"es ist, als würde etwas in mir wollen dass ich die Augen öffne.."

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Nathalie:

Nachdem Joe mit schrägem Kopf und ungeduldiger Haltung im Türrahmen gestanden hatte, musste ich einsehen, das es nicht länger etwas nützte stur zu sein, deshalb hatte ich Neil nach Hause geschickt. Natürlich nicht ohne ihn vorher noch heimlich nach seiner Nummer zu fragen.

Ich sitze seit einer geschlagenen Stunde kerzengerade und angespannt in meinem Bett und starre auf meinen Handydisplay. Vom Starren wird er nicht schreiben Nathalie

Als er mir vorher erzählt hatte, dass er genau zur selben Zeit kurz vor dem Tod stand, zu der auch Caleb gestorben war, hatte sich ein zutiefst unwohles Gefühl in meinem Magen ausgebreitet.

Wahrscheinlich triggerte es mich einfach zu sehr.., aber irgendwie ist da noch etwas anderes. Etwas das ich nicht zuordnen kann, egal wie viel Mühe ich mir gebe.

Ich wickle mir gedankenverloren meine Strähnen um den Finger, als plötzlich eine Nachricht auf meinem Handy aufblinkt. Ich dachte vom Starren wird er nicht schreiben, nehme ich mich selbst auf den Arm.

Nervös öffne ich die Nachricht, in der steht geschrieben:

Ich hoffe es geht dir besser Nathalie und ich wollte, dass du weißt, das dein Dad mich auch versuchen könnte bis zum Mond zu jagen, ich bleibe trotzdem.

Natürlich nur wenn du das möchtest...ich für meinen Teil werde das Mädchen aus meinen Träumen sicher nicht so schnell los lassen.

Mein Herz pocht in meiner Brust bei seinen Worten und löst Gleichzeit eine ungemeine Verwirrung in mir aus. Verwirrung darüber, wie es sein kann, dass mir ein Mensch, der mir eigentlich noch fremd sein sollte, näher steht als es mein eigener Vater tut. Erst jetzt nehme ich wahr, wie unheimlich es ist, dass Neil lange Zeit von mir geträumt hatte oder es immer noch tut, ohne mich davor jemals gekannt zu haben. Das klingt mir alles viel zu spirituell und ich kann einfach nichts damit anfangen. Sowas gibt es doch nicht oder? Ja, es muss ein Zufall gewesen sein. Ein ziemlich krasser Zufall, oder ist es Schicksal? An Schicksal glaube ich seit Calebs Tod allerdings nicht mehr, weil es für mich unbegreiflich ist, wie das Schicksal einen 17-jährigen Jungen, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte, sterben hat lassen. Einfach so.

Ich tippe eine Minute lang die unterschiedlichsten Dinge in mein Handy um auf Neils Nachricht zu antworten, lösche dann aber immer alles wieder. Schlussendlich schreibe ich einfach:

Danke, es wird. Die Chancen stehen 50/50 dass mein Vater dich bis ans Ende seines Lebens verfolgen wird, haha.

Ich knabbere ungeduldig an meinen Nägeln herum wie ein Biber und wippe mit dem Kopf hin und her wie einer dieser Wackelköpfe, die wir früher immer im Auto stehen hatten. Ich halte es keine zwanzig Sekunden aus, nachdem ich mein Handy gesperrt und neben mich gelegt hatte, also greife ich hastig danach und schreibe eine weitere Nachricht.

Seit wann träumst du von mir?..

Ich muss nicht lange auf die Antwort warten und schon wieder reißt sie mir den Boden unter den Füßen weg.

Seit meiner Transplantation...

Wie automatisch fügen sich die Dinge in meinem Kopf zusammen. Von welchen Dingen rede ich da? Ich habe verdammt nochmal keine Ahnung, es ist mehr als wäre da eine innere Stimme die jene Informationen für mich zusammenfügt und ein Bild daraus entstehen lässt. Es ist als würde etwas in mir wollen das ich meine Augen öffne und ich weiß in dem Moment, in dem ich Neil frage, wo seine Transplantation stattgefunden hatte, dass seine Antwort alles verändern würde und zwar endgültig.

In Eastbourne.

Ich lasse mein Handy fallen und meine Kehle wird staubtrocken.

Ich komme von dort, es war mein Zuhause.

Caleb starb dort, vor 6 Monaten den Hirntod.

Neil wurde dort operiert, vor 6 Monaten, weil sich im letzten Moment ein Spender für ihn fand. 

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