"nur warum stört mich der Gedanke so, das sie mich wie einen Fremden sieht?"

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Neil:

Wir fuhren nun schon eine ganze Weile.

Ich lasse mir Zeit, weil ich dieses Mädchen einfach bei mir haben will, so lange wie es geht. Sie weiß nicht wohin ich sie bringen möchte, aber ich bin mir sicher, das es ihr gefallen wird. Sehr sogar.

Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, das ihr Kopf zum Fenster geneigt ist, weshalb ich ihr wunderschönes Seitenprofil kurz betrachten kann. Meine Augen wandern über ihre kleine Stupsnase, hin zu ihren vollen Lippen, die rosafarben glänzen.

Im selben Moment dreht sie sich zu mir und ich fühle mich kurz ertappt.

Ich kann sehen, wie ihre Wangen Farbe annehmen und ich kann definitiv die Spannung zwischen uns spüren. Die Funken, die durch die Gegend fliegen, wenn sich unsere Blicke treffen und das Feuer in ihren dunklen Rehaugen.

Ich muss schlucken. In ihrer Nähe wirkt alles andere so bedeutungslos, so verblasst.

„Wo fahren wir hin?", murmelt sie.

„Lass dich überraschen. Sollte es dir nicht gefallen, dann darfst du mir mit dem Kerzenständer von gestern eine überbraten", sage ich mit belustigter Stimme.

Sie lächelt. „Guter Deal."

Als wir an unserem Ziel angekommen sind, mustere ich Nathalie aufmerksam.

Ich entblöße ein zufriedenes Grinsen, als ich an ihren Blicken sehen kann, dass ich ins Schwarz getroffen habe.

„Wow, das ist..es ist so schön hier."

Wir sind auf dem Jahrmarkt. An jeder Ecke stehen ein paar Fastfoodbuden, Schießbuden und Süßigkeitenstände. Der übliche, süßliche Geruch steigt empor. Von Zuckerwatte und Schokofrüchten bis hin zum Shepherd's Pie - ein berühmter schottischer Auflauf - ist hier alles vertreten. Am Rande steht ein kleines Kinderkarussell und ganz am Ende ist ein Riesenrad platziert. Allerdings sind diese Dinge nicht das, was den Jahrmarkt so besonders macht. Es ist der Standort. Direkt neben dem Riesenrad erstreckt sich das Meer, dessen Wasser in großen Wellen an einen imposanten Felsvorsprung gespült werden. Jedes Jahr kommen Leute nur wegen der unglaublichen Kulisse hier her.

„Kannst du das sehen? Ich meine das Meer. Es sieht aus, als wäre es unendlich, als würde danach nichts mehr kommen."

Ich lächle. „Ja, deshalb bin ich mit dir hier hergekommen. Es ist wirklich beeindruckend oder?"

Sie neigt den Kopf verträumt zur Seite. „Ja, das ist es."

Zeit für ein wenig Spaß, denke ich mir und nehme sie bei der Hand. Noch bevor sie überhaupt reagieren kann, ziehe ich sie in die Richtung der Schießbude. Dort angekommen halte ich ihre Hand immer noch. Mein Körper reagiert sofort auf diese Berührung und ein impulsives Pochen fährt durch meine Glieder. Sie sieht mich erschrocken an. Oh nein. Ich habe sie überrumpelt. Schnell versuche ich die Situation wieder zu entschärfen. „Sag mir was du willst und ich werd mich richtig ins Zeug legen, du wirst denken dass ich eigentlich Schießsport betreibe und zwar auf höchstem Niveau, versprochen." Ich zwinkere ihr zu und bin erleichtert als sie anfängt zu prusten.

„Ja klar doch."

Ihr Blick geht über die vielen großen und kleinen Kuscheltiere, den hunderten von Anhängern und anderen Spielzeugen, bis er an einer kleinen Miniatur-Figur hängen bleibt.

„Die hätte ich gerne", sagt sie in einem zaghaften Ton. Der Klang ihrer sanften Stimme löst eine Welle von Wärme in mir aus. Warum ist sie nur so bezaubernd?

Es ist eine kleine Schildkröte.

„Wieso die Schildkröte?", frage ich neugierig.

„Naja, Meeresschildkröten z.B. legen ihre Eier an genau dem selben Strand ab, an dem sie auch selbst geschlüpft sind. Ich finde das irgendwie berührend, du nicht? Außerdem haben sie bereits vor den Dinosauriern existiert, ich finde das Wahnsinn."

Ich höre ihr gespannt zu, weil mich eigentlich so gut wie alles fasziniert, was aus ihrem Mund kommt.

„Und sie sind friedlich. Alles in und an ihnen ist friedlich und genau diesen inneren Frieden, den wünsche ich mir auch manchmal." Ihr Blick wird starr und eine Welle der Trauer überkommt mich. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass dieses Mädchen etwas ganz schreckliches erlebt hat und es macht mich fast wütend, dass ich ihr den Schmerz deshalb nicht nehmen kann.

Nachdem ich mich beim Schießen so richtig ins Zeug gelegt habe, hat Nathalie ihre Schildkröte bekommen und ich habe uns im Anschluss Milchshakes geholt. Während wir über den Jahrmarkt schlendern, bringe ich ihr ein paar schottische Traditionen näher und verrate ihr, dass ich einfach fabelhaft aussehe in einem Kilt. Fast so gut, das ich mich am liebsten den ganzen Tag im Spiegel betrachten würde wollen. Natürlich scherze ich nur in einer Tour, aber solange sie ihr bezauberndes Lächeln zeigt, gebe ich gerne den Clown.

„Hey, ich weiß du hast Angst davor, aber willst du nicht trotzdem eine Runde Riesenrad mit mir fahren? Komm schon, ich werde dich so lange hier festhalten, bis du ja sagst", scherze ich.

Das Lächeln in ihrem Gesicht verblasst und es erreicht auch nicht mehr ihre Augen.

„Nein, ich kann nicht. Es geht nicht."

Ich halte sie sanft an den Schultern und drehe sie zu mir.

„Nathalie, du brauchst keine Angst zu haben. Dir kann nichts passieren, ich bin die ganze Zeit neben dir. Du bist nicht alleine.."

„Ich kenne dich doch eigentlich gar nicht", entgegnet sie mir

Autsch. Es fühlt sich an wie ein scharfer Stich, obwohl es die Wahrheit ist. Nur warum stört mich der Gedanke so, das sie mich wie einen Fremden sieht? Und warum fühlt es sich für mich absolut nicht so an, sondern eher so als würde ich sie schon seit einer Ewigkeit kennen. Schließlich sah ich sie in meinen Träumen, noch bevor ich sie im echten Leben traf. Wie sollte ich ihr davon erzählen, ohne dass sie schreiend davon laufen und schlussendlich doch noch auf Psychopath tippen würde? Würde sie mir überhaupt glauben?

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