"Das Risiko würde ich wohl eingehen müssen, wenn ich sie wieder sehen will..."

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Neil:

Ich sitze auf meinem kleinen, schwarzen Ledersofa und jongliere mein Handy von der einen in die andere Hand. Wenn es eine Sache gibt, die ich hasse, dann ist es zu warten. Ich bin die ungeduldigste Person im Umkreis von einer Millionen Meilen. Das steht fest. Weshalb ich meinem Informanten eine WhatsApp nach der anderen schicke:

Hast du was?

Wie lange dauert das noch?

Komm schon, du wirst dafür echt gut bezahlt Alter.

Ich fühle mich ein klein wenig wie der größte Stalker. Nachdem ich nämlich so blöd gewesen war, und Sie nicht mal nach ihrem Namen, geschweige denn ihrer Nummer gefragt habe - die sie mir, wenn ich genauer überlege wahrscheinlich sowieso nicht gegeben hätte - bin ich auf die Idee gekommen einen Bekannten von mir anzuheuern. Er arbeitet als Cop und heutzutage lässt sich eben jeder schmieren. Was soll man da sagen, für irgendwas muss das viele Geld ja gut sein. Das Geld meiner Familie ist genau so korrupt wie er, weshalb ich nicht im geringsten ein schlechtes Gewissen habe.

Ich hab ihn darum gebeten anhand ihres Autokennzeichens herauszufinden, wie ihr Name ist und wo sie lebt. Ich weiß. Es klingt so, als wäre ich ernsthaft nicht ganz sauber, aber als ich sie gesehen habe. Leibhaftig. Vor mir. Das Mädchen aus meinen Träumen. Da ist irgendwas in mir durchgebrannt. Vielleicht eine Synapse in jenem Teil meines Gehirns, der für Vernunft zuständig ist.

Jedenfalls schwirrt sie jede freie Sekunde in meinem Kopf herum und ich verspüre diese Nervosität in meiner Magengegend.

Ich muss daran denken, wie ihre Haare mein Gesicht gestreift hatten und dabei der frische Geruch von Lavendel und Zitrone meine Nase empor gestiegen ist.

Und daran, wie sie mich gemustert hat mit ihren dunklen Augen, die einen leichten Schimmer in sich tragen, als ich mich ihr so genähert hatte, das unsere Nasenspitzen sich fast berührt hatten.

Wie sie sich aufgeregt hatte, das war echt süß. Sie lässt sich absolut nichts gefallen, das habe ich sofort gemerkt und das führt nur noch mehr dazu, dass ich alles über sie erfahren möchte.

Jetzt.

Sofort.

Gleich.

Deshalb attackiere ich meinen Bekannten weiter mit Nachrichten. Und weiter. Und weiter. Und weiter. So lange bis endlich eine Nachricht zurück kommt:

Beruhig dich mal. Ich kann dafür meinen Job verlieren, ich hoffe das ist dir bewusst du Arschloch.

Also, das Mädel dass bestimmt bald bei mir auf der Matte stehen und dich wegen Belästigung anzeigen wird lach, ist nicht auf diesen Wagen angemeldet. Es ist ein Joe Atlas.

Joe Atlas? Wer ist das? Etwa ihr Freund? Ihr Mann? Komm runter Neil, sie ist maximal sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Verheiratet wird sie ja wohl noch nicht sein. Oder..?

Das sie einen Freund hat würde mich nicht sehr verwundern. Sie sieht bezaubernd aus und scheint was auf dem Kasten zu haben.

Bei dem Gedanken daran werde ich traurig und ich weiß einfach nicht warum. Ich weiß einfach nicht, was dieses Mädchen mit mir anstellt. Ich werde mich nur ganz sicher nicht von ihr fern halten können.

Langsam überlege ich ernsthaft, ob ich nicht mal ein oder zwei oder fünf Gänge herunterfahren sollte.

Ich steigere mich von Tag zu Tag mehr in diese Sache.

Dann blinkt mein Handy wieder auf:

Joe Atlas, 42 Jahre, Psychologe

Er lebt auf der Isle of Skye

Habe ihn gerade gegoogelt

Gehe mal stark davon aus, dass sie seine Tochter ist.

Es sei denn sie steht auf Suggerdaddys.

Joke.

Schick dir gleich die Adresse.

Ich bemerke, wie ich eindeutig erleichtert bin. Auf den Rest schicke ich ihm ein paar Fäuste.

Was soll ich jetzt mit dieser Adresse machen? Ich kann nicht einfach dort aufkreuzen.

Naja. Zu verlieren habe ich nichts. Deshalb gehe ich die worst case Szenarien in meinem Kopf durch. Darunter befindet sich unter anderem, dass mir ihr Vater die Türe öffnet und mich geradewegs auf den Mond schießt oder noch besser, in die Psychiatrie.

Das Risiko würde ich wohl eingehen müssen, wenn ich sie wieder sehen will.

Gleich morgen Früh.

One HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt