Nathalie:Nathalie. Ich bin hier, ich bin noch da.
Hilf mir, so sollte es nicht sein...
Mit einem lauten Schrei, der noch immer tief in meiner Kehle sitzt, wache ich auf und rufe seinen Namen. Caleb. Ich habe schon wieder von ihm geträumt. Es ist schrecklich, ich kann jedes Mal fühlen dass er leidet. Er leidet so sehr und ich kann nichts machen.
Es ist nur ein Traum. Es ist nur ein verdammter Traum. Ich ziehe mir die Decke bis zum Hals und versuche wieder einzuschlafen, doch mein Herz klopft so laut dass ich nicht mal mehr das Ticken der Uhr hören kann.
Ich fühle mich, als hätte ich keine Sekunde geschlafen. Als wäre mein Unterbewusstsein nachts auf eine Bergtour gegangen.
Ich linse auf mein Handy. Fünf Uhr Morgens. Es ist noch früh, ich muss erst in knapp zwei Stunden los und trotzdem schlage ich mir mit den Füßen die Decke vom Körper und torkele schlaftrunken in mein Badezimmer. Ich würde wohl noch etwas lesen, bevor ich zur Schule fahre.
Ich schnappe mir eine schwarze kuschelige Kunstfelljacke, ein Buch und schlüpfe in meine Hausschuhe.
Auf Zehenspitzen gehe ich den Flur entlang, so leise wie möglich, falls Joe noch schlafen sollte. In der Küche mache ich mir eine Tasse Tee und dann ziehe ich die lange, gläserne Terassentür auf und mache es mir in der grauen Lounge gemütlich. Man hat hier zwar nicht den selben, atemberaubenden Blick auf die Felsen wie oben auf der Dachterrasse aber dafür ist es windstiller.
Ich ziehe mir meine Kapuze über die Ohren und vergrabe meine Hände in meinen Ärmeln, bevor ich in die Welt der Bücher versinke.
„Autsch."
Ich linse erschrocken von meinem Buch auf. Was war das?
Da hat gerade jemand was gesagt.
Mein Körper befindet sich augenblicklich im Fluchtmodus, da sehe ich plötzlich ein Augenpaar in der Dämmerung.
Was zum Teufel?
Ich jage nach oben und schleudere vor Schreck mein Buch durch die Gegend. Das gibt ordentlich Ecken und geknickte Seiten. Alleine dafür würde ich den Eindringling eigenhändig erwürgen. Anstatt zu fliehen, bin ich jetzt ganz angriffslustig. Sei ja anscheinend eh die beste Verteidigung.
Ich schnappe mir irgend so einen komischen Kerzenständer, der neben mir steht und laufe festen Schrittes auf den Eindringling zu.
Ich will schon ausholen, bis ich sehen kann, wer da vor mir steht.
Neil?!
„Neil." Ich bin für den Bruchteil einer Sekunde erleichtert und halte mir die Hand aufs Herz, bis mir wieder bewusst wird dass er ein Fremder ist und gerade in meinem Garten steht.
„Hey Unbekannte. Ich tu dir nichts. Kannst du mir bitte erst mal zuhören, bevor du mich damit"- er fuchtelt mit der Hand in der Gegend herum und zeigt auf meine Waffe - „erschlägst", beendet er seinen Satz.
Friedvoll hält er die Hände nach oben, aber ich verändere meine Position keinen Zentimeter.
Trotz all dem merke ich, wie sich ein aufgeregtes Gefühl in meinem Magen ausbreitet.
Die Tatsache, dass ich ihn so schnell oder überhaupt wieder sehen würde, macht komische Sachen mit mir, aber die Umstände holen mich wieder in die Realität zurück.
„Bist du ein Stalker oder so?" Meine Stimme klingt steinhart
Er kommt näher auf mich zu, wie auf eine verängstigte Katze.
Pff.
Ich straffe meine Schultern und versuche mir wirklich nicht anmerken zu lassen, dass ich bei jedem Schritt den er näher kommt immer ein bisschen nervöser werde.
„Okay, ich kann dich total verstehen. Pass auf, ich will das erklären. Ich bin ein Guter, ich würde nie einer Fliege was zu leide tun."- Er unterbricht und lacht leicht in sich hinein. „Schön, dass stimmt nicht ganz aber was ich damit sagen will, ich würde niemals einer Frau etwas tun oder sie auch nur mit dem Finger anrühren, geschweige denn mich ihr aufdrängen, wenn sie das nicht möchte."
Jetzt lässt er seine Hände sinken und vergräbt sie in seinen Hosentaschen. Er sieht schon fast beschämt aus. „Wenn du dir nicht anhören willst, was ich zu sagen habe oder Angst oder irgendwas anderes vor mir hast, dann werde ich gehen, versprochen. Du musst es nur sagen."
Man. Wieso finde ich das jetzt echt süß?
„Ich habe sicher keine Angst vor dir", sage ich und verziehe meine Augen zu kleinen Schlitzen.
Er steht vor mir wie ein kleiner Junge und gleichzeitig bin ich felsenfest davon überzeugt, dass er alles ist, aber sicher kein kleiner Junge mehr.
Wie gelenkt von meiner inneren Stimme sage ich: „Okay, ich gebe dir eine Chance aber lass uns drinnen reden." Lass uns drinnen reden? Gerade wollte ich ihm noch eine überziehen und jetzt bitte ich ihn rein? Ich bin nicht ganz sicher, aber die Chancen darauf, dass ich eine zweite Persönlichkeit besitze steigen gerade enorm an.
Sein Gesicht erhellt sich und ein sonderbar liebevolles Lächeln breitet sich darauf aus. Eins, dass mich fast dahinschmelzen lässt.
Wo habe ich mich da nur herein manövriert?
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One Heartbeat
Roman d'amourVor 6 Monaten verlor sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, aber er ist nicht komplett verschwunden. Er ist noch da. Näher als sie zu denken vermag. Als die 17-jährige Nathalie den attraktiven Studenten Neil k...