* Kapitel 37 *

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Als Sophia am nächsten Morgen erwachte, hoffte sie, dass der Tag bezüglich Johnson besser verlaufen würde als der gestrige. Es schien als würde ihre Hoffnung erfüllt werden, denn beim Frühstück war Johnson äußerst freundlich. Es gab nichts zu meckern. Allerdings war Cole nicht gerade bester Laune. Seit dem gestrigen Abend hing er ständig finster drein blickend seinen eigenen Gedanken nach.
Ben schien es nicht besser zu ergehen und Sophia wechselte oft Blicke mit Isabelle. Ihr ging es eindeutig besser als Gestern. Irgendwie schon komisch, dass die Männer mehr daran zu Kauen hatten als die Opfer selbst. Nachdem sie alle das Frühstück beendet hatten, gingen die Männer mit den Worten, dass sie Jayden einen Besuch abstatten würden. Sophia und Isabelle nutzten diese Zeit und verließen das Haus für einen Spaziergang.
Wie sich herausstellte, fühlte sich Isabelle hier ebenso wenig wohl wie Sophia. Sie schrieb in ihren Buch, dass sie eine schreckliche Entdeckung gemacht habe. Auf Sophias Nachfrage schrieb sie, dass den Arbeitern die Zungen fehlten. Sophia war entsetzt und blickte jeden Arbeiter prüfend an, der ihren Weg kreuzte. Sie hielten ihre Köpfe gesenkt und es war nicht möglich zu erkennen, ob sie eine Zunge hatten oder nicht. Sophia hatte aber keinen Grund, an der Aussage von Isabelle zu zweifeln.
Sie fragte sich, ob dies das Werk von Johnson war. Doch egal wer es getan hatte, die Frage war warum. Isabelle war davon überzeugt, dass man diese Menschen zum Schweigen bringen wollte, denn laut ihr, war das Sprechen ohne Zunge nicht oder nur schwer möglich. Sophia hatte ein ganz ungutes Gefühl und beschloss später, mit Cole darüber zu reden.

Zwei Stunden später hatte Cole endlich Zeit für sie. Erleichtert bemerkte sie, dass sich seine Laune etwas erhellt hatte. Allerdings berichtete er, dass Jayden noch immer schwieg. Sophia hatte nichts anderes erwartet. Es wäre schon sonderbar gewesen wenn er nach all der Zeit plötzlich nachgegeben hätte. Johnson hatte den Vorschlag gemacht, Jayden an einem Pfosten, mitten im Hof anzubinden. Die Sonne würde ihn braten. Cole fand diese Vorstellung sehr verlockend und falls Jayden bis zum nächsten Tag nicht nachgab, würden sie diesen Plan in die Tat umsetzten.
Während Cole sie nun nach draußen führte und sie glaubte, er wolle einen Spaziergang mit ihr machen, überlegte sie bereits, wie sie das Thema mit den Zungen anschneiden sollte. Schließlich sprach sie einfach frei heraus und stellte überrascht fest, dass Cole es wusste. Er versicherte ihr, dass dies nicht das Werk von Johnson war. Laut ihm war es sehr verbreitet, denn jene, die sich Sklaven hielten, wollten auf diese Weise verhindern, dass Geheimnisse weitergetragen worden. In der Regel konnten Sklaven nicht schreiben und lesen, weshalb ihnen die Stimme zu nehmen, eine sehr beliebte Praxis war. Sophia war schockiert und ihr taten diese Menschen furchtbar Leid. Vielleicht war es hier nicht das Paradies und der Herr sehr unfreundlich, aber scheinbar war es doch besser als bei so manch anderem.
Überrascht verwarf sie all diese Gedanken als Cole sie auf eine weitläufige Wiese führte und ihr eine Pistole reichte.
"Du wolltest doch Lernen, damit umzugehen", sagte er und das hatte sie bereits vergessen. Etwas verunsichert nahm sie die Waffe an sich.
"Oder willst du es doch nicht mehr?", fragte Cole als er ihr Unbehagen spürte.
"Es kann nicht schaden, zu wissen, wie sie funktionieren. Doch es macht mir Angst zu wissen, was man damit alles anrichten kann", gestand sie.
"Dass sie kein Spielzeug sind, ist klar", meinte Cole und erklärte ihr als erstes, wie die Waffe zu entsichern war. Laut ihm, war dies das wichtigste. Er habe schon viele gesehen, die sich selbst anschossen, weil sie die Waffe entsichert mit sich trugen. Auch andersherum habe er es gesehen, in dem Fall haben die Schützen den Tod gefunden, weil sie vergaßen, die Waffe zu entsichern und ihre Widersacher dadurch schneller gewesen waren. Wie er ihr eingestand, wäre ihm dies auch beinahe passiert.
"Ich war damals ziemlich betrunken und habe mir beinahe mein bestes Stück weggeschossen", sagte er und Sophia war schockiert. Ihr Blick flog sogleich an ihm hinab.
"Es war nur beinahe, wie du weißt, funktioniert er einwandfrei", sagte Cole und als sie wieder zu ihm empor sah, schenkte er ihr ein Zwinkern. Sie errötete. Mit einem Lachen kam Ben zu ihnen, in Begleitung von Isabelle.
"Vielleicht solltest du ihr auch noch erzählen, dass du danach vor Schreck gestolpert und in Pferdemist gelandet bist", sagte Ben und Cole warf ihm einen bösen Blick zu.
"Ist dir vielleicht noch nicht aufgefallen, Sophia, aber Cole kann manchmal ganz schön tollpatschig sein", redete Ben weiter und Isabelle neben ihm kicherte leise.
"Halt einfach deine Klappe", fauchte Cole ihn an. Doch Ben dachte gar nicht daran.
"Ich habe noch eine tolle Geschichte. Das war damals, als wir die Cortens überfallen haben. Wir sind durch den Garten gekommen und da es kurz davor unschön geregnet hatte, war das Erdreich schlammig. Cole ist mit seinen Stiefeln steckengeblieben und musste uns zur Hilfe rufen, um sich zu befreien", erzählte Ben und Sophia musste Lachen.
"Verstehe, daher waren deine Stiefel so dreckig", meinte sie und sah vergnügt wie Cole etwas errötete. Das war ihm wohl sehr peinlich.
"Ben, wie wäre es, wenn ich paar Geschichten über dich erzähle?", fragte er und da Ben sogleich schockiert reagierte, bezeugte dies, dass Cole wohl einige in Petto hatte. Isabelle wirkte sogleich voller Neugier.
"Wage es nicht", drohte Ben, doch Cole grinste gehässig.
"Alkohol regt bekanntlich den Darm an. Du musst wissen Isabelle, einmal als wir um die Wette tranken, hat Ben fürchterlich furzen müssen und hat sich dabei in die Hosen ...", Cole stockte als Ben rasch mit seinem Armen fuchtelte und ihn bat zu schweigen.
"Bist du verrückt, wie kannst du das erzählen", rief Ben, während Sophia und Isabelle lachen mussten. Die Vorstellung war zwar schon sehr ekelig, aber der Blick von Ben einfach köstlich. Beschämt hatte er es sehr eilig, wieder zu Verschwinden. Kichernd folgte Isabelle ihm.
"Also, wo waren wir stehen geblieben", meinte Cole.
"Es muss dir nicht peinlich sein, auch ich habe einiges erlebt, für das ich mich Schäme", sagte sie, da er noch immer etwas errötet war.
"Und das wäre?".
"Das behalte ich lieber für mich", meinte sie und zu ihrem Glück, akzeptierte er dies.
"Gut, dann wollen wir doch mal sehen, wie gut du im Zielen bist", sagte er und suchte sich als Ziel einen Baum heraus, der einsam und abgeschieden auf der Wiese stand. Sophia sollte ihn einfach nur treffen, doch sie scheiterte. Selbst nach mehrmaligen Versuchen. Zielen war nicht ihre Stärke und sie konnte sich nicht an das Gefühl gewöhnen, abzudrücken.
"Das wird wohl ein längeres Training", stellte Cole fest und zeigte ihr stattdessen erst einmal, wie sie die Waffe mit neuen Patronen füllen konnte.

Es war mitten in der Nacht als Sophia aus ihrem Schlaf erwachte und fürchterlichen Durst verspürte. Vorsichtig erhob sie sich, um Cole nicht zu wecken, der neben ihr im Tiefschlaf lag. Sie seufzte schwer als sie feststelle, dass die Kanne mit dem Wasser leer war. Rasch warf sie sich einen Mantel über und verließ das Zimmer. Im Haus war es bei Nacht ganz schön Unheimlich. Die Stille brachte sie zum erschaudern. Sie hatte sichtliche Mühe im Dunkeln die Küche zu finden, doch es gelang ihr. Rasch stillte sie ihren Durst. Gerade als sie sich auf den Rückweg machen wollte, hörte sie das wehmütige Klagen einer Frau. Es klang so herzzerreißend, dass sie dem Laut folgte. Es führte sie, wie sie mit einem mulmigen Gefühl feststellte, eine Treppe hinab zu einem Keller. Hier lagerten zahlreiche Flaschen, die wohl Wein beinhalteten. Doch das klagen kam aus einer kleinen Kammer, deren Tür weit offen stand. Vorsichtig trat Sophia heran und spähte hinein. Ihre Augen weiteten sich. Sie entdeckte Jayden. Er war an eisernen Ketten an der Wand befestigt und es war unverkennbar, dass er in den letzten Stunden ordentlich geschunden worden war. Vor ihm am Boden kauerte eine ältere Frau, die fürchterlich Weinte und klagte. Instinktiv glaubte Sophia zu wissen, dass dies die Frau von Johnson war. Sie trug, wie er, gute Kleidung und wirkte kränklich. Doch warum war seine Frau hier bei Jayden? Und weshalb weinte sie so sehr? Sophia hörte, wie jemand hastig die Treppen herunter kam und suchte rasch hinter einem großen Weinfass nach Deckung. Sie erblickte Johnson, der mit grimmigem Gesicht den Keller betrat und dann die Kammer.
"Was machst du hier, Weib?", fragte er schimpfend und wollte seine Frau von Jayden wegziehen. Doch sie klagte nur noch lauter und klammerte sich an den Gefesselten fest.
"Wie kannst du ihm das antun, unser Sohn, wie kannst du nur", schluchzte sie und Sophia erschrak sich so sehr über das gehörte, dass sie gegen das Fass stieß und eine Flasche, die darauf stand zu schaukeln begann. Schlussendlich fiel sie zu Boden und zerbrach krachend. Sogleich wurde sie von Johnson entdeckt und sein Blick war mörderisch.
"Was hast du hier zu suchen?", rief er. Sophia beschloss, nun, da sie sowieso entdeckt war, auf Konfrontation zu gehen. Entschlossen kam sie hinter dem Fass hervor.
"Ich hörte ein Klagen und folgte dem Laut. Aber bevor ich mich hier erklären muss, solltet ihr es tun. Ist das eure Frau? Warum sagt sie, dass Jayden euer Sohn sei?".
Johnson sah aus als hätte er sie liebend gerne gewürgt. Zu ihrem Glück musste sie nicht erfahren, ob er dies auch getan hätte, denn man hörte Cole nach ihr rufen. Er war wohl erwacht und wunderte sich, wo sie war. Sophia zögerte nicht und rannte davon. So schnell sie konnte, ließ sie den Keller hinter sich und traf Cole an der Treppe zum oberen Stockwerk.
"Wo warst du?", fragte er besorgt und aufgeregt erzählte sie ihm, was sie gesehen und gehört hatte. Aber noch bevor Cole etwas dazu sagen konnte, kam Johnson mit seiner Frau zu ihnen. Letztere heulte immer noch.
"Das ist ein Irrtum. Cole du weißt, wie es um meine Frau steht. Weißt du, seit einiger Zeit wurde es immer schlimmer mit ihr. Du hast es doch auch schon erlebt. Sie ist nicht mehr bei klarem Verstand", versuchte Johnson sich zu erklären. Sophia glaubte ihm kein Wort. Cole aber leider schon.
"Bring deine Frau zu Bett", sagte er und nickend führte Johnson seine Frau davon. Sophia sah ihnen nach und blickte dann schockiert zu Cole.
"Du glaubst ihm das doch nicht etwa?", fragte sie.
"Sophia, ich erzählte dir doch, wie sehr sie unter ihrer Fehlgeburt leidet. Der Kummer zerfrisst ihren Verstand. Auch mich, hielt sie schon einmal für ihren Sohn", erklärte er.
"Wirklich?".
"Ja, das passiert öfters als du denkst. Du hast das alles nur falsch aufgefasst", versicherte er ihr. Sophia seufzte und wollte einsehen, dass er recht hatte. Doch es war schwer, ihr ungutes Gefühl zu ignorieren.


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