"Ich glaube nicht an Wunder..."

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Neil:

Ich würde ja sagen es ist schön dich zu sehen Sohn, aber bei allem was Theodora hat läuten lassen, ist dem nicht im geringsten so." Mein Vater steht in einem glanzblauen Anzug vor mir, der irgendwo im Bereich dessen liegt, was auf jeden fall drei Nullen hinter sich trägt. Sein dunkelbraunes Haar so streng nach hinten fixiert, dass nicht mal ein Hurricane seine Frisur zerstören könnte.

„Ja Ja", entgegne ich ihm und schaufle mir ein paar Cornflakes in den Mund. Ich kann mich nicht auf dieses dumme Gerede konzentrieren, weil ich seit ein paar Stunden unentwegt den Chatverlauf von Nathalie und mir rauf und runter scrolle. Seitdem ich ihr geschrieben habe, dass meine Op damals in Eastbourne stattgefunden hatte, kam jetzt schon seit Tagen kein Sterbenswörtchen von ihr, geschweige denn antwortet sie auf meine dutzenden Anrufe.

Plötzlich spritzt mir die eiskalte Milch meines Müslis ins Gesicht, denn mein Vater steht breitbeinig vor mir, den Kopf nach unten gebeugt und die Hände, zu Fäusten geballt, auf den Tisch gestemmt.

Ich sehe zu ihm auf und wische mir wütend über das Gesicht. Sein schweres Aftershave liegt in der Luft und bei diesem Geruch steigt fast schon die Galle meine Kehle empor. „Ich denke, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt", sagt er mit hochrotem Kopf.

Ich stehe auf und kicke den Zweitausend Euro teuren Eichenstuhl, auf dem ich gerade noch gesessen hatte, grob zu Boden. Hoffentlich bekommt er ein paar Schrammen ab.

Jetzt nehme ich die selbe Haltung ein wie mein Vater und wir stehen fast schon Stirn an Stirn.

„Du bist nie da, warst nicht mal im Krankenhaus damals. Mir wurde das verdammte Herz entnommen und ein neues eingesetzt und das Einzige für das ihr euch interessiert ist das ich so schnell wie möglich wieder Kurs aufnehme, in meinem Studium glänze und den Vorzeigesohn für euch gebe", presse ich hervor. Mein Herz schlägt hart gegen meine Brust und in meinen Fäusten kitzelt es, vor lauter Wut.

Ihm entkommt ein sarkastisches Lachen und ich frage mich in solchen Momenten immer wieder, ob dieser Mann, ob diese Familie auch nur einen Funken an Menschlichkeit besitzt.

Er räuspert sich gespielt. „Ohne das Zutun meiner Mutter und mir wärst du jetzt nichts mehr, hörst du?" Ich kann seinen von Cognac eingehüllten Atem auf meinem Gesicht spüren, als er meint: „Wir haben ein Vermögen hinblättern müssen für dieses Herz und du treibst nur Schund mit deinem neuen Leben. Du bist ein Versager." Er hebt seinen Kopf und richtet seine Krawatte zurecht, bevor er mir den Rücken kehrt.

Derweil laufen meine Knöchel so weiß an, dass sie unter meiner Haut fast platzen.

„Ich stand auf der Liste ganz oben und es wurde rechtzeitig ein Spender gefunden, das ist doch die Wahrheit oder? Es war eben Glück", schreie ich ihm fassungslos hinterher.

Seine schwarzen Lackschuhe klacken unangenehm auf dem elfenbeinfarbenen Boden.

„Antworte mir!", hallen meine Worte durch die riesige Küche.

„Wir setzten dich auf alle möglichen Listen für ein Spenderherz, aber es war ausweglos. Die Ärzte haben uns gesagt, dass du sterben wirst, es sei denn es geschieht ein Wunder und da ich nicht an Wunder glaube, habe ich das selbst in die Hand genommen. Der junge Mann, dessen Herz du jetzt in dir trägst wäre sowieso fast gestorben, er war schon so gut wie tot und jetzt sieh zu, dass du verschwindest, ich kann nicht länger mit dir in einem Raum bleiben, bei so viel Undankbarkeit."

Bei all den Worten hatte er sich nicht einmal zu mir gedreht.

Mein Spender war vielleicht in meinem Alter und er wäre fast  gestorben, das heißt er war noch am Leben und hätte vielleicht eine Chance gehabt und warum meldet sich Nathalie einfach nicht?

Ich renne zur Kücheninsel und übergebe mich direkt über der Spüle. 

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