* Kapitel 21 *

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Wie sich herausstellte, war die Insel der Piraten genauso, wie man es beschrieben hatte. Peccati war von gefährlich aussehenden Klippen umrandet und ein Sturz von dort wäre gewiss tödlich. Auch waren in gewissen Abständen mehrere Geschütztürme zu erblicken, die in Sophia ein mulmiges Gefühl auslösten. Schon aus der Ferne wirkte alles bedrohlich. Doch umso näher sie jenem Ort kamen, umso mehr entdeckte Sophia auch schönere Dinge. Peccati war trächtig an Natur. Hier und dort lichtete sich das saftig grüne Blätterwerk der dichten Wälder und gab den Anblick auf Felder frei, die eindeutig von Menschenhand geschaffen waren. Es war aus der Entfernung nicht möglich zu erkennen, was dort angebaut wurde, doch die Piraten schienen ohne Zweifel Ackerbau zu betreiben.
Sophia sog den Anblick mit gemischten Gefühlen in sich auf und hielt dabei die Reling so fest umklammert, dass ihre Finger bereits krampften. Nach einiger Zeit löste sie sich von ihrer Position und sah sich auf dem Deck um. Die Crew war in hellster Aufregung, sie schienen sich sehr auf ihre Heimat zu freuen. Sophia kam der Gedanke, dass einige von ihnen hier Familie hatten und es musste ein schönes Gefühl sein zu wissen, dass jemand auf einen wartete. Mit einer gewissen Wehmut bei diesem Gedanken, richtete sich ihre Aufmerksamkeit nun auf Ben und Isabelle, die gerade das Deck betraten. Die beiden warfen sich immer wieder verstohlene, beinahe glühende Blicke zu. Etwas verlegen fragte sich Sophia, ob sie Cole dieselben Blicke schenkte. Bei dem Gedanken an ihn sah sie sich suchend um. Sie entdeckte ihn nicht weit von ihr, wo er gerade in ein Gespräch mit Adrian vertieft war. Die beiden gingen offensichtlich sorgsam eine Liste durch, die der alte bei sich trug. Da sie immer wieder zu den Truhen und Kisten sahen, die einige Männer an Deck trugen, überprüften sie wohl jene Güter, die an Land gehen sollten. Stirnrunzelnd spähte Sophia nun zu den Truhen. War das etwa Diebesgut? Waren darin Schätze, die, die Piraten gestohlen hatten? Die Neugier darüber, was sich in den Truhen und Kisten befand, war groß. Sie überlegte sogar, einfach eine der Truhen zu öffnen, doch da nahm sie Geräusche wahr, die sie dazu veranlassten, wieder zur Insel zu sehen.
Die schwarze Lady hatte ihr Ziel erreicht und fuhr gerade eine Anlegestelle am Hafen an. Sophia wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Der Hafen war monströs und überall waren Schiffe, große und kleine. Einige ankerten etwas abseits, während andere genau wie die schwarze Lady an den Anlegestellen haltgemacht hatten. Eines dieser Schiffe kam Sophia irgendwie bekannt vor, sicher war sie sich, es schon einmal gesehen zu haben, aber ihr wollte nicht einfallen wo. Es löste jedoch ein ungutes Gefühl in ihr aus, was sich verstärkte, als sie zu den vielen Menschen spähte, die sich am Hafen tummelten. Es waren viele, so erschreckend viele, dass sie im ersten Moment nur eine sich bewegende Masse aus Leibern sah. Doch dann erkannte sie Männer und Frauen in allen Altersklassen. Ebenso wurde erkennbar, dass die, wo hier lebten, untereinander so verschieden wie Tag und Nacht waren. Während manche teure Stoffe trugen, waren andere in Lumpen gehüllt. Dann bemerkte Sophia mit Sorge, dass jeder einzelne, selbst die Frauen, gut sichtbar bewaffnet war. Dies machte ihr deutlich, dass dieser Ort keine Sicherheit versprach, auch wenn Cole etwas anderes behauptet hatte. Während ihr Körper wie erstarrt schien, flog ihr Blick umher, um alles genauestens zu erforschen. So entging ihr, wie das Schiff festmachte und viele der Crew das Schiff verließen. Erst als Cole an ihre Seite trat, wurde sie sich gewahr, wie leer das Schiff geworden, war.
"Ich will nicht hier sein", sagte sie ihm ohne Umschweife.
"Isabelle hat mit Ben bereits das Schiff verlassen", sagte er und tat tatsächlich so, als hätte er ihre Worte eben nicht gehört. Sophia beließ es dabei und war von Isabelle enttäuscht. Wieso war diese ohne sie gegangen?
"Lass uns gehen", sagte Cole, doch sie rührte sich nicht. Von deutlicher Ungeduld ergriffen, nahm er ihre Hand in die seine und zog sie mit sich. Sophia ließ dies zu und konnte kaum den Blick von ihren verschlungenen Händen nehmen. Irgendwie war es irritierend, wie groß seine Hand im Gegensatz zu der ihren war und noch verwirrender waren die Gefühle in ihr. Bevor sie das Schiff verließen, hielt Cole inne und warf ihr einen mahnenden Blick zu.
"Du wirst nun nicht von meiner Seite weichen. Hier gibt es nicht nur Freunde, sondern auch Feinde und ich habe bereits einige unliebsame Gesichter erspäht", sagte er und spürte, wie sie zu zittern begann. Seine Hand drückte sanft die ihre, ehe er sie vom Schiff zog und sich mit ihr in die Menge am Hafen begab. Sophia versuchte eifrig, mit ihm Schritt zu halten. Das Gedränge war unangenehm, ständig schubste jemand und es war verdammt laut. Sophia entging nicht, wie einige Cole freundlich grüßten, während andere ihn ansahen, als würden sie ihn liebend gerne hängen sehen. Nicht wenige wirkten gar verängstigt, als sie ihn erkannten. Die Meinungen der hier Lebenden waren über ihn wohl ziemlich gespalten. Sophia drängte sich noch näher an Cole heran, so nahe, dass sie ihm fast am Rücken klebte. Er erschien ihr in dieser Masse aus fremden Menschen der einzige Rettungsanker zu sein und sie fragte sich, ob die gesamte Insel so überlaufen war. Dann endlich verließen sie das Gebiet am Hafen und zu ihrer Erleichterung löste sich die Menge etwas auf.
"Da haben wir keinen guten Zeitpunkt für unsere Ankunft erwischt. In der Regel ist es hier nicht so voll, aber heute ist der große Markt und da ist es immer sehr überlaufen. Außerdem scheinen wir nicht die einzigen zu sein, die heute heimgekehrt sind", meinte Cole und da er recht entspannt wirkte, begann auch Sophia sich etwas zu lockern. Kurz blieb er stehen und sah sich suchend um, ehe er sie weiterzog und, wie sie feststellte, auf eine große Stallung zuführte. Als sie diese erreichten konnte sie einen Blick auf mehrere Pferde erhaschen die hier unterstanden. Zu ihrer Überraschung erspähte sie auch den alten Adrian. Wann hatte er das Schiff verlassen und warum war er hier? Cole führte sie zu ihm und nahm von Adrian die Zügel eines schwarzen Hengstes entgegen. Sophia war sich sogleich bewusst, dass dies nicht irgendein Tier war, da es offensichtlich eine gewisse Bindung mit Cole hatte. Das Pferd schnaubte und rieb seinen Kopf an Cole, während dieser dem Hengst mit einem Lächeln den Hals tätschelte. War dies etwa sein Pferd? Hatte es hier auf die Rückkehr seines Herrn gewartet? Sophia mochte Pferde nicht besonders, fand aber, dass der Hengst wunderschön war. Dieses Tier war genau wie Cole, faszinierend, aber irgendwie auch beängstigend. Cole löste sich nun von ihr und sie sah dabei zu, wie er sich schwungvoll in den Sattel zog. Sie musste zugeben, die beiden boten ein herrliches Bild zusammen. Rasch machte sie einige Schritte rückwärts, als Cole ihr seine Hand reichte und ihr damit klarmachte, dass sie mit ihm reiten sollte. Abwehrend hob sie ihre Hände empor.
"Nein danke, ich finde Pferde schön, aber auf ihnen reiten will ich nicht", sagte sie, doch da lenkte Cole das Pferd neben sie, beugte sich etwas zu ihr und ergriff sie mit einem Arm. Bevor Sophia auch nur protestieren konnte, landete sie vor ihm auf dem Gaul. Sie wusste nicht, was erschreckender war, die Tatsache auf diesem Vieh zu sitzen oder die, dass sie Cole nun verdammt nahe war und ihm beinahe auf dem Schoß saß. Sophia bemerkte nicht das Zucken seiner Mundwinkel und klammerte sich an der Mähne des Tieres fest, als Cole das Tier durch die Straßen der am Hafen liegenden Stadt lenkte. Mit angespannter Miene und hoffend, dass dieser Ritt schnell vorbei sein würde, versuchte sie sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Die Häuser um sie herum bezeugten anhand ihres Äußeren, wie gut betucht der jeweilige Bewohner war. Zwischen mittelmäßigen Häusern gab es wahre Bruchhütten, während immer wieder prachtvollere Häuser zu erspähen waren. Es wirkte wie zufällig zusammen gewürfelt. Eine gewisse Erleichterung erfüllte Sophia, als sie die Stadt verließen und abwechselnd entlang dichter Wälder und Felder ritten. Bei letzterem sah man des Öfteren fleißige Arbeiter, die sich um die Ernte mühten. Doch noch immer konnte Sophia nicht erkennen, was genau hier angebaut wurde. Allerdings wirkte es hier erstaunlich friedlich, was im krassen Gegenteil zu der Tatsache stand, dass Cole sehr angespannt wirkte. Sein Verhalten ließ sie wissen, dass es hier nicht sicher war.
"Ich stelle fest, dass du mich angelogen hast", sagte sie.
"Was genau meinst du damit?".
"Du hast letztes gesagt, ich wäre hier sicher".
"Das bist du auch", sagte er.
"Vorhin hast du gesagt, die Stadt sei gefährlich und gerade bist du ganz eindeutig angespannt", erwiderte sie und warf ihm einen verärgerten Blick zu.
"Das mag sein, aber dennoch bist du sicher".
"Wirklich?".
"Natürlich, denn ich bin bei dir", sagte er und obwohl sie gerne etwas erwidert hätte, ließ sie es lieber sein und fand im Stillen, dass er ganz schön großkotzig sein konnte. Unzählige Minuten später, die sie schweigend verbracht hatten, spürte Sophia, wie sich Cole entspannte und als sie einen Blick zu ihm riskierte, sah sie ihn lächeln.
"Du kannst dich nun beruhigen, wir haben gerade die Grenze zu meinem Land passiert", sagte er und sogleich sah sich Sophia rasch um. Es gab nichts besonders zu entdecken, außer dichtes Grün und tiefe Wälder. Sie hatte sich sein Heim anders vorgestellt, zumindest hatte sie ein Haus erwartet. Lebte er etwa in den Wäldern wie ein Wilder? Bei dieser Vorstellung musste sie kurz lachen, was ihr einen schiefen Blick von Cole bescherte. Nach einigen weiteren Minuten lichtete sich der dichte Wald und Sophia klappte die Kinnlade hinab, als sie ein gewaltiges Haus entdeckte. Nun ja, Haus, war eigentlich das falsche Wort dafür, es war ein Anwesen, das selbst das der Cortens in den Schatten stellte. Es hatte mehrere Stockwerke und zwei rundliche Türme. Nicht weit davon war eine große Stallung zu erblicken und dahinter eine weitläufige Weide, auf der sich unzählige Pferde tummelten. Der Anblick machte Sophia deutlich, wie reich Cole war und es war erschreckend, da sie ahnte, dass all dies von jenen finanziert wurde, die Cole mit seiner Crew ausgeraubt hatte. An einem offen stehenden Fenster entdeckte sie eine Frau, die gerade eine Decke ausschüttelte und sah damit ihre Vermutung bestätigt, dass Cole sogar bedienstete hatte. Als er seinen Hengst vor dem Haus zum Stehen brachte, flog die Tür im hohen Bogen auf und eine ganze Schar an Leuten stürmten ihnen entgegen. Rasch stieg Cole vom Pferd und ließ die überschwängliche Begrüßung über sich ergehen, während Sophia es nicht wagte, alleine vom Pferd zu steigen. Einige von den Männern waren wohl Piraten wie er, vermutlich ein Teil der Crew, die in der Heimat zurückgeblieben waren. Die anderen waren eindeutig bedienstete, darauf wiesen jedenfalls ihre Kleider hin. Sie wirkten gut genährt und ihre Arbeitskleidung wirkte auch ordentlich und sauber, was Sophia wissen ließ, dass sich Cole anständig um sein Personal kümmerte. Das beruhigte sie, denn es bezeugte, dass er kein grausamer Herr war. Dann wurde sich Sophia der jungen Frau gewahr, die in einem erschreckend feinen Kleid zu ihnen kam. Mit federnden Schritten und stolz erhobenen Hauptes. Ihr schwarzes Haar war zu einer schicken Frisur gesteckt und an ihren Ohren baumelten funkelnde Ohrringe. Schon länger hatte Sophia nicht mehr solch eine elegante Dame gesehen und irgendetwas in ihr krampfte sich zusammen, als sie sah, wie die Bediensteten ihr rasch Platz machten. Als sie Cole erreichte, legte er einen Blick auf, den Sophia nicht deuten konnte.
"Ich habe deine Rückkehr voller Sehnsucht erwartet", sagte die Frau und Sophia entglitten die Gesichtszüge, als sie sich gegen Cole schmiegte und mit ihren hübsch manikürten Fingern über seine Wange streichelte. Die Gedanken von Sophia begannen sich bei diesem Anblick zu überschlagen, während es in ihrem Herz schmerzhaft stach. War das seine Geliebte, vielleicht sogar seine Frau? War Sophia einer Lüge erlegen, waren die Nettigkeiten von Cole nur gespielt gewesen? Hatte er sie vielleicht sogar mit Absicht hierher gelockt, weil er genau wusste, dass sie ihm hier nicht mehr entfliehen konnte? Hatte er am Ende sogar etwas Böses mit ihr vor? Würde er sie doch an Cortens ausliefern und die reiche Belohnung einsacken? Sophia drohte in Panik zu verfallen, sie stellte sich das schlimmste des schlimmsten vor. Der Anblick der feinen Dame war kaum zu ertragen. Dass sie einen hohen Rang hatte, war nicht zu übersehen und die Art und Weise wie sie sich Cole gegenüber verhielt, verriet, dass da etwas war. Sophia hätte beinahe geweint, während sie daran dachte, wie dumm sie doch gewesen war, auch nur einen kurzen Moment zu hoffen, dass sie Cole etwas bedeutete. Gekränkt und von Eifersucht befallen, spielte sie mit dem Gedanken, das Pferd zur Flucht zu nutzen. Doch da stieß Cole die Frau recht unsanft von sich und wandte sich an Sophia. Bevor diese etwas tun konnte, packte er ihre Hüften und hob sie aus dem Sattel. Nun, wo sie wieder festen Boden unter ihren Füßen hatten, begann sich Sophia etwas zu beruhigen, konnte aber nicht umhin Cole, mit finsteren und vorwurfsvollen Blicken zu erdolchen, die er durchaus bemerkte und die ihm einen fragenden Blick entlockten. "Warum hast du mich hierher gebracht, was willst du eigentlich von mir? Ganz offensichtlich hast du eine Frau", sagte sie und sichtlich verdutzt sah er sie an, ehe er zu der Dame blickte und dann wieder zu Sophia.
"Ah verstehe, nein, du irrst dich", sagte er dann.
"Wer genau ist diese Frau?", fragte die feine Dame nun und betrachtete Sophia mit deutlichem Missfallen. Die Schar um sie herum begann aufgeregt zu tuscheln und stellten sich wohl dieselbe Frage. Cole vollführte einen raschen Handwink und wie aufgeschreckt eilte die Dienerschaft in alle Richtungen davon. Nur die Dame blieb, wo sie war und traktierte Sophia mit forschenden Blicken.
"Jetzt sag mir nicht, dass das schon wieder eine neue Gespielin ist", sagte die Dame und Sophia zuckte zusammen. Gespielin, sie? Was zum Geier soll das heißen, schon wieder eine neue? Cole war deutlich ein leichtes Frösteln anzusehen, als er den tödlichen Seitenblick von Sophia bemerkte, doch rasch ignorierte er dies und sah die Dame ernst an.
"Anja, wenn ich vorstellen darf, das ist Sophia und ich verbiete dir, dass du sie jemals wieder mit diesen leichtfertigen Frauen in Verbindung bringst. Sophia ist keine von ihnen, sie ist einzigartig", sagte er und die Augen der Dame wurden zu schlitzen, während Sophia errötete. Ihr Herz wollte sich kaum mehr beruhigen, hatte er sie wirklich einzigartig genannt?
"Sophia, wenn ich vorstellen darf, das ist Anja. Sie ist weder meine Geliebte, noch meine Frau, auch wenn sie sich wünscht, eines von beiden zu sein", sagte er und Anja war sichtlich pikiert über seine Worte. Sophia konnte nicht umhin, erleichtert auszuatmen.
"Den Rest klären wir später", meinte Cole, nahm Sophia wieder an die Hand und führte sie raschen Schrittes auf das Haus zu.

Des Piraten liebster SchatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt