* Kapitel 42 *

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Sophia wusste nicht genau, wie lange sie schon auf See waren. Doch mehrmals hatte sie durch das kleine Fenster die Sonne auf und untergehen sehen. Sie fristete ihr Dasein angekettet im Bett, nur einmal am Tag durfte sie es verlassen, um ihre Notdurft zu verrichten. Essen und Trinken bekam sie in geringen Mengen, gerade so viel, dass es ausreichte, um nicht zu verhungern oder zu verdursten.
Mit jeder Stunde fühlte sie sich trostloser und dabei war es nicht ihr eigenes Schicksal, das sie besorgte, sondern das von Cole. Sie betete, dass er Johnson auf die Schliche käme und mehr noch, dass er keiner Gefahr ausgesetzt sei. Ebenfalls sorgte sie sich um Isabelle. Sie wusste nicht, was mit ihrer Freundin geschehen war. War ihr die Flucht gelungen oder hatten die Männer sie ...! Sophia konnte es kaum ertragen, darüber nachzudenken. Sie hoffte einfach nur, dass Isabelle wohlauf sei und redete sich Mut zu, in dem sie sich sagte, dass Jayden gewiss damit geprahlt hätte, wenn Isabelle etwas geschehen wäre.
Ihr einziger Trost in all der Zeit war, dass es Jayden immer schlechter ging. Er ließ sich nur selten in der Kajüte blicken und auch seine Leute ließen sie größtenteils in Ruhe. Doch dann kam der Tag, wo sie wusste, dass ihre wahre Tortur erst begann.
Es war früher Mittag als vier Männer die Kajüte betraten, zusammen mit einem sehr geschwächten Jayden. Er war kreidebleich und musste gestützt werden.
"Du kannst wirklich froh sein, dass ich nicht in der Lage war, mich deiner anzunehmen. Doch freue dich nicht zu früh, wir haben den Hafen erreicht und in wenigen Stunden wird sich Cortens deiner annehmen", meinte Jayden. Sophia schluckte schwer, mühte sich aber ihm nicht ihre Angst zu zeigen. Jayden nickte seinen Männern zu und einer von ihnen lösten sie von den Fesseln und zerrte sie grob aus dem Bett empor. Sophia stolperte ihm erschöpft hinterher als er sie danach auf das Deck zerrte.
Der Atem stockte ihr als sie den Hafen erblickte und das Gasthaus von Nick. So sehr hatte sie gehofft, diesen Ort nie wieder sehen zu müssen. Nachdem Jayden, der deutlich länger brauchte, sie eingeholt hatte, lief er hinkend voraus vom Schiff.
Der Mann, der Sophia am Arm festhielt, folgte ihm und es schien ihm gleich zu sein, dass Sophia Probleme hatte, zu laufen. Es war wirklich erschreckend, wie schwach sich ihre Beine anfühlten. Sie jammerte jedoch nicht. Fünf Muskelprotze folgten ihnen und wie sie erkannte, steuerten sie das Gasthaus von Nick an.
Ihr Herz überschlug sich beinahe als sie den Schankraum betraten. Es waren keine Gäste da, doch sie entdeckte Nick, der hinter seinem Tresen stand und die Neuankömmlinge mit grimmigem Blick musterte.
"Unglaublich das du dich hierher traust Jayden. Du weißt schon, dass ich da jemanden kenne, der dich verbissen sucht", rief Nick.
"Halt einfach deine Fresse und Tisch uns das beste Bier auf, was du hast", erwiderte Jayden. Es sah nicht so aus als wollte Nick dies tun, doch schließlich gab er sich einen Ruck und verschwand in seiner Küche. Jayden hinkte auf den größten, der Tische zu. Seine Begleiter folgten ihm und Sophia wurde auf einem Stuhl niedergedrückt. Sie konnte sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen als sie sah, wie Jayden große Mühe hatte, sich zu setzten. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz.
"Ihr solltet lieber beim Schiff bleiben und ruhen", schlug einer seiner Männer vor.
"Niemals. Selbst wenn ich mein Bein verlieren sollte, das Miststück liefere ich persönlich ab", erwiderte Jayden und warf Sophia einen hasserfüllten Blick zu, den sie tapfer erwiderte. Nick kehrte zurück und tischte den Männern das Bier auf, während er Sophia einen Becher mit klarem Wasser hinstellte. Wie sie bemerkte, musterte er sie mit gerunzelter Stirn. Erkannte er, dass sie Tristan war?
"Also, was führt dich hierher, Jayden?", fragte Nick.
"Ich bin hier, um Geld zu verdienen, ehe ich für einige Zeit untertauche", antwortete Jayden und obwohl er wusste, dass Nick eine relativ gute Bekanntschaft mit Cole hatte, schien er aus seinen Plänen keine Geheimnisse zu machen. Ihm und auch Sophia war klar, dass, selbst wenn Nick auf die Idee käme, Cole eine Nachricht zu schicken, es Wochen dauern könnte, bis dieser sie erhielt. "Verstehe, mit Geld verdienen meinst du wohl das Kopfgeld einkassieren. Denn wenn ich mich nicht irre, ist die kleine neben dir eine der Mägde, nach denen Cortens sucht", stellte Nick fest und Jayden nickte. Sophia wich dem prüfenden Blick des Wirtes aus. Er hatte sie als Tristan wohl nicht erkannt, aber gleich begriffen, dass sie die gesuchte Verbrecherin war. Ihr Blick huschte zu dem Schwarzen Brett. Dort hingen noch immer die Steckbriefe von ihr und Isabelle. Wie sie mit großem Schrecken erkannte, war die Summe auf ihr Ergreifen erhöht worden, was bedeutete, dass Cortens nach all der Zeit noch nicht aufgegeben hatte.
"Cortens wird sich freuen, doch warum siehst du so schrecklich aus?", fragte Nick, dem nicht entgangen war, dass Jayden kränkelte.
"Weil die Schlampe mir in das Bein geschossen hat", fauchte Jayden und Sophia sah, wie die Mundwinkel von Nick amüsiert zuckten. Er schien sich an dem Schmerz von Jayden richtig zu ergötzen.
"Wenn ich mich richtig erinnerte, scheint Cole auch nach ihr gesucht zu haben. Zumindest hatte er ihren Steckbrief", meinte Nick nach kurzer Zeit und Jayden begann zu lachen.
"Er war in der Tat schneller als ich. Hat sich die kleine zur Geliebten genommen, aber ich habe sie ihm weggeschnappt", sagte Jayden.
"Geliebte? Eine Gespielin von Cole?", fragte Nick erstaunt.
"Mehr als das".
"Mehr? Du meinst sie ...", Nick stockte, sein Gehirn schien sichtlich zu rattern. Prüfend sah er Sophia an, die sich gerade fragte, ob sie Nick um Hilfe bitten könnte. Doch sie verwarf dies schnell. Erstens, würde Jayden sie nicht mit Nick alleine lassen und zweitens, würde Nick nichts gegen die Begleiter von Jayden unternehmen können. Noch dazu war fraglich, ob er ihr helfen würde, selbst wenn er eine Möglichkeit fände.
"Wenn das so ist, wie du sagst, ist dir doch wohl klar, dass Cole dich Jagen wird", meinte Nick. "Ha, fasel mir nicht die Ohren wund. Der Idiot hat keine Ahnung. Bis er irgendwann dahinter kommt, was mit ihr geschehen ist, liegt sie vermutlich schon geschunden unter der Erde", rief Jayden und machte deutlich, dass er keine Lust mehr hatte, weiter mit Nick zu reden. "Unterschätze ihn nicht. Was ihm wichtig ist, verteidigt er bis aufs Blut", warnte Nick.
"Halt deine Fresse. Bring uns lieber noch eine zweite Runde an Bier", fauchte Jayden und mit einem unverständliches Gemurmel stampfte Nick davon. Kurz darauf kam er mit dem Bier wieder und Sophia war sich sicher, dass er ihr verstohlen zu gezwinkert hatte.

Das Gebrüll von Cole hallte über das gesamte Deck der schwarzen Lady und die Crew eilte sich den Befehlen ihres Kapitäns zu folgen. Gerade erst hatten sie am Hafen angelegt und schon stürmten einige Männer davon, um Pferde zu besorgen. Andere gingen, um den Hafen zu patrouillieren, stets die Augen offenhaltend, ob sie Jayden oder Sophia erblickten. Die jenen, die auf dem Schiff verblieben, sammelten die Waffen zusammen. Den Cole würde, falls er seine Sophia hier nicht fand, mit der gesamten Mannschaft das Anwesen von Cortens angreifen und dem Erdboden gleich machen.
Seine Wut und seine Verzweiflung waren enorm. Er war bereit, um über Leichen zu gehen. Dicht gefolgt von Ben und Sebastian verließ er sein Schiff und sah sich am Hafen um. Wie immer, wenn er hierher kam, war der Hafen überfüllt. Schnell sah er sich seiner Hoffnungen beraubt, seine Liebste hier zu finden. Wie weit war Jayden ihm voraus?
"Ähm, ich glaube, Nick will uns sprechen", meinte Ben und machte auf den Wirt aufmerksam, der hektisch nach ihnen winkend vor seinem Gasthaus stand. Cole zögerte nicht und eilte auf den Wirt zu, hoffend, dass dieser etwas gesehen haben könnte.
"Ich war mir sicher, du würdest kommen. Umso erfreuter bin ich, dass du so schnell kamst", grüßte Nick und führte Cole, Ben und Sebastian in seine Schenke.
"Wir sind in Eile. Hast du in letzter Zeit zufällig Jayden gesehen?", fragte Cole und sein Puls beschleunigte sich als der Wirt nickte.
"Hatte Besuch von diesem Bastard".
"War Sophia bei ihm?".
"Du meinst Tristan, die Magd? Ja!", sagte Nick. Cole war ganz außer sich, er überhörte völlig, dass Nick in ihr Tristan erkannt hatte.
"Ging es ihr gut?", fragte Cole und man sah ihm die Verzweiflung an.
"Sie wirkte geschwächt und ziemlich blass. Doch bis auf ein paar Schrammen, sah ich nichts an ihr, was Schlimmes befürchten ließe", antwortete Nick und Cole war so froh dies zu hören, dass er sich von der Erleichterung erschlagen sogleich setzten, musste.
"Jayden sah viel schlimmer aus", meinte Nick und grinste.
"Wie meinst du das?", fragte Sebastian.
"Ich schätze, die kleine hat es dem Bastard nicht leicht gemacht. Er kränkelt sehr. Er kann kaum laufen. Wie ich hörte, hat sie ihm in das Bein geschossen", berichtete Nick und während Ben und Sebastian überrascht waren, begann Cole zu lachen. Froh war er, zu hören, dass Sophia sich gegen Jayden behauptete und sich nicht kampflos ergab. Er war stolz auf sie und schöpfte neuen Mut. Er wusste, seine Liebste würde nicht aufgeben und er auch nicht!
"Wann hast du sie gesehen, wie lange ist das her?", fragte Cole und erhob sich wieder.
"Vier Stunden".
"Verdammt. Wir müssen Zeit aufholen", fluchte Cole.
"Allzu schnell wird Jayden nicht vorankommen, vielleicht könnt ihr sie noch einholen, bevor sie Cortens erreichen", sagte Nick und seufzte dann schwer.
"Es tut mir Leid. Jayden prahlte damit, dass sie dir wichtig sei und er sie dir weggeschnappt hat. Mir war klar, wenn er Recht hat, dass du kommen würdest. Ich konnte ihr leider nicht helfen. Gegen Jayden hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, so schwach wie er ist, doch seine Männer waren da ein anderes Kaliber. Jedoch blieb ich nicht tatenlos. Das zweite Bier habe ich vergiftet, hoffend, sie würden meine Schenke nicht mehr verlassen können. Doch meine Dosierung schien zu schwach gewesen zu sein. Es wirkte leider nicht", erklärte Nick.
"Schon gut, ich rechne dir den Versuch hoch an", meinte Cole und klopfte dem Wirt auf die Schultern.
"Falls es dich interessiert. Jayden hat fünf Männer mitgenommen, der Rest verlieb auf dem Schiff. Das mit den Schwarz weißen Segeln und dem Schlangenkopf am Bug", sagte Nick und Cole bedankte sich für diese Information, ehe er schwungvoll kehrt, machte und aus dem Haus stürmte, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.



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