* Kapitel 27 *

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Sehr zu Sophias Leidwesen, war Enrico entkommen und das bedeutete für sie, dass sie im Haus eingesperrt war. Eigentlich kein großes Problem, da das Wetter in den nächsten Tagen weiterhin schlecht blieb, aber sie konnte keinen Schritt alleine tun. Alle bewachten sie mit Argusaugen und nur in ihrem Gemach fühlte sie sich unbeobachtet, weshalb sie die meiste Zeit auch dort verbrachte. Vielleicht lag es an dieser Trostlosigkeit, dass ihre Sehnsüchte nach Cole immer stärker wurden. Sie verbrachte viele Momente damit, am Fenster zu stehen und zu hoffen, in der Ferne auf See die schwarze Lady zu erblicken. Vergeblich. Selbst als eine Woche vergangen war, kehrte Cole nicht zurück und ihre Sorgen wurden dadurch immer größer. Nicht zu wissen, ob es ihm gut ginge, machte sie schier wahnsinnig!
Die anderen blieben gelassen, versicherten ihr, dass es Cole gut ginge und die Sache wohl nur etwas länger dauerte als geplant. Doch als auch die zweite Woche verging, wurden auch die anderen unruhig. Während dieser ungewissen Zeit des Wartens, begann Sophia langsam zu begreifen, dass das, was sie für Cole fühlte, wohl die Liebe war und obwohl sie sich dagegen zu sträuben versuchte, schwor sie, es zu akzeptieren, wenn er wohlbehalten zu ihr zurückkehren würde. Sie wollte einfach nur, dass er lebte.
Als sie am frühen Morgen, fast zum Ende der dritten Woche aus ihrem Schlaf erwachte, war ihr zum Heulen zumute. Sie erkannte sich selbst nicht mehr wieder, die Abwesenheit von Cole nagte schwer an ihr und war nicht mehr länger zu ertragen. Lustlos begann sie sich für den Tag anzukleiden und verließ dann das Gemach. Sie konnte hören, dass es im Haus wild herging und als sie die Treppe erreichte, sah sie, dass alle in wilder Hektik verfallen waren.
"Was ist denn los?", rief sie einer Bediensteten hinterher, die an ihr vorbei eilte.
"Die schwarze Lady hat vor circa einer Stunde am Hafen angelegt", rief sie ihr zu und diese Worte machten Sophia so glücklich, dass ihr ein Jubelschrei entfloh. Mit wild schlagendem Herzen rannte sie die Treppe hinab und stürmte aus dem Haus, um nach Cole ausschau zu halten. Doch er war nicht zu sehen und sie ignorierte Sebastian, der ihr gefolgt war und sie dazu ermahnte wieder in das sichere Haus zu gehen. Doch sie weigerte sich und Schließlich gab er Zähneknirschend nach und wartete, mit ihr zusammen. Die Minuten zogen dahin und ohne dass Sophia es bemerkte, waren sie zu einer halben Stunde geworden. Am liebsten wäre sie in jene Richtung gelaufen, von der sie wusste, dass diese sie zur Stadt führen würde. Doch durch das Wissen, dass Sebastian ihr dies nicht erlauben würde, versuchte sie es erst gar nicht.
Dann endlich waren mehrere Reiter zu erblicken und das kleine Herz von Sophia schlug beinahe über vor Freude als sie Cole unter ihnen entdeckte. Sein Anblick ließ sie alles vergessen und so schnell wie ihre Beine es erlaubten, rannte sie ihm entgegen. Als Cole sie erblickte, hielt er das Pferd an, was dazu führte, dass auch alle anderen, die ihn begleiteten, innehielten. Rasch schwang er sich aus dem Sattel und kam ihr entgegen. Sophia sah, wie er seinen Mund öffnete, um ihr etwas zu sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
Äußerst schwungvoll warf sie sich gegen ihn, schlang ihre Arme um seinen Hals und presste ihre Lippen auf die seinen. Es war als wäre sie einem Rausch verfallen und nun wo sie ihn fühlte und schmeckte, wollte sie nicht mehr von ihm lassen. Cole war völlig überrumpelt, solch eine Begrüßung hatte er nicht erwartet und ihr Ansturm hätte ihn beinahe von den Füßen gerissen. Jenen, die von diesem Moment zeuge wurden, fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Doch dann begann Sophia allmählich zu dämmern, was sie da gerade tat und mit hochrotem Kopf löste sie sich von Cole.
"Ich war wohl nicht Herr meiner selbst, schön das du wieder da bist", sagte sie mit zittriger Stimmer und begegnete seinem äußerst verwirrten Blick. Offensichtlich schien er sich noch nicht ganz sicher zu sein, ob sie das gerade wirklich getan hatte. Nun wurde Sophia sehr nervös und verlegen bemerkte sie die Blicke seiner Begleiter. Das war ihr nun doch alles etwas zu viel und sie wollte rasch herum wirbelnd die Flucht ergreifen. Doch just in dem Moment überwand Cole seine Starre. Er ergriff ihr Handgelenk und zog sie schwungvoll wieder zu sich zurück. Seine starken Arme legten sich um sie und hinderten sie daran zu fliehen.
"Ich sollte wohl öfters auf Reisen gehen, wenn ich so begrüßt werde", sagte er und ein sehr breites Lächeln schmückte nun seine Lippen. Sophia senkte verlegen ihr Haupt und wusste nicht, wie sie sich ihm erklären sollte. Ein Schaudern durchfuhr ihren ganzen Körper als er ihre Haare beiseite strich und sich sein Kopf ihrem Hals näherte. Sein Atem streifte die dortige Haut und bescherte ihr eine wohlige Gänsehaut.
"Ich habe dich auch vermisst", flüsterte er und sie spürte, wie ihre Knie immer weicher zu werden schienen. Es war, als würde sie in seinen Armen dahinschmelzen. Es war alles vergebens, sie wusste, dass sie ihren Gefühlen für ihn nicht entkommen konnte. Sie beschloss alles zu riskieren, egal welches Ende es nehmen würde.
"Lass es uns versuchen", sagte sie und wagte es nicht ihn anzusehen.
"Was genau denn?", fragte er und sie glaubte, zu spüren, wie er den Atem anhielt, während er auf ihre Antwort wartete.
"Das mit uns beiden", flüsterte sie und glaubte, ihr Herz würde zerspringen und ihm schien es wohl ebenso zu ergehen, den unter ihren Händen, die auf seiner Brust lagen, spürte sie deutlich seinen schneller werdenden Herzschlag.
"Das wurde aber auch mal Zeit", konnte man jemanden rufen hören, doch Sophia sah sich nicht nach ihm um, sie blickte hochrot zu Boden und wartete auf Coles Antwort. Was, wenn er sie nun ablehnte? Was, wenn sie sich geirrt hatte und sie sein Verhalten ihr gegenüber doch missverstanden hatte? Was, wenn sie nur eine von vielen wäre? Bevor ihre Gedanken weiter diesen Weg beschreiten konnten, ergriff Cole ihr Kinn und hob ihren Kopf an. Nun hatte sie keine andere Wahl als ihn anzusehen und sie war sich sicher, dass ihr noch nie zuvor jemand solch einen zärtlichen Blick geschenkt hatte. Sie verlor sich völlig darin und es nahm ihr alle Ängste und Sorgen. Wenn er es zuließ, wollte sie versuchen, mit ihm glücklich zu werden. Allein dieser Blick war es wert.
"Ich habe gehofft, dass du dies eines Tages sagen würdest", flüsterte er und im nächsten Moment küsste er sie. Dieser Kuss war mit keinem anderen zuvor zu vergleichen. Wie ausgehungert plünderte er ihren Mund und Sophia gab sich seinem Ansturm hin. Um sie herum wurde wild geklatscht und Glückwünsche ausgerufen, aber das nahm Sophia nicht wirklich wahr. All ihre Sinne waren bei Cole und es erschien ihr alles wie ein schöner Traum zu sein. Doch sie wusste, es passierte wirklich und die Glücksgefühle, die in ihr tobten, waren kaum in Worte zu fassen. Beinahe war sie sogar enttäuscht als sich Cole von ihr löste, was er aber leider tun musste, weil beide eifrig nach Atem ringen mussten. Rasch gab Cole seinen grinsenden Begleitern einen Handwink, sodass diese weiterritten. Sophia sah ihnen nach und sie wurde etwas nervös als sie mit Cole allein war. Waren die beiden jetzt wirklich ein Paar? So nervös war sie noch nie gewesen. Cole schien dies zu erkennen, ihr scheuer Blick sprach Bände. Lächelnd gab er ihr etwas Freiraum und nahm ihre Hand in die seine.
"Das wirst du nicht bereuen", sagte er und führte sie zu Fuß zum Haus zurück. Sophia atmete tief ein und aus und beschloss, dass sie den Dingen einfach ihren Lauf lassen und sie selbst sein würde.
"Du hattest gesagt, du wärst nur eine Woche weg", konnte sie nicht umhin ihm vorzuwerfen.
"Du hast mir gerade gesagt, dass du es mit mir versuchen möchtest und im nächsten Atemzug machst du mir schon Vorwürfe?", fragte er sichtlich belustigt.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", rechtfertigte sie sich.
"Tut mir Leid, das Ganze hat etwas länger gedauert als gedacht", meinte er.
"Ja, beinahe drei Wochen".
"Das hat sich gelohnt, du hast mich offensichtlich so sehr vermisst, dass dir klar wurde, wie sehr du mich willst", sagte er grinsend. Sophia errötete.
"Du machst mich wahnsinnig", flüsterte sie kaum hörbar, doch sein amüsierter Seitenblick verriet, dass er sie gehört hatte. Als sie das Haus erreichten, begegnete Sophia einem breiten Grinsen von Sebastian. Er strahlte über das ganze Gesicht. Auch Isabelle und Ben waren inzwischen anwesend und erstere zwinkerte Sophia nun fröhlich zu.
"Glückwunsch Boss, aber dürfte ich fragen, warum eure Rückkehr so lange gedauert und ob ihr Erfolg hattet?", meinte Ben.
"Das erkläre ich am besten bei einem ausgiebigen Essen", schlug Cole vor und Sophia bemerkte, wie er seinen Blick prüfend schweifen ließ und sich seine Stirn kräuselte als er erkannte, dass überall Wachposten standen.
"Ist irgendetwas vorgefallen?", fragte er und blickte zu Ben.
"Ähm, nun ja, das erkläre ich wohl auch lieber erst beim Essen", meinte dieser und Sophia wünschte er würde es nicht tun. Dass Cole wütend werden würde, stand außer Frage. Sie sah, wie sich der Blick von Cole etwas verfinsterte, weil er anhand dieser Aussage genau wusste, dass tatsächlich etwas vorgefallen war. Doch er stellte keine Fragen und führte Sophia stattdessen in das Haus, wobei die anderen ihm folgten. Maria kam sofort herbei und begrüßte ihren Herrn freudig. Auch die anderen, die noch immer in wilder Hektik waren, nickten ihrem Herrn grüßend zu. Nachdem er Maria gebeten hatte, sich um ein ausgiebiges Mahl zu kümmern, zog er Sophia näher zu sich heran und sie errötete als er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte.
"Ich würde nur zu gerne mit dir alleine sein, aber ich habe vor dem Essen noch was zu erledigen", flüsterte er ihr zu, lächelte und lief dann raschen Schrittes davon. Ben und Sebastian folgten ihm, sodass Sophia sich nun alleine mit Isabelle vorfand. Mit glühenden Wangen sah sie zu ihrer Freundin und konnte noch immer nicht ganz glauben, dass sie nun mit Cole zusammen war. Ihre Freude, ihn wiederzusehen, hatte sie Dinge tun und sagen lassen, die sie sich sonst nie getraut hätte. Sie konnte nur hoffen, dass das ganze gut ging und sie es nicht bereute. Rasch schüttelte sie ihren Kopf und verweigerte sich solchen Gedanken.
Ich denke, das war die richtige Entscheidung.
Schrieb Isabelle in ihr Buch.
"Das wird die Zeit uns zeigen", antwortete Sophia und gemeinsam mit Isabelle begab sie sich in ihr Gemach, da sie das dringende Bedürfnis hatte, sich etwas zu erfrischen. Das Ganze war so aufregend gewesen, dass sie sich schwitzig fühlte. Doch selbst danach war sie noch sehr nervös und zittrig. Isabelle bemerkte das und amüsierte sich prächtig.
"Lache mich gefälligst nicht aus. Ich war noch nie in einer Beziehung und bin ziemlich Nervös", schimpfte Sophia.
Sei einfach du selbst, das ist es, was er liebt.
Schrieb Isabelle, aber Sophia winkte nur ab und kniff sich mehrmals in ihren Unterarm. War sie vielleicht am Träumen? Nein, diese Realität blieb. Nervös kaute sie auf ihrer Lippe herum, während sie mit Isabelle wieder nach unten ging und das Esszimmer aufsuchte. Das Essen war noch nicht bereit, aber sie ließen sich dennoch am Tisch nieder und warteten auf die anderen. Beide fragten sich immer wieder, ob es Cole wohl gelungen war, Jayden zu erwischen. Als Cole zusammen mit Ben knapp eine halbe Stunde später zu ihnen kam, war auch das Essen fertig und bereits gedeckt. Sophia konnte ihr Herz einfach nicht beruhigen als sich Cole neben sie setzte und ihr ein zauberhaftes Lächeln schenkte. Auf das Essen selbst konnte sie sich kaum konzentrieren. Doch dann horchte sie neugierig auf als Cole von seiner Reise erzählte und berichtete, dass er Jayden tatsächlich geschnappt hatte.
"Er befindet sich gerade gefesselt und gut bewacht auf dem Schiff, doch ich werde so schnell wie möglich dafür sorgen, dass er woanders untergebracht wird", sagte er und Ben nickte.
"Wäre besser, wir wissen nicht wie viele hier auf seiner Seite sind. Man könnte versuchen, ihn zu befreien", meinte Ben.
"Nochmal entwischt er mir nicht, koste es was es wolle", grummelte Cole und erzählte ihnen, dass er Jayden mehrere Tage lang verfolgt hatte, ehe es ihm gelungen war, den Halunken in eine Falle zu locken.
"Geredet hat er bisher nicht, war nicht anders zu erwarten. Doch er wird reden, früher oder später", meinte Cole und blickte dann ernst zu Ben.
"Sagst du mir nun, warum die Bewachung des Hauses während meiner Abwesenheit so drastisch erhöht worden ist?", fragte er und Sophia verschluckte sich an ihrem Essen. Ohne sie anzusehen, klopfte Cole ihr mehrmals auf den Rücken, bis sie wieder richtig atmen konnte.
"Verschieben wir das doch lieber auf später", schlug Ben vor, der die gute Stimmung nicht zerstören wollte, in dem er Cole in Zorn ausbrechen ließ. Doch Cole duldete keinen Aufschub und sein Blick auf Ben war so bohrend, dass dieser sich beinahe krümmte.
"Das wird dir nicht gefallen", meinte Ben.
"Sprich einfach", verlangte Cole und Ben schielte kurz zu Sophia, was Cole bemerkte.
"Hat es etwa was mit ihr zu tun?", fragte Cole und in seinen Augen loderte ein boshafter Funke und Sophia sah, wie kräftig er mit seinem Kiefer mahlte. Ohne zu wissen, was geschehen war, brodelte bereits die Wut in ihm.
"Was ist passiert, sag es, wenn es mit ihr zu tun hat, werde ich es sowieso von Reiner erfahren", meinte Cole und Ben gab nach. Er berichtete von Enrico und als Cole hörte, dass dieser Sophia gedroht hatte, ihr die Kehle aufzuschlitzen, schlug er mit beiden Fäusten so heftig auf den Tisch, dass das gesamte Geschirr lauthals klirrte. Sophia erstarrte vor Schreck und das Besteck fiel ihr aus den Händen. Isabelle wurde Kreidebleich. Mit einem Knurren, das Sophia so noch nie zuvor aus dem Munde eines Menschen vernommen hatte, erhob sich Cole. So schwungvoll, dass sein Stuhl nach hinten wegkippte. Ohne irgendein Wort von sich zu geben, stampfte er davon und als er das Esszimmer verließ, schlug er wuchtig die Tür hinter sich zu. Eine Weile herrschte unter den Zurückgebliebenen ein eisiges Schweigen und sie zuckten zusammen als im Haus weitere Türen knallten. Ben seufzte schließlich schwer.
"Nun ja, war nicht so schlimm wie gedacht", meinte er dann und Sophia sah ihn entgeistert an. Sie hoffte innerlich, dass sie Cole niemals einen Grund geben würde, einmal genauso wütend auf sie zu sein.


Des Piraten liebster SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt