den Pullover an. „Ich bin jetzt da Denis. Jetzt wird alles gut, okay? Ich verspreche es dir..
Gott es tut mir so schrecklich leid.“, hauchte ich und schluchzte, hatte meine Hand an seine Wange gelegt.
Ich erhob mich, drehte mich um und es dauerte ehe ich Hyunjin klar und deutlich, trotz das meine Tränen ankämpften, erkannte. „Sein Zustand.. Das ist alles eure Schuld. Ich wusste das, vor allem du, herzlos bist. Aber ihr seid genau so Menschen wie Denis es ist, also behandelt ihn auch so! Hol Wasser und essen, decken und frische Kleidung, Hyunjin.. M-mach schon!“, schrie ich ihn an, was er für den Moment über sich ergehen ließ, bis er meine Hand nahm und vielleicht mir schon einmal etwas gab, auch wenn es ein Schlüssel wäre, damit ich all meinen Forderungen selber nachgehen konnte, aber Hyunjin überschritt jedes Maß und übertraf sich mal wieder selbst.
Ich spürte das kalte Material des Griffstücks einer mir bekannten Waffe. Die Raue erkannte ich überall, die Halt in meiner Hand gewährleistete und ich mehr Menschen den Tod schenkten, als ich überhaupt kannte. Meine Glock 17, mit welcher ich Nächte und Tage, Stunden über Minuten geübt hatte, ich unter Kontrolle von Mördern selber eine Waffe wurde, doch.. Wozu? Um so zu enden, alles Revue passieren zu lassen, damit ich in solch einer Situation so eine Hilfe bekam um meinem Bruder das Leben zu schenken?
Über ein Dutzend Magazine hatte ich abgeschossen und jede dieser Kugeln war getränkt mit Blut.
Jetzt wo ich Denis hatte würde ich keinen Tropfen Blut fremder Menschen vergießen wollen. Ich war ein Monster, verloren unter Monstern, doch jeder hatte diesen Engel, den Schutzengel und meiner saß hustend vor meinen Füßen, wirkte schwach und sein Licht, die Zeit über mich zu wachen, schien erloschen zu sein. Ich sah zwischen die dunklen Augen meines Herzensbrecher hin und her, verstand nicht wo er sein Mensch sein verloren hatten, denn so handelte kein Lebewesen mit Seele, Verstand und einem Herzen.
„Wozu gibst du mir diese Waffe?“, hob ich meine Stimme und blickte auf diese runter, war um ein Vielfaches geschockter als ich sie sah und meine Vermutung stimmte.
Er schwieg, bis sein standhafter Blick zu Bruch ging und er sich selbst verriet.. Warum hatte er gerade zu Denis gesehen? Wieso brachte er diese Waffe und meinen Bruder in Verbindung?! Lucy denk nach, warum tat dieser Mörder das?!
Er und alle von ihnen hatten Denis nur benutzt, sich nicht um ihn gekümmert, damit ich sie reich machte und jetzt wo sie alles hatten was sie wollten, Geld, Berühmtheit in der dunklen Szene, eine Sexpupe für ihre Zwecke und mein Vertrauen, warfen sie alles weg, wie Dreck, Müll, den sie als unbrauchbar sahen.
„Bring ihn um Lucy. Du bist eine von uns, ein Mitglied unserer Welt.. Und Denis..
Er war nicht stark genug dafür, also erklärt sich sein Schicksal von selbst.“, er versuchte stark zu wirken, doch diesmal spielte seine sonst so mächtige Aura nicht mit und ich erkannte wie sehr mein Bruder ihm ans Herz gewachsen war. Es tat ihm leid das er solch welche sagen musste, wollte, sollte?
„Du verdammtes Monster willst das ich einen 14 jährigen Jungen umbringe, weil er nicht stark genug für diese Welt ist?!
Dieser Junge ist mein Bruder und ich soll diese Waffe auf ihn richten, ihn umbringen, weil ich eine von euch widerlichen Gestalten bin?!“, ich raufte meine Haare, atmete schwer und warf die Waffe mit einem lauten Schrei weg.
Ich sah mit Hass erfüllten Blick zu Hyunjin, ballte meine Hände zu Fäusten und fing an, all die Last, die vielen Fragen, endlich die Antworten zu geben, die ich nun wusste, die mir so eben offenbart wurden.
Es brachte nichts, nie, gefragt zu haben, denn jede Antwort musste ich mir in den Litern Blut selber suchen.
„Dieses ganze halbe Jahr, voller Brutalität, Tod, Sex und Vertrauen war also eine lächerliche Lüge. Habt ihr erwartet das ich euch so sehr zu Füßen liege, das ich die Person umbringe die mich am Leben hält?!
Hast du ihn dir mal angesehen, mit ihn geredet, Gespräche geführt die man als pubertierender Teenager hinter sich haben muss? Er ist so jung, hatte noch nie sein ersten Kuss, sein erstes Mal, hat sich noch nie verliebt, war noch nie betrunken, hat noch nicht erfahren was Leben ist, warum sollte er sterben und nicht ich?!
Warum er und nicht du Hwang Hyunjin?!“, schrie ich ihn an und wollte ihm eine klatschen, hätte ich mit meinen kleinen Fäusten auf sein Gesicht, auf seinen ganzen Körper eingedroschen und geweint, weil ich doch mehr Gefühle von ihm erwartet hätte.
Ich wollte die Maske runter ziehen, die seine, was sollte passieren? Würde er in Sekunden an der Pest sterben?
Ich sah aus dem Augenwinkel in Denis Gesicht, erblickte mit schockierende Augen das Blut an seinem Mund.
Was hatten sie mit ihm gemacht...?
„Was habt ihr mit ihm gemacht?! Ihr Mistkerle! “, schrie ich und wollte auf Hyunjin los.
„Er... Er stirbt, in diesem Moment! Lucy...
Erschieße ihn bevor er weiter unter diese Schmerzen leiden muss, die ihn von innen auffressen! Tue es! Hörst du! Töte ihn! “, schrie er mich an und wie als hätte eine letzte Hoffnung gesprochen.
„Danke Lucy...“, hörte ich meinen Engel sagen und schon erlosch die Hoffnung und Hyunjins großer Schatten legte sich über uns. Mein Schrei war ohne jegliche Laute für mich, alles war stum, in Zeitlupe und es war die Zeit gekommen aus diesem Albtraum aufzuwachen.
Denis- Der Schuss fiel, direkt ins Ziel, das Herz meines Bruders. Ich schrie auf, laut und Glas klar. Ich warf die Maske weg, zog die Handschuhe aus und kroch auf dem dreckigen Boden zu ihm. „Nein.. Denis, mein Engel.. Alles wird gut.. Mach die Augen auf und zeig mir dein Lächeln.“, hauchte ich und hatte sein Körper auf meinen Schoß gezogen.
Sein warmer Körper hing in meinen Armen, an meinem zitternden Körper und auf sein blutiges Gesicht fielen meine Tränen. Doch das war kein Disney Film in welchem diese magische Fähigkeiten hatten um jemanden das Leben zu schenken.
„Er ist tot Lucy.. Er ist tot und du bist Feige!
Er selbst hat es getan wozu du und ich nicht in der Lage waren! Er war die grässlichen Schmerzen satt und hat sich sein Leben genommen! Er war krank, nicht mehr zu retten. Der Tod hat ihn mit offenen Armen empfangen!“, er hielt inne als ich weiter mit der Leiche meines Bruders sprach, hoffnungsvoll lächelte und ihm alte Geschichten erzählte.
„Er wird nicht mehr wach egal was du tust, sagst oder wie lange du ihn in deinen Armen halten wirst, hörst du?!
Es bringt nichts...“, seine Stimme brach und ich biss mir auf meine bebende Unterlippe, ließ mein Kopf sinken, legte meine Stirn auf die meines Bruders.
Ich hörte die stampfenden Schritte von Hyunjin, wie er vor hatte mich von ihm zu ziehen. Denis.. Er hatte den Pullover angezogen...
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich schlug sie weg, schrie auf und weinte laut. „Hast du wirklich kein Herz? Ich würde dir gerne das meines Bruders geben, denn es war groß genug für zwei, doch er hat sich dort hin erschossen, ohne zu zögern und du... Du hast keine Ahnung wie es sich anfühlt alles zu verlieren!“, hauchte ich winselnd und sein Gesicht versteinerte sich, bis all die Emotionen aus ihm raus platzten und es war kein Trost, den ich gut hätte gebrauchen können...

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2 Jahre und 10 Monate...

So lange habe ich auch diesen Moment gewartet und es hat mich so viel Zeit gekostet es in Worte zu bringen. Ich komme dem Ziel näher, auf das alle warten.
Hoffentlich gefällt es euch allen <3

ʳᵉᵈ ˡᵃᵈʸ | •ˢᵗʳᵃʸᵏⁱᵈˢ•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt