* Kapitel 34 *

1.8K 119 1
                                    

Während einige der Männer mit großem Glück in der Lage waren, die geflüchteten Pferde wieder einzufangen, wurde Sophia von einem Mann mit dem Namen Herold untersucht. Sie hatte ihn manchmal auf der Insel gesehen und mehr schlecht als gut, konnte sie heraushören, dass er als Arzt auf der schwarzen Lady fungierte. Da er in den letzten Wochen und Monaten darin geschwelgt hatte, ein frisch gebackener Vater zu sein, war er bei ihrer ersten Reise mit dem Schiff nicht anwesend gewesen.
Nun war er aber wieder mit von der Partie und er konnte ihr versichern, dass sich ihr Gehör bald wieder bessern würde. Nachdem er gegangen war, um sich um Ronald und den Mann mit dem verletzten Bein zu kümmern, brachte Cole sie in die Kutsche zurück. Sie bemerkte, dass er unter Anspannung stand. Er konnte es kaum erwarten diesen Ort zu verlassen, da er sich nicht sicher war, ob die Banditen zurückkehren würden. Auch sie hatte diese Bedenken und sie war froh, dass diese Sache so glimpflich ausgegangen war. Auch wenn es ihr nicht gefiel, sollte sie lernen, mit den Waffen umzugehen.
"Cole", fragte sie und er zuckte zusammen, da sie viel zu laut sprach, es aber selber durch ihr eingeschränktes Gehör nicht bemerkte. Deutlich zögernd, bat sie ihm, ihr zu zeigen, wie sie die Pistole benutzen konnte. Er schaute etwas überrascht, ihm war wohl nie der Gedanke gekommen das sie dies nicht konnte. Doch schließlich nickte er und versprach, es ihr so bald wie möglich zu zeigen. Kurz darauf erschien Ben an der offenstehenden Kutschentür. Er verkündete, dass die geflohenen Pferde eingefangen seien und die Reise weitergehen konnte. Cole nickte und wollte keine Sekunde mehr zögern, doch Ben schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.
"Isabelle ist fertig mit ihren Nerven, könnte sie bei Sophia mitfahren?", fragte er. Cole nickte und nachdem er sich zum gefühlten hundertsten male davon überzeugt hatte, dass es Sophia gut ging, stieg er aus. Kurz darauf kam Isabelle zu ihr und Sophia erkannte, dass Ben nicht übertrieben hatte. Ihre Freundin zitterte wie Espenlaub und hatte ganz verweinte Augen. Der Vorfall mit den Banditen hatte sie sehr schockiert.

Es dauerte noch eine ganze Stunde, bis Sophia das Gefühl hatte, wieder Normal hören zu können. Noch länger dauerte es, Isabelle zu beruhigen. Dass man mehrere Minuten lang mit einer Waffe auf sie gezielt hatte, konnte sie nur schwer verarbeiten. Sophia konnte das gut nachvollziehen. Sie wüsste nicht, wie sie an ihrer Stelle reagieren würde. Dass ein tödlicher Schuss nur knapp an ihr vorbeigesaust war, versuchte Sophia eisern zu ignorieren. Die Sache hätte ganz anders ausgehen können. Nach einer weiteren Stunde hatte sich Isabelle endlich beruhigt und beide hofften, dass sie diese Banditen nie wieder sehen würden. Es war später Nachmittag als sie spürten, wie die Kutsche zum Stehen kam. Rasch spähten sie aus dem Fenster und erkannten, dass sie offenbar eine Rast einlegten.
Mit geschickten Handgriffen wurde ein spontanes Lager erreichtet und Sophia sah, wie sich einige Männer verteilten und wachsam durch die Gegend blickten. Sie gingen sicher, dass ein möglicher Angriff nicht noch einmal so überraschend käme. Von diesem Wissen beruhigt, stiegen die beiden Frauen aus. Isabelle eilte sofort zu Ben, der froh war, sie nicht mehr weinen zu sehen. Sophia entging nicht, wie er ihr einen dankbaren Blick zuwarf. Tief atmete sie ein und aus, ehe sie sich suchend nach Cole umsah. Als sie ihn entdeckte, war er gerade auf dem Weg zu ihr. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als er sie an sich zog und ihr einen flüchtigen Kuss schenkte.
"Wie geht es dir?", fragte er dann und sie versicherte ihm, wieder Normal hören zu können. Cole wirkte sichtlich erleichtert und dennoch sah er sie mit Sorge im Blick an. Sie wusste nicht, dass es ihm mehr Angst als ihr gemacht hatte, den Schuss zu hören und zu wissen, wie nahe die Kugel an ihr vorbeigeflogen war. Stärker als jemals zuvor war in ihm das Verlangen, sie zu beschützen und er wusste, dass er es niemals verkraften würde, sie zu verlieren. Es war schließlich ihr knurrender Magen, der ihn aus diesen Gedanken riss.
"Stimmt, du hast nicht gefrühstückt. Es wird Zeit, dass du, was zu essen bekommst", stellte er fest und bemerkte, wie sie zu Sebastian und Johann schielte, die gerade dabei waren ein Feuer zu entzünden, um darüber zu kochen. Er lachte, da er ahnte, was sie dachte. Rasch versicherte er ihr, dass Johann gute Köche hatte und sie morgen gutes Essen bekäme.

Des Piraten liebster SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt