* Kapitel 14 *

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Lange, viel zu lange, hatte Sophia versucht in der Gegenwart von Cole nicht einzuschlafen. Irgendwann, weit nach Mitternacht, war sie der Erschöpfung auf dem Boden kauernd doch erlegen. Nun, als sie langsam aus dem Schlaf erwachte, spürte sie die Weichheit eines Bettes unter sich und dicke Decken hüllten sie ein. Ihr war klar, das Cole sie in sein Bett getragen hatte und bei dieser Vorstellung röteten sich etwas ihre Wangen. Kein Wunder, das sie das Gefühl hatte, den besten Schlaf seit Jahren gehabt zu haben. Solch ein weiches Bett hatte sie zuletzt in Zeiten genossen, als John noch an ihrer Seite gewesen war. Ein Stich jagte spürbar in ihr Herz als sie an ihren Bruder dachte und mit Anflug einiger Tränen, schlug sie nun ihre Augen auf. Durch das kleine runde Fenster in der Kajüte schien grelles Tageslicht hinein, was ihr verriet, das ein neuer Morgen hereingebrochen war. Rasch verdrängte sie die Gedanken an John und lauschte. War Cole in ihrer Nähe? Sie hörte in der Ferne das Geschrei der Möwen und das Wasser, das immer wieder gegen das Schiff platschte. Hier und da, war mal der Ruf von jemanden aus der Crew zu vernehmen, was ihr bezeugte, das die anderen bereits auf den Beinen waren. Doch sie hörte auch die Stimmen von Fremden, die vom Hafen her zu ihr hallten und ihr war somit klar, das sie noch immer in Lasciva waren. Sophia erschrak, als sie glaubte, hinter sich jemanden Atmen zu hören und als sie sich Vorsichtig bewegte, wurde sie sich des starken Armes bewusst, der um ihren Leib lag. Sogleich beschleunigte sich ihre Atmung und ihr Herz tanzte viel zu schnell in ihrer Brust.
Zögerlich neigte sie ihren Kopf und spähte hinter sich, wo sie Cole erblickte. Als sie ihn sah, war ihr Schreck sogleich überwunden und sie konnte nicht aufhören ihn fasziniert beim Schlafen zu beobachten. Er sah so friedlich aus, das sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl. In ihr erwachte die heiße Sehnsucht, sich eng gegen ihn zu kuscheln, doch natürlich wehrte sie sich eisern gegen dieses Verlangen. Vorsichtig und mit sehr langsamen Bewegungen versuchte sie seinen Arm von ihr zu lösen, doch diese Aktion weckte Cole dennoch. Sie erschauderte als ihm ein leises schnurrendes Geräusch entfloh und er ihren zitternden Körper dichter zu sich heran zog. Ihre Atmung drohte für einen kurzen Moment völlig zu versagen als sie seinen harten muskulösen Körper an ihren Rücken spürte und sein Atem ihren Nacken streifte. Die Unruhe, die nun ihren Körper beherrschte, war erregend.
"Guten Morgen meine Schöne", flüsterte Cole und sie glühte lichterloh.
"Lass mich sofort los", verlangte sie, wünschte sich aber insgeheim, das er es nicht tun würde.
"Hast du gut geschlafen?", fragte er und schien ihre Worte mit Absicht zu überhören.
"Lass mich los", wiederholte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu winden. Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich mit ihm in einem Bett geschlafen hatte. Cole lockerte seinen griff nicht im Geringsten und sie schnappte nach Luft als sie spürte, wie er sein Gesicht mit einem leisen Lachen in ihrem Haar vergrub.
"Welch ein Glück, dass du es nicht geschnitten hast", flüsterte er und sie war überwältigt von den Gefühlen, die in ihr tobten. Kurz überlegte sie, diesen schönen Moment ausnahmsweise einfach zu genießen, doch da löste sich Cole schon von ihr. Als er sich aus dem Bett erhob war sie froh zu sehen, das er wenigstens angekleidet bei ihr gelegen hatte. Sein Haar war ganz zerzaust und viel zu gerne hätte sie es ihm gerichtet.
"Wir werden noch in Lasciva bleiben, bis die Vorräte aufgefüllt und alle nötigen Reparaturen getilgt sind. Du darfst die Kajüte verlassen, doch betrete nicht das Deck. Ich werde dafür sorgen, dass Ben und Ronald über dich wachen, wenn du dich unter Deck bewegst", sagte er und kramte aus den Taschen seiner Hose den Schlüssel der Kajütentür hervor. Nach einem kurzen aber doch sehr intensiven Blick zu ihr schloss er die Tür auf und ging. Einige Minuten lang blieb Sophia noch im Bett liegen und verfluchte dabei mehr als einmal ihr Herz, das sich dem Mann ergeben wollte. Doch schließlich gab sie sich einen Ruck und erhob sich. Zielstrebig lief sie auf den Vorhang zu, zog ihn beiseite und besah sich den Zuber dahinter. Schon lange, viel zu lange, hatte sie kein richtiges Bad mehr gehabt und daher sah der weiße Zuber mit den vergoldeten Rändern sehr verlockend aus. Doch mit einem Kopfschütteln trat sie an den Tisch daneben, auf dem mehrere Tücher lagen und eine Schüssel mit sauberen Wasser stand. Rasch erfrischte sie sich etwas, ehe sie plante nach Isabelle zu sehen. Als sie die Kajüte verließ, entdeckte sie, wie von Cole vorgewarnt, Ben und Ronald im Gang.
"Ich möchte zu Isabelle", sagte sie und die beiden führten sie zu einer Tür, hinter der, wie sie wusste, eine kleine Rumpelkammer war. Als sie nun jedoch eintrat, war daraus eine kleine spärlich eingerichtete Kajüte geworden. Isabelle hatte hier ihre eigene Hängematte, einen Tisch, einen dazugehörigen Stuhl und eine Truhe. Sophia war erleichtert und nachdem sie die Tür geschlossen hatte, wobei sie die beiden Männer im Gang stehen ließ, begann sie die noch schlafende Isabelle behutsam zu wecken.
Bist du in Ordnung?
Schrieb Isabelle hastig in ihr Buch, nachdem sie erwacht war und Sophia mit sorgenvollem Blick begutachtet hatte.
"Es geht mir gut und Cole war artig geblieben", versicherte Sophia ihr. Hörbar atmete Isabelle erleichtert aus.
"Ich schätze, wir müssen uns fürs Erste damit abfinden hier zu sein. Ich glaube Cole, wenn er sagt, wir sind sicher, zumindest vor ihm", sagte Sophia.
Aber wir können nicht hierbleiben! Schrieb Isabelle und Sophia nickte.
"Natürlich nicht. Doch im Moment werden wir zu gut bewacht. Wir üben uns in Geduld, früher oder später lassen die Piraten nach und es wird sich eine Möglichkeit ergeben zu gehen", sagte Sophia.
Wir schaffen das.
Schrieb Isabelle.
"Das werden wir, aber was machen wir nun? Mir ist, wenn ich ehrlich bin, ziemlich langweilig. Wir dürfen weder das Schiff verlassen, noch auf das Deck gehen", meinte Sophia.
Ich hätte großen Hunger, wie sieht es bei dir aus? Schrieb Isabelle.
"Mir geht es genauso, komm, gehen wir in die Kombüse und schauen, ob wir etwas kochen können", sagte Sophia und Hand in Hand verließen die beiden die Kammer. Ben und Ronald waren ihnen sofort auf den Fersen als sie die Kombüse aufsuchten. Sophia fragte sich etwas genervt, warum man sie selbst unter Deck so streng beobachten musste. Sie warf den beiden Männern einen bösen Blick zu, ehe sie mit Isabelle einige gefüllte Omeletts zubereitete. Es war ein sehr einfaches Gericht, aber für die beiden Männer wie ein Königsschmaus. Stramm an der Tür Wache stehend, hörte man ihre Mägen immer wieder laut knurren. Als sich Sophia mit Isabelle an den Tisch setzte und zu essen begann, bemerkte sie sehr wohl die gierigen Blicke der beiden. Ben und Ronald taten ihr irgendwie leid und bevor sie es sich anders überlegen konnte, bot sie ihnen an, mit ihnen zu essen. Zunächst zögerten die beiden, doch dann setzten sie sich zu ihnen. Wie ausgehungerte Wölfe fielen sie über die Omeletts her.
"Das schmeckt himmlisch", schwärmte Ben mit vollem Mund.
"Wir sollten Sebastian endgültig aus der Küche werfen und nur noch die beiden an den Herd lassen", schlug Ronald vor. Doch kaum waren seine Worte verklungen, ertönte ein entrüstetes Schnaufen von der Türe her. Alle spähten ruckartig und mit vollen Backen dorthin und wurden Zeuge, wie Sebastian die Gruppe am Tisch mit erhobenen Augenbrauen musterte.
"Ich werde das überhört haben, aber sage es noch einmal und ich hacke deinen Schwanz ab und koche ihn", schnauzte Sebastian los und Ronald verschluckte sich vor Schreck, sodass Ben ihm mehrmals hastig auf den Rücken klopfen mussten. Mit einem mörderischen Blick bedachte der Koch die Männer, ehe er sich plötzlich mit einem zuckersüßen Lächeln an Sophia und Isabelle wandte.
"Natürlich wäre es mir eine Ehre, wenn Sophia mir weiterhin hilft und Isabelle auch", sagte er. "Das werde ich gerne tun, Isa bestimmt auch, ich denke, es ist ihr lieber als sich von Ben wegen irgendwelchen Dingen, wie die Kanonen zum Beispiel, anschnauzen zu lassen", meinte Sophia und Ben warf daraufhin einen prüfenden Blick zu Isabelle, ehe er entschieden mit dem Kopf nickte und nuschelte, dass er die kleine nie wieder an seine Kanonen lassen würde. Deutlich verlegen begann Isabelle nun in ihrem Omelett herumzustochern. Doch dann plötzlich echote ein schmerzhafter Schrei durch die Gänge des Unterdecks und während die Männer gelassen blieben, erschraken die beiden Frauen heftig.
"Ihr könnt euch entspannen, das ist nur Jayden", erklärte Sebastian.
"Weshalb schreit er denn so?", wollte Sophia wissen.
"Der Kapitän ist gerade bei ihm", antwortete der Koch und mehr musste Sophia nicht wissen, um die Sachlage zu verstehen.
"Hat er denn schon was aus ihm rausbekommen?", fragte Ben.
"Nichts, Jayden schweigt wie ein Grab", erklärte Sebastian und seufzte schwer. Sophia wurde von Neugierde gepackt und nach kurzem Zögern fragte sie, woher man Jayden kannte und weshalb alle ihn einen Verräter nannten. Ben und Ronald zogen es vor zu schweigen, doch zum Glück erbarmte sich Sebastian ihrer. Wie er nun erzählte, war Jayden einmal ein Mitglied der Crew gewesen und sogar die rechte Hand des Kapitäns. Überraschend habe er Cole dann jedoch hintergangen und ihn im Schlaf erstochen. Sophia war entsetzt als sie dies hörte und selbst Isabelle standen diese Neuigkeiten so quer, das sie ihr essen nicht mehr anrührte.
"Wie ihr ja sehen könnt, hat der Boss das überlebt, aber Jayden hatte fliehen können", erzählte Sebastian weiter. Ben seufzte nun sehr schwer auf und meinte, das niemanden solch einen Verrat von Jayden erwartet hätte.
"Wir sind uns alle einig, das dies nicht von Jayden alleine kam. Hinter diesem Verrat steckt ein anderer, der Jayden angestachelt hat. Der Boss versucht nun herauszufinden, wer der wahre Drahtzieher ist", brach auch Ronald sein Schweigen. Sophia erschauderte bei der Vorstellung, dass dieser Schurke vielleicht ebenfalls ein Mitglied der Crew war und es jederzeit zu einem erneuten Versuch zu Morden kommen könnte. Das machte ihr wieder einmal deutlich, wie zwingend es nötig war, sich von Cole fernzuhalten. Ein Leben an seiner Seite war einfach zu gefährlich!

Einige Zeit später war Sophia wieder alleine in der Kajüte von Cole. Isabelle hatte das gemeinsame Essen mit den Männern als zu aufregend empfunden und es vorgezogen, sich zurückzuziehen. Sophia hatte sie gewähren lassen und begann nun, ein wenig aus Neugierde, aber mehr noch aus Langeweile, in den Schriftstücken zu wühlen, die kreuz und quer auf dem Tisch von Cole lagen. Das meiste waren Landkarten oder irgendwelche Listen, von denen sie keine Ahnung hatte, was sie bedeuteten. Auf einer der Landkarten entdeckte sie eine große Insel, die von Cole mehrmals eingekreist und mit Insula Peccati beschriftet worden war. Sie fragte sich in welcher Verbindung Cole mit dieser Insel stand, war sich aber sicher, das sie eine besondere Bedeutung für ihn hatte.
Schließlich begann sie in den Schubladen des Schreibtisches zu wühlen und stockte, als sie dort einen Stapel an Dokumenten fand und auf dem Deckblatt ganz deutlich den Namen von Lord Cortens entdeckte. Sogleich nahm sie die Papiere an sich und blätterte sie durch. Doch der Inhalt ergab für sie nicht wirklich Sinn, es war eine Auflistung von Namen, alles Frauen und dahinter standen verschiedene Beträge und weitere Namen, alles von Männern. Sophia wusste, anhand der anderen Schriftstücke auf dem Tisch, das dies nicht die Handschrift von Cole war und er diese Liste nicht geschrieben hatte. Dies war, wie das Deckblatt bezeugte, das Werk von Lord Cortens. Warum aber hatte Cole dies? Sie hielt inne und dachte an den damaligen Überfall an die Cortens. Tanja hatte gesagt, es wurden auch Dokumente des Lords gestohlen und Sophia war sich nun ziemlich sicher, das sie die gestohlene Ware gerade in Händen hielt und Cole tatsächlich hinter dem Überfall steckte. Doch warum hatte er diese Liste, die keinen Sinn ergab, gestohlen? Rasch legte sie alles in die Schublade zurück und überlegte, ob sie es wagen sollte, Cole demnächst danach zu fragen.

Des Piraten liebster SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt