Isabelle hatte schwer zu kämpfen. Die Geburt zog sich in die Länge. Aus Minuten wurden Stunden. Doch die beiden älteren Frauen, die schon bei vielen Geburten geholfen hatten und Isabelle halfen, blieben ruhig, was sich auch auf Sophia übertrug. Leider aber nicht auf Ben, er stand ständig im Weg herum und war ein nervliches Frack. Er konnte es kaum ertragen, seine Liebste leiden zu sehen. Einmal wurde er von den beiden Helferinnen des Zimmers verwiesen, doch er machte deutlich, dass er eher sterben würde als zu gehen. Während sich Sophia mühte, für ihre Freundin und auch für Ben da zu sein, waren ihre Gedanken die meiste Zeit über bei ihrem Bruder.
Würde er noch immer da sein, wenn sie das Gemach verließ? Wie konnte er noch am Leben sein? Wo war er die ganze Zeit gewesen? Weshalb war er in solch einem schlimmen Zustand? Woher hatte Cole gewusst, wo er ihn finden konnte? Es gab so furchtbar viele Fragen. Dann endlich, der Abend war nicht mehr fern, erblickte ein kleiner Junge das Licht der Welt. Sein Schrei echote durch das große Haus und Ben kamen die Tränen. Er zitterte wie Espenlaub, als sein Sohn in ein weiches Tuch gewickelt und ihm in die Arme gelegt wurde. Selbst Sophia war gerührt und von dem neuen Leben überwältigt. Sie schniefte und konnte sich an dem kleinen Mann kaum sattsehen. Nachdem die beiden Helferinnen sich um Isabelle gekümmert hatten, legte Ben ihr ihren Sohn auf den Bauch. Der Schmerz und die Anstrengungen schien Isabelle sofort zu vergessen, als sie ihr Kind betrachtete. Glücklich lächelte sie Ben an, der ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte und über das ganze Gesicht strahlte.
"Herzlichen Glückwunsch ihr beiden", meinte Sophia und wünschte sich, sie hätte diesen Anblick auf ein Porträt bannen können. Nachdem die Helferinnen ihnen etwas Zeit gelassen hatten, halfen sie Isabelle das Kind an die Brust zu legen. Doch so recht wollte der kleine Junge noch nicht und kreischte munter weiter. Doch schließlich schaltete sich sein Instinkt ein und er begann begierig die erste Muttermilch zu trinken. Nachdem sich Sophia sicher war, dass es ihnen gut ging, verließ sie das Gemach. Sogleich begegnete sie vielen neugierigen Blicken. Der Flur war zum Bersten gefüllt. Alle standen abwartend herum.
"Es ist ein Junge", sagte sie und es wurde laut gejubelt. Sophia freute sich mit ihnen, sah sich dann aber nach Cole und ihren Bruder um. Ersteren entdeckte sie etwas abseits und eilte sofort zu ihm. Sie versicherte ihm, dass die Geburt gut verlaufen war und er lachte, als sie erzählte, dass Ben geweint hatte.
"Wo ist mein Bruder?", fragte sie.
"Er genießt gerade eine Rasur und ein Bad", erklärte er.
"Das hat er wohl auch bitter nötig", nuschelte sie und Cole sah ihr an, dass sie viele Fragen hatte. Lächelnd nahm er sie an die Hand und führte sie in ihr Gemach. Dort setze er sich mit ihr auf dem Bett nieder.
"Du willst sicherlich eine Erklärung haben", meinte er und sie nickte.
"Während eines Gesprächs mit Adrian, kamen wir zufällig auf deinen Bruder zu sprechen. Adrian erzählte mir, dass viele Soldaten des damaligen Krieges gefangen genommen und dazu verdammt worden sind, dem feindlichen König zu dienen. Du hast mir erzählt, dein Bruder wäre gefallen, doch dass es nie bestätigt werden konnte. Ich wusste, die Chancen sind gering, dass er einer der Gefangenen sein könnte und dennoch wollte ich es überprüfen. Ich fand, wie du nun weißt, deinen Bruder und konnte ihn Freikaufen", erklärte Cole und Sophia schluckte schwer. Das hieß, er hatte all die Zeit als Sklave sein dasein gefristet? Kein Wunder, dass er so furchtbar aussah. Sie konnte es kaum erwarten, mit ihm zu reden. Doch fürs Erste sollte er sich Zeit nehmen und den Luxus eines warmen Bades genießen. Seufzend schmiegte sie sich an Cole heran und dankte ihm, dass er ihren Bruder gefunden hatte.
"Auch ich habe dir etwas zu sagen", meinte sie dann und erzählte ihm von dem Schatz. Cole sah sie an, als wäre sie zu einem Geist mutiert. Dass er Überrascht war, war deutlich. Dennoch reagierte er anders als die anderen. Der Schatz erfüllte ihn nicht mit Begeisterung und er schien ihn genauso belastend zu finden, wie sie es tat. Froh war sie darüber und sie fragte ihn, was er nun mit dem Schatz seines Vaters zu tun gedachte. Cole wusste darauf jedoch noch keine Antwort. Sie beschlossen, es fürs Erste weiterhin Geheim zu halten, bis sie eine Lösung fanden.
DU LIEST GERADE
Des Piraten liebster Schatz
RomansaSophia arbeitet erst seit kurzem im Hause der Cortens als Dienstmagd und begreift viel zu spät, dass das adelige Ehepaar finstere Geheimnisse hütet. Bald schon kommt es Schlag auf Schlag und sie wird unrechtmäßig zu einer Verbrecherin erklärt, nach...