Sophia konnte nicht anders als wilde Verwünschungen von sich zu geben, während sie am Boden kniete und versuchte die dreckigen, mit Schlamm befleckten Fußspuren zu entfernen. Irgendjemand, war mit seinen dreckigen Stiefeln über den nur wenige Stunden zuvor geputzten Fußboden gelaufen. Es war sehr ärgerlich, denn auf sie wartete noch genug Arbeit. Seit einigen Tagen arbeitete sie für das adelige Ehepaar Cortens und gerade fand in diesem Hause ein prächtiger Ball statt. Natürlich gab es daher Wichtigeres zu tun, als den Boden zu putzen, - doch so dreckig lassen, konnte sie ihn auch nicht.
Entnervt warf sie den Lappen in den Eimer neben sich und rieb sich ihren schmerzenden Rücken. Es wäre gelogen, wenn sie behauptete, die jenen, die unten im Ballsaal tanzten und schmackhaft speisten, nicht zu beneiden. Ausgelassen zu feiern, schöne Kleider zu tragen und gutes Essen zu verspeisen, war etwas, das sie nicht kannte. Schon in jungen Jahren hatte sie ihr Geld als Magd verdient und allmählich war sie es leid, anderen gehörig zu sein. Doch sie verdiente einigermaßen gut und Mägde wurden immer gebraucht. Ihr größer Wunsch war es, eines Tages sesshaft zu werden, irgendwo auf dem Land, mit einem schönen Haus, einem treuen Ehemann und süßen Kindern. Doch inzwischen befürchtete sie, das es auf ewig ein unerfüllter Wunsch bleiben würde. Erschrocken fuhr sie auf, als sie jemanden ihren Namen rufen hörte. Kurz darauf kam die ältere und ziemlich rundliche Margarete um die Ecke. Sie hatte unter dem Personal den höchsten Rang und arbeitete von allen schon am längsten für die Cortens. Sophia hatte mit ihr keine Probleme, die ältere war stets freundlich und wurde nur streng, wenn ihr gegenüber, es verdiente. Margarete ließ ihren Blick rasch über die dreckigen Spuren am Boden gleiten und seufzte schwer. Innerlich verfluchte sie den Schmutzfink wohl genauso sehr, wie Sophia es tat.
"Die Betten im Ostflügel müssen noch dringend bezogen werden, bitte hilf mir dabei, um den Boden wird sich jemand anderes kümmern", meinte die Ältere und Sophia nickte, froh darüber, das der Flur nicht mehr ihr Problem war.
"Während ich mich um einen Ersatz kümmere, gehe du doch bitte in die Wäscherei. Tanja müsste mit der frischen Bettwäsche fertig sein", bat die ältere und Sophie eilte gehorchend davon. Als sie kurz darauf die Wäscherei betrat, war die rothaarige Tanja gerade dabei, das letzte saubere Laken auf den Stapel mit der restlichen Wäsche zu legen. Erschöpft fuhr sie sich dann über die Stirn, ehe sie Sophia bemerkte.
"Ich hoffe, die Gäste begeben sich bald zu Bett, denn erst, wenn sie ruhen, können auch wir rasten", meinte Tanja und seufzte schwer. Sophia nickte, auch sie hoffte, bald in ihre kleine Kammer mit der alten Liege zurückkehren zu können.
"Ich hasse diesen Ort, doch bald bin ich hier weg. Ein wenig muss ich noch sparen", sagte die Rothaarige und es war kein Geheimnis, dass sie die Cortens hasste. Schon des Öfteren hatte Sophia ihren Geschichten über das Ehepaar lauschen müssen. Tanja dramatisierte alles gerne und laut ihr waren die Cortens in Wahrheit so etwas wie Ungeheuer. Sophia hatte noch nicht in Erfahrung bringen können, ob die Cortens wirklich so schrecklich waren. Bisher waren ihre Arbeiten immer abseits des Paares vonstattengegangen. Da Tanja jedoch die einzige zu sein schien, die in den Cortens böses sah, war sich Sophia sicher, dass sie übertrieb. Alle anderen hatten mit dem Paar keine Probleme.
"Was wirst du tun, wenn du genug gespart hast?", fragte Sophia."Ich möchte gerne in irgendeinem Theater arbeiten. Doch es ist nicht leicht und ich brauche genug Kapital", antwortete Tanja und Sophia wünschte ihr viel Glück.
"Und was genau wirst du tun? Ich meine, willst du ewig als Magd arbeiten?", fragte Tanja.
"Ich würde mich gerne irgendwo auf dem Land niederlassen, einen guten Mann haben und viele süße Kinder", gestand Sophia und errötete als Tanja lachte.
"Dann wünsche ich dir viel Glück", sagte die Rothaarige und reichte ihr den Wäschestapel. Rasch machte sich Sophia damit auf den Weg zum Ostflügel. Doch das Erklimmen der großen Treppe entpuppte sich als schwierig, da sie dank der ganzen Wäsche nicht sah, was vor ihr war. Trotz mehrmaligem Stolpern erreichte sie unbeschadet die oberen Flure. Doch dort versperrte ihr unerwartet etwas den Weg. Der Zusammenstoß kam überraschend und heftig. Keuchend stolperte sie rückwärts und suchte instinktiv mit den Armen rudernd nach Halt. Es funktionierte, sie konnte sich vor einem Sturz bewahren, die Wäsche jedoch, lag nun auf dem Boden verstreut. Ein heftiger Fluch entfloh ihr, einer, den man niemals aus dem Munde einer Frau erwarten würde. Hastig kniete sie sich nieder und sammelte die Wäsche auf. Zu ihrem großen Glück waren keine Flecken zu erblicken. Fein säuberlich faltete sie alles zusammen, ehe sie ihren Blick hob, um zu erfahren, wogegen sie gelaufen war. Ihre Augen weiteten sich, als sie keinen Gegenstand, sondern einen Mann erblickte. Großgewachsen stand er vor ihr und betrachtete sie mit prüfenden Blicken. Seiner feinen Kleidung nach, gehörte er wohl zu den Gästen der Cortens. Es war erschreckend, wie groß er war und wie kräftig gebaut. Sie schätzte ihn in den dreißigern und er war verdammt nochmal sehr Attraktiv. Sophia spürte, wie ihr Herz sogleich einige Takte schneller schlug. Eine wilde und verwegene Aura umgab ihn, eine, die gar nicht zu seinem feinen Äußeren passte. Mit seinen Augen, die eine strahlend grüne Farbe hatten, sog er jegliches Detail von ihr in sich auf. Schüchtern senkte sie ihren Blick und verstand nicht, warum ihr Körper so plötzlich verrückt spielte. Als ihr Blick dabei auf seine Stiefel fiel, sah sie, das diese mit Schlamm verschmiert waren. Verärgert fuhren ihre Augenbrauen in die Höhe, ha, er war also der Schmutzfink. Es war wirklich zu schade, das er zum Adel gehörte und sie ihrem Ärger keinen freien Lauf lassen durfte.
"Verzeiht mir mein Ungeschick", bat sie, so höflich wie möglich.
"Schon in Ordnung, mit solch einen Berg an Wäsche vor deiner entzückenden Nase, konntest du mich auch kaum sehen", sagte er und seine Stimme klang kräftig. Sophia erschauderte und fragte sich, ob er ihre Nase gerade wirklich als entzückend bezeichnet hatte.
"Ich hätte dennoch vorsichtiger sein müssen", erwiderte sie etwas irritiert und machte einen Knicks. Diesen beherrschte sie perfekt, denn sie vollführte ihn unzählige Male am Tag. Als sie es wagte, zu ihm zu schauen, lächelte er und wirkte ziemlich interessiert an ihr. Sophia war sich sicher, das sie sich dies einbildete, denn ihr war klar, wie schrecklich sie aussehen musste. Sie trug alte und verschlissene Kleider und ihre Haare waren ziemlich unordentlich.
"Brauchen sie Hilfe?", fragte er, als sie sich rasch der Wäsche zuwandte.
"Nein, das ist nicht nötig. Sicherlich vermisst man euch schon auf den Ball und es wäre eine Schande, wenn ich die Hilfe eines edlen Herrn annehme und seine Zeit verschwende", sagte sie und innerlich hatte sie das Gefühl sich gleich erbrechen zu müssen. Sie hasste es, dem Adel stets Honig um das Maul zu schmieren.
"Bälle langweilen mich", sagte er.
"Dennoch kann ich eure Hilfe nicht annehmen, gehabt euch wohl", sagte sie, nahm den Stapel an sich und suchte hastig das Weite. Erst als sie den Ostflügel erreichte, hielt sie inne und versuchte sich zu beruhigen. So heftig hatte sie noch nie auf einen Mann reagiert. Wer war er wohl? Sophia erstarrte, als sie schwere Schritte hinter sich hörte.
"Kann ich ihnen behilflich sein?", fragte sie als sie sich herumdrehte und sich dem Mann wieder gegenüber sah. Er war ihr doch tatsächlich gefolgt!
"Lasst euch von mir nicht stören. Ich genieße nur die Schönheit, die sich mir hier bietet", sagte er und seine Blicke drohten sie zu verschlingen.
"Ja, das Haus ist wirklich schön", murmelte sie.
"Noch schöner aber die hier anwesenden Damen", erwiderte er und zwinkerte ihr zu. Verwirrt fragte sie sich, ob er gerade versuchte, mit ihr zu flirten. Das konnte aber unmöglich sein, oder etwa doch?
"Sicher, die Damen auf dem Ball sind schön", nuschelte sie.
"Dummerchen, ich rede von dir", sagte er und lachte. Erschrocken sah sie ihn an. Er fand sie schön? Moment, hatte er sie gerade Dummerchen genannt? Wie konnte er es wagen!
"Wie ist dein Name?", fragte er.
"Sophia", antwortete sie und er suchte den Augenkontakt mit ihr. Sie hatte Mühe, diesem standzuhalten und die Luft zwischen ihnen wirkte plötzlich hitzig. Was war das nur für eine komische Atmosphäre zwischen ihnen und warum sah er sie so sonderbar an? Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, verstummte jedoch, als ein merkwürdiges Zwitschern von draußen durch eines der offenstehenden Fenster drang. Der Mann zuckte zusammen und sein Lächeln erlosch.
"Schade, ich muss nun leider gehen, meine Pflichten rufen nach mir", sagte er und trat zu ihrem Schrecken näher an sie heran.
"Ich weiß schon jetzt, das ich deine blauen Augen niemals vergessen werde", flüsterte er und beugte sich etwas zu ihr, sodass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte.
"Wenn das Schicksal uns hold ist, werden wir uns wiedersehen. Aber lass mich dir noch einen Rat geben. Verlasse in den nächsten Minuten nicht dieses Stockwerk", sagte er und entfernte sich dann ruckartig und eilte aus ihrem Blickfeld. Verwirrt sah sie ihm hinterher und irgendwie hinterließ er eine gewisse Leere in ihr. Eine Zeitlang stand sie da, ehe sie sich einen Ruck gab und nach Margarete suchte. Sie fand sie in einem der Gästezimmer.
"Da bist du ja endlich, warum hast du so lange gebraucht?", fragte die ältere. Während Sophia mit ihr zusammen das Bett bezog, erzählte sie von dem Mann. Sie berichtete, das er der Schmutzfink sei, verschwieg jedoch die Tatsache, dass er mit ihr geflirtet hatte.
"Vermutlich hat sich der Herr verlaufen", meinte Margarete und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Musik, die dumpf von unten zu ihnen drang. Sophia ertappte sich dabei, wie sie die Klänge nach summte. Margarete lächelte. Doch dann krachte und poltere es plötzlich im ganzen Haus. Türen wurden eingetreten und Fenster eingeschlagen. Schreie erklangen und sogar ein Schuss war zu hören. Sophia erstarrte vor Schreck und lauschte den Rufen, die durch das Haus hallten. Alles deutete darauf hin, dass das Haus der Cortens gerade Opfer eines Überfalls wurde. In den letzten Wochen war es schon öfters zu Überfällen auf die Häuser des Adels gekommen.
"Du willst doch nicht darunter oder?", rief Sophia als die ältere zur Tür lief.
"Natürlich nicht, ich hänge an meinem Leben. Doch ich will wissen, ob die Schurken nach oben kommen", meinte Margarete, öffnete die Tür und spähte prüfend in den Flur hinaus. Sophia gesellte sich zu ihr und lauschte. Mehrere Männer brüllten Befehle, die den Adel dazu aufforderten, ihre Wertsachen abzugeben. Doch offensichtlich hatten die Räuber kein Interesse daran, das restliche Haus unsicher zu machen. Sophia dachte an den Schmutzfink, war es Zufall, das er gesagt hatte, sie solle oben bleiben? Hatte er von dem Überfall gewusst? Nein, das konnte nicht sein, - oder etwa doch? Sie riss sich aus diesen Gedanken los als weitere Schüsse knallten und nach weiteren schlagen der Türen, Stille einkehrte.
"Scheint, als wären sie so schnell wieder weg, wie sie gekommen sind", murmelte Margarete und trat in den Flur hinaus. Sophia folgte ihr und als sie aus eines der Fenster spähten, sahen sie im Dunkeln eine Gruppe von Reitern, die nun hastig in der Ferne verschwanden. Empörte Rufe waren nun im Haus zu hören und Margarete eilte nach unten. Sophia zögerte eine Weile ehe sie ihr folgte. Als sie die Eingangshalle erreichte, sah sie, wie der Adel aus dem Ballsaal strömte. Einige Frauen schluchzten, während die Männer fluchten. Sophia entdeckte Tanja am Fuße der Treppe und ging zu ihr.
"Banditen haben den Ballsaal gestürmt und alle ausgeraubt", sagte die Rothaarige und der Schrecken stand ihr ins Gesicht geschrieben.
"Gab es Verletzte oder gar Tote?", fragte Margarete, die nun ebenfalls zu ihnen kam. Tanja verneinte und erklärte, das nur Schmuck und irgendwelcher Papierkram von Lord Cortens gestohlen worden sei. Sophia war froh, dass es kein Blutbad gegeben hatte und beobachtete, wie die Cortens versuchten ihre Gäste zu beruhigen.
"Nie wieder werde ich dieses Haus betreten", kreischte eine ältere Dame und es war offensichtlich, dass die Cortens an allem die Schuld bekamen. Sophia fand es ungerecht, den sie konnten beim besten Willen nichts für diesen Überfall. Doch der Adel war von Scham und verletzten Stolz gepeinigt und brauchte jemanden, an dem er seinen Frust ablassen konnte. Schneller als man gucken konnte, rauschten die Gäste davon. Tanja seufzte schwer und war der Meinung, das sie diesen Schlamassel in den nächsten Tagen zu spüren bekommen werden. Sophia nickte und fürchtete, das die rothaarige damit recht haben würde.
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Des Piraten liebster Schatz
Roman d'amourSophia arbeitet erst seit kurzem im Hause der Cortens als Dienstmagd und begreift viel zu spät, dass das adelige Ehepaar finstere Geheimnisse hütet. Bald schon kommt es Schlag auf Schlag und sie wird unrechtmäßig zu einer Verbrecherin erklärt, nach...