Nathalie:
Auf dem Weg zu dieser uralten Steinbrücke fühle ich ein Unwohlsein, aber auch ein Prickeln. Eine Nervosität, die ich mir nach wie vor nicht näher erklären kann.
Dort angekommen parke ich am Rande einer Landstraße und gehe den Rest zu Fuß. Die Taschenlampe von meinem Handy erhellt den Weg vor mir. Mittlerweile ist es wirklich sehr dunkel geworden. Ich umschlinge meinen Oberkörper mit beiden Armen und ziehe mir die Kapuze meines Sweatshirts in den Nacken. Was zum Teufel mache ich hier eigentlich? Was denke ich, wird mich jetzt hier erwarten?
Nichts. Als ich am Anfang der Brücke stehe, kann ich sehen dass sie abgesperrt ist, wahrscheinlich noch von den Polizeiermittlungen? Keine Ahnung. Jedenfalls ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Wundert mich das? Wir haben fast einundzwanzig Uhr, es wird bald stockdunkel und vor Kurzem hat sich hier jemand das Leben genommen.
Trotzdem zieht mich dieses Prickeln weiter. So weit, dass ich einfach unter dem Sperrband hindurch gehe. Plötzlich stellen sich mir unendlich viele Fragen. Warum hat dieser Mann das getan? Hat er vielleicht Familie gehabt? Eine Ehefrau?
Warum hat Er es getan? Warum hat Caleb es getan? Warum hat er mich alleine gelassen? Für immer.
Calebs Mom war manisch-depressiv. Er hatte es nie leicht mit ihr und sein Vater war schon lange Zeit verstorben gewesen. Im Endeffekt war er immer alleine.
Nein, das stimmt nicht. Er hatte mich. Wir hatten uns, verdammt. Er war Familie für mich gewesen, wie ein Bruder, darüber hinaus... ein Seelenverwandter. Es war egoistisch dass er es getan hat und ich hasse ihn dafür. Ja ich hasse ihn dafür. Und ich liebe ihn. Und ich würde alles tun, um das Rad der Zeit zurückdrehen und im richtigen Augenblick da sein zu können. Ihn davon abhalten und ihm sagen, dass wir alles schaffen. Zusammen.
Doch ich werde nie erfahren, warum genau er es getan hat. Die Antworten gingen mit ihm.
Ich berühre mit meinen Fingerspitzen das gemauerte Brückengeländer und ziehe die kalte Nachtluft in meine Lungen. Dieses Gefühl, das man hier hat. Es ist so..unbeschreiblich. Es zieht mich in einen Bann. Gleichzeitig jagt es mir eine riesige Angst ein und lässt mich schaudern.
Ich weiß nicht warum, aber der Wind der jetzt um meine Ohren weht und meine Haare hin und her schwingen lässt, gleicht einer Hand. Eine Hand, die mich ganz sanft berührt.
Entsetzen fährt durch mich durch. Was war das jetzt schon wieder? Ich weiche zwei Schritte von der Mauer. Plötzlich will ich einfach nur weg von hier und zwar so schnell es geht. Mein Herz hämmert laut gegen meine Brust. Eilig klettere ich unter dem Absperrband hindurch und laufe. Laufen? Eher Rennen.
Vor lauter Aufregung lasse ich mein Handy fallen. Keuchend drehe ich mich einmal um die eigene Achse und greife danach. Als ich mich wieder schwungvoll nach oben reiße, knalle ich auf einen harten Oberkörper. Autsch.
Ich schreie vor lauter Schreck, da ich keinen anderen Menschen hier erwartet habe.
Die Arme des harten Oberkörpers, den ich gerade gecrasht hatte, halten mich sanft bei den Schultern. Ich lege den Kopf in den Nacken und funkelnde, goldgrün-braune Augen sehen auf mich herab.
"Hallo. Ich bin Neil", sagt der Fremde, sein Gesicht so nah bei meinem, dass ich den hölzernen Duft seines Parfüms wahrnehmen kann.
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One Heartbeat
Roman d'amourVor 6 Monaten verlor sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, aber er ist nicht komplett verschwunden. Er ist noch da. Näher als sie zu denken vermag. Als die 17-jährige Nathalie den attraktiven Studenten Neil k...