* Kapitel 43 *

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Sophia hatte große Mühe, ihre Panik niederzuringen. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie das Gasthaus von Nick verlassen hatten. Sie saß mit Jayden wieder auf einem Karren, der von einem alten Maulesel gezogen wurde. Während vier Mann zu Pferde voraus ritten, versuchte der fünfte dem sturen Esel seinen Willen aufzuzwingen. Das Tier gehorchte aber nicht immer und blieb oft einfach stehen. Sie kamen daher nur langsam voran.
Vor einigen Minuten hatten die Männer damit begonnen, immer wieder Würgen zu müssen. Es ging ihnen offensichtlich nicht gut, aber sie schafften es, sich nicht zu erbrechen. Sophia runzelte ihre Stirn, sie empfand es als sehr merkwürdig, dass es allen gleichzeitig schlecht ging. Hatten die Männer etwas Schlechtes gegessen? Jayden schimpfte viel und er war der Meinung dass das Bier von Nick schuld sei.
"Man weiß, was für eine abgestandene Brühe er uns serviert hat", zischte er und Sophia dachte daran, wie Nick ihr zugezwinkert hatte. Könnte es ein, dass er den Männern altes Bier gegeben oder ihnen etwas beigemischt hatte? Sophia dachte nicht weiter darüber nach, denn wie sie bemerkte, war die Umgebung ihr sehr vertraut. Angst erfüllte jeden Winkel ihres Seins als sie nach vorne sah und die Stadt erspähte, in der Cortens lebte. Sie waren erschreckend nah und Sophia wusste, sie musste alles Riskieren.
Da man es nicht für nötig gehalten hatte, sie zu fesseln, nutzte sie diese Lage aus. Tief atmete sie ein und aus, sammelte ihren Mut und sprang dann ohne Vorwarnung vom Karren. Jayden fluchte, war aber nicht schnell genug, um sie aufzuhalten. So schnell Sophia konnte, rannte sie davon und visierte dabei einen nahen Wald an, hoffend, sich dort verstecken zu können. Doch auch wenn Jayden die Verfolgung, dank seines Beines, nicht aufnehmen konnte und schimpfend auf dem Karren verbleiben musste, waren da noch seine Männer. Sie jagten ihr zu Pferde hinterher und es dauerte nicht lange bis sie, sie eingeholt hatten.
Erschrocken versuchte Sophia den massiven Leibern der Pferde auszuweichen, genauso wie den Händen, die nach ihr zu greifen versuchten. Eine Zeitlang gelang ihr dies auch, in dem sie sich immer wieder duckte, zur Seite drehte oder mit einem Sprung aus der Reichweite brachte. Doch dann änderten die Männer ihre Taktik und kreisten sie mit den Pferden ein. Sophia sah keine Möglichkeit, diesen zu durchbrechen. Aller Hoffnungen beraubt, gab sie auf und sackte schluchzend zu Boden.
Sie wehrte sich nicht als einer der Männer sie zu sich auf das Pferd hob und man sie zurück zum Karren brachte. Dort wurde sie sogleich gefesselt, während sie mit Tränennassen Augen zu Jayden blickte, der aussah als würde er vor Wut gleich platzen.
"Verdammtes Weib", schimpfte er, holte aus und verpasste ihr einen wuchtigen Schlag.

Mit einem leisen jämmerlichen Stöhnen, kam Sophia zu sich. Sie fühlte sich wie gerädert und war nicht in der Lage ihre Augen zu öffnen. Was war geschehen? Ihr ganzes Gesicht schmerzte und schließlich erinnerte sie sich, dass Jayden sie geschlagen hatte. Danach war nur noch schwärze in ihren Erinnerungen. Sophia fühlte, dass sie auf etwas Weichem lag und sie hörte mehrere Stimmen, jemand schien sich zu streiten. Es war nicht in ihrer Nähe, doch laut genug, um es wahrzunehmen.
Die Angst in ihr war unbeschreiblich als sie die Stimme von Lord Cortens erkannte. Panisch hob sie ihre schweren Lider und fand sich auf der Couch, in der Stube der Cortens liegend vor. Alles woran sie denken konnte war, dass sie fliehen musste. Doch sie rührte sich nicht, spürte sie doch, dass sie an Händen und Beinen gefesselt war. Noch dazu war sie nicht allein. An der Türe standen mehrere Männer.
Sie gehörten nicht zu Jayden und wenn sie sich richtig erinnerte, auch nicht zu Cortens. Dennoch glaubte sie, zwei der Männer schon einmal gesehen zu haben. Der Schock traf sie hart als sie begriff, dass sie zu Barrymore gehörten. Ihre Gedanken überschlugen sich. Waren die Männer von diesem Bastard etwa zu Cortens geflohen?
"Ihr seid ein Halsabschneider", hörte sie Jayden rufen und es klang als käme seine Stimme aus der Eingangshalle.
"Gebt euch zufrieden, mit dem, was ihr habt. Den vollen Preis zahle ich nicht, ihr habt mir nur eine und nicht beide gebracht", antwortete Lord Cortens und Jayden klang als wolle er vor Wut bersten. Er schimpfte und fluchte, doch schließlich gingen seine Worte in einem heftigen Würgen über.
"Ihr und eure Männer sieht nicht gut aus, nimmt das Geld und verschwindet", rief Cortens angeekelt und Sophia blickte panisch zur Tür als seine Schritte nahten. Die Männer von Barrymore traten beiseite als sich diese Öffnete und Cortens eintrat. Als Sophia ihn erblickte, war ihre Hysterie perfekt. Wie eine Irre begann sie in ihren Fesseln zu zappeln und stürzte dadurch von der Couch. Sie erntete höhnisches Gelächter. Den Tränen nahe lag sie am Boden und als Cortens sich ihrer näherte, wünschte sie tatsächlich, sie würde Sterben bevor er sie erreichte.
"Ich gebe mich damit nicht zufrieden", rief Jayden und kam in die Stube gehumpelt. Lord Cortens hielt dicht vor ihr inne und sah zu ihm. Sophia wusste nicht, wie lange sie Ohnmächtig gewesen war, doch in dieser Zeit schien sich der Zustand von Jayden noch mehr verschlechtert zu haben. Er war noch bleicher als zuvor. Wenn sie ehrlich war, sah er aus wie eine wandelnde Leiche.
"Geht oder ich lasse euch hinauswerfen", zischte Cortens.
"Was glaubt ihr, wird mein Vater tun, wenn er erfährt, wie respektlos ihr mich behandelt", schimpfte Jayden und humpelte auf Cortens zu. Doch er war zu schwach und stürzte, bevor er diesen Erreichte. Lord Cortens und die Männer an der Tür, begannen schallend zu lachen und blickten mit Spott auf Jayden nieder. Dieser krümmte sich vor Schmerzen am Boden und dann plötzlich begann er sich zu erbrechen. Er schien nicht damit aufhören zu können, es kam schubartig aus ihm hinaus.
"Das ist ja widerwärtig", rief Cortens aufgebracht.
"Herr, seine Begleiter erbrechen sich ohne Unterlass", rief Margarete, die just im nächsten Moment in die Stube eilte. Sophia starrte die Ältere an, die ihr nur einen flüchtigen Blick schenkte und nicht im Geringsten schockiert wirkte, sie gefesselt am Boden zu sehen. Sophia schluchzte. Hilfe konnte sie wohl von niemanden in diesem Haus erwarten. Alle hier, waren genauso verdorben wie Cortens.
"Schmeißt sie hinaus, allesamt", brüllte Cortens und die Männer von Barrymore setzten sich in Bewegung. Jayden wurde gepackt und aus dem Raum gezerrt. Er konnte sich nicht wehren, da er sich noch immer erbrach und dabei jämmerlich keuchte. Es war nicht zu überhören, wie er aus dem Haus geschmissen wurde, genau wie seine Männer.
"Ich gehe dann mal putzen", fluchte Margarete und blickte angeekelt auf das Erbrochene nieder, ehe sie aus der Stube eilte. Sophia schluckte schwer als sie nun mit Cortens alleine war. Ihr Herz blieb beinahe stehen vor Furcht als er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie richtete. Er musterte sie prüfend. Dann plötzlich vergrub er seine Hand in ihrem Haar, packte zu und zerrte sie grob auf die Beine.
"Auch wenn ich mich sehr gefreut hätte, Isabelle wiederzusehen, bin ich froh, dass man mir dich brachte", sagte er und zeigte zu seiner Schläfe. Eine Narbe zeugte von der Verletzung, die sie ihm damals verpasst hatte.
"Ich kann es kaum erwarten dich dafür zu bestrafen", sagte er und in seinen Augen funkelte die Boshaftigkeit.
"Wie ich von Jayden hörte, hast du dich mit dem verdammten Piraten zusammengetan, der es wagte, mein Haus zu überfallen", sprach er weiter und Sophia schluchzte schwer als sie an Cole dachte. Sie vermisste ihn so sehr.
"Ich wusste schon immer, dass du eine Hure bist", zischte Cortens und Sophia keuchte auf als er los lief und sie grob mit sich zerrte. Sie hatte große Mühe nicht zu stürzen, da ihre Beine so gefesselt waren, dass sie nur kleine Schritte machen konnte. Cortens war das egal. Als sie doch stürzte, zog er sie einfach wieder auf die Beine. Er führte sie in die Eingangshalle und zerrte sie dann die Treppe empor. Ihre Angst wurde immer größer als er zielstrebig den Weg zum Westflügel nahm. Sie flehte voller Verzweiflung und versuchte immer wieder, sich irgendwie von ihm loszureißen. Doch er zog sie ohne Gnade weiter und brachte sie in den verbotenen Flur. Der Atem stockte ihr als er sie in den Raum brachte, wo sie einst Isabelle gefunden hatte. Erinnerungen kamen zurück, die sie stets verdrängt hatte. Am ganzen Leibe zitternd blickte sie zu den schweren Eisenketten, die von der Wand hingen und dann zu dem Tisch, wo, genau wie beim ersten Mal, lauter Dinge lagen. Unter anderem eine Peitsche, Dolche und andere Sachen, mit dem man jemanden Leid zufügen konnte.
Lord Cortens löste nun ihre Fesseln und kaum war sie davon befreit, wollte Sophia flüchten. Doch sogleich schlang Cortens einen Arm um ihre Hüften und trug sie zu tun Eisenketten. Bevor sich Sophia versah, schlangen sich die Eisenringe um ihre Handgelenke. Sophia wimmerte und um nicht hilflos in der Luft zu hängen, musste sie auf Zehenspitzen stehen, damit sie den Boden noch berührte.
"Nun sag mir, wo ist Isabelle?", fragte Lord Cortens. Doch Sophia antwortete nicht. Selbst wenn sie es wüsste, würde sie nichts sagen. Das Gesicht von Cortens verfinsterte sich und Sophia schrie erschrocken auf, als er begann an ihrer Kleidung zu zerren. Der Stoff riss unter lautem Reißen und flog in fetzten gerissen zu Boden. Nackt hing sie an den Ketten und weinte, fürchtend, dass er sie vergewaltigen würde.
Lord Cortens musterte sie und schien zufrieden, mit dem, was er sah.
"Du bist sogar noch wohlgeformter als Isabelle, ich gestehe, das gefällt mir", sagte er, löste sich dann aber rasch von ihrem Anblick und wandte sich dem Tisch zu. Sophia erschauderte als er die Peitsche an sich nahm.
"Sag mir, wo Isabelle ist", verlangte er. Doch Sophia schweig weiterhin. Mit grimmiger Mimik verschwand er aus ihrer Sicht als er hinter sie lief. Sophia schloss ihre Augen und versuchte Ruhe zu bewahren. Doch dann entfuhr ihr ein lauter Schrei als er die Peitsche knallte und auf ihren Rücken schlug.
"Wo ist sie?", rief er. Sophia schluchzte und wimmerte, schwieg aber weiter. Zur Strafe schlug er noch einmal mit der Peitsche zu und der Schmerz raubte ihr beinahe die Sinne.
"Sag es mir und ich werde vielleicht etwas Gnade walten lassen", meinte Cortens.
"Ich weiß nicht, wo sie ist, selbst wenn ich es wüsste, ich sage es euch nicht", antwortete Sophia unter Schluchzen. Wütend schlug er noch einmal mit der Peitsche zu. Dann noch einmal und noch einmal. Seine Brutalität kannte keine Grenzen und beim nächsten Schlag verlor Sophia, gepeinigt vom Schmerz, ihre Besinnung.

Etwas Feuchtes berührte Sophia und sie schreckte aus ihrer Ohnmacht empor. Noch immer hing sie in den Ketten. Sie hatte jegliches Gefühl in ihren Armen verloren und ihr Rücken schmerzte fürchterlich. Lord Cortens war verschwunden. Erneut berührte sie etwas Feuchtes und Sophia erkannte, dass es ein Tuch war. Sanft wanderte es über ihre Wunden am Rücken und als Sophia ihren Kopf neigte, um hinter sich zu spähen, entdeckte sie Tanja.
Die Rothaarige hielt in ihrem Tun inne und schenkte ihr ein trauriges Lächeln. Sophia wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, sie zu sehen. Sie traute niemanden mehr in diesem Haus. Doch sie war Tanja dankbar, dass diese sich um ihre Verletzungen kümmerte. Mit einem schweren Seufzen legte Tanja das Tuch beiseite und trat vor Sophia.
"Ich habe jeden Tag gebetet, dass er dich nicht erwischt", sagte sie und meinte flüsternd, dass alles ihre Schuld sei und dass sie Sophia niemals hätte erzählen dürfen, was in diesem Hause vor sich ging. Es wurde deutlich, dass sie Schuldgefühle hatte.
"Auch ohne dich, wäre ich gewiss irgendwann dahintergekommen", sagte Sophia und wollte der rothaarigen keine Schuld geben. Tanja schenkte ihr einen traurigen Blick. Sophia spürte, dass Tanja ihr Wohlgesinnt war und bat sie, ihr zu helfen.
"Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Cortens lässt diesen Raum bewachen, zwei Männer stehen vor der Tür", sagte Tanja.
"Dann befreie mich wenigstens von den Fesseln", bat Sophia und sah zu dem Tisch. Wenn es sein musste, würde sie sich mit dem dortigen Dolch bewaffnen und Cortens töten. Sie war zu allem bereit, um diesem Mistkerl zu entkommen. Auch, wenn sie zu einer Mörderin werden musste. Egal was es kostete, sie musste zurück zu Cole, der, da war sie sich sicher, noch immer verzweifelt nach ihr suchte. Sie musste ihn vor Johnson warnen. Tanja schüttelte den Kopf und erklärte, dass Cortens den Schlüssel habe, um die Eisenringe zu öffnen. Sophia fluchte, ihr war völlig entgangen, dass die Ringe ein Schloss hatten.
"Mach dich auf das schlimmste gefasst. Die letzten Wochen waren wirklich schrecklich. Lord Cortens wird nicht aufhören, nach Isabelle zu suchen, um sie zu töten. Und was dich betrifft, er wird dich zu seinem neuen Spielzeug machen. Er wird dich nicht töten, noch nicht. Aber glaube mir, der Tod wäre besser", warnte Tanja.
"Warum nur, unternimmt niemand etwas gegen dieses Scheusal", schluchzte Sophia.
"Weil er zu viel Macht hat. Ich hörte, wie er und seine Frau über einen König sprachen. Er herrscht über Alteristan, aber ich habe keine Ahnung, wo dieses Land liegt. Jedenfalls, stehen sie unter dem Schutz dieses Königs und müssen keine Konsequenzen für ihr Handeln fürchten", erklärte Tanja und Sophia hatte noch nie etwas von diesem Königreich gehört.
"Und Lady Cortens? Ich verstehe einfach nicht, wie sie all das dulden kann", meinte Sophia.
"Ach, wie du weißt, ist die blöde Hexe doch genau wie er. Vor einigen Tagen ist sie abgereist, nachdem sie einen Brief erhielt. Doch selbst wenn sie hier wäre, würde sie vermutlich an der Seite ihres Mannes stehen und dich quälen", sagte Tanja und eilte zum Bett, wo ein kleiner Hocker stand. Diesen holte sie und half Sophia, sich daraufzustellen. Die erhöhte Position gab ihr einen besseren Stand und löste etwas die Anspannung in ihren Armen. Sophia wollte noch nicht aufgeben. Cole zuliebe, durfte sie nicht verzweifeln.
"Wie viele von Barrymores Männern sind hier?", fragte Sophia.
"Barrymore?".
"Ich sah einige seiner Männer unten in der Stube", meinte Sophia.
"Ich weiß nicht, wer Barrymore ist. Aber du redest wohl von diesen Halunken, die vor einigen Tagen hier ankamen. Ich war ganz schön erschrocken, dreißig habe ich gezählt und Cortens hat diese Männer sofort in seine Dienste aufgenommen", erklärte Tanja und Sophia fluchte. Selbst wenn es ihr gelänge, sich aus den Fesseln zu befreien, wie sollte ihr eine Flucht gelingen, wenn, neben Cortens, dreißig Mann außerhalb des Zimmers lauerten?
Erschrocken horchten sie und Tanja auf, als man vom Flure her, die Stimme von Cortens hörte. Mit harschen Worten scheuchte er die Wachen davon, ehe er den Raum betrat.
"Hinfort mit dir", schrie er Tanja an und sie huschte gehorchend aus dem Raum. Wuchtig knallte Cortens die Tür hinter ihr zu. Dann kam er zu Sophia und trat ihr den Hocker unter den Füßen weg. Sie keuchte vor Schmerz auf als ihr Körper nun wieder wie ein nasser Sack an den Ketten hing. Sophia wimmerte als er dann die Peitsche an sich nahm.
"Wo genau waren wir stehen geblieben?", fragte er und grinste Höhnisch als Sophia ihm erschrocken entgegen blickte.




Des Piraten liebster SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt