"Ich denke daran, dass ich mich gerade in die Höhle des Löwen begebe."

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Neil:

Während ich ein paar Pancakes auf den Tellern verteile und versuche sie halbwegs schön mit ein paar Erdbeeren und anderen Früchten zu schmücken, fühle ich mich wie der letzte Lappen. Einfach deshalb, weil ich früher nur Bier, Partys und irgendwelche langbeinigen High-Society- Models im Sinn hatte. Es wäre mir nie eingefallen, mich in die Küche zu stellen und Frühstück für jemanden zu machen. Schon erst recht nicht für eine Frau. 

Ich bin so hoffnungslos verliebt. Ich kann sogar  fast ignorieren, dass das Mädchen, in das ich mich verliebt habe, augenscheinlich nicht das selbe für mich empfindet oder vielleicht doch?

Das, was gestern passiert ist hat ihr gefallen. Ich habe es gespürt und es hat mich unheimlich viel Willenskraft gekostet nicht weiterzumachen oder völlig über sie herzufallen, wie ein hungriges Tier. So ein Verlangen hat noch keine Einzige in mir ausgelöst und das liegt wahrscheinlich daran, dass es sich nicht nur um körperliches Verlangen handelt, sondern um viel mehr. Um viel, viel mehr. 

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Ich drehe mich einmal um die eigene Achse, doch Nathalie ist nirgends zu sehen. Nachdem ich ein paar Mal ihren Namen gerufen, aber keine Antwort bekommen habe, muss ich mir mal wieder eingestehen, das sie einfach weg ist. Hat sie mich gerade wirklich wie einen Vollidioten mit dem Frühstück in der Hand stehen lassen? Leicht gereizt knalle ich das Zeug auf den weißen Eichentisch und ziehe mein Handy aus der Hosentasche. Gerade will ich ihre Nummer wählen, da fällt mir auf dass auch mein Vater hier sein muss, denn der Wind weht den Qualm seiner Zigarre um die Ecken. 

Jetzt wird mir so einiges klar, weshalb ich mein Handy wieder sperre und mit eiligen Schritten auf ihn zugehe. Ich treffe ihn mit besagter Zigarre und einem Glas eisgekühltem Whisky an.

„Was hast du zu ihr gesagt, hm?"

Er setzt seine Lippen an das Glas an, befeuchtet sie genüsslich mit dem hochprozentigen Alkohol und das um elf Uhr morgens.

„Du redest in Rätseln", ist seine Antwort.

„Ich rede von Nathalie, sie ist fort und du bist ganz sicher Schuld daran", zische ich ihn an.

Seine noch übriggebliebene und nicht vom Alkohol verkorksten Gehirnzellen scheinen anzufangen zu arbeiten, aber mehr als Mist kommt dann trotzdem nicht aus seinem Mund. Wiedererwartens.

„Keine Ahnung von was du redest." Er kippt den restlichen Inhalt des Glases in sich hinein und kehrt mir wie so immer den Rücken zu. Langsam denke ich dass es tatsächlich seine Lieblingsbeschäftigung ist, seinen Sohn zu behandeln als wäre er nichts weiter als ein Schatten. Er kann gerne so mit mir umgehen, aber nicht mit den Menschen, die ich liebe und Nathalie gehört jetzt dazu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sie hier angetroffen und irgend einen verdammten Bullshit erzählt hat, das was er am Besten kann. Bei dem Gedanken kommt mir die bittere Galle hoch und ich werde auch in einer Milliarde Jahre nicht damit zurecht kommen, dass ich wirklich von ihm abstamme. Sollte ich jemals so werden...bei Gott, soll mich der Blitz treffen.

Ich denke daran, dass ich mich gerade in die Höhle des Löwen begebe, als ich vor Nathalies Haus stehe und sehen kann, dass das Auto ihres Vaters in der Garagenauffahrt steht. Zu blöd, dass Sonntag ist und es nur diese eine Möglichkeit gibt mit Nathalie reden zu können. Gerade bewege ich meinen Zeigefinger zu dem rundlichen Klingelknopf, da wird mir die Tür vor der Nase aufgerissen. 

Meine Augen weiten sich, als ich einen total aufgelösten und ziemlich wütenden Joe Atlas vor mir stehen habe, die Hände in die Hüften gestemmt. Er sieht aus, als wäre er zum Angriff bereit und als wäre ich sein verflixtes Beutetier dass er gleich zum Frühstück einnimmt. Wirklich Angst habe ich vor ihm keine, ich meine er ist nicht größer als ich und auch nicht wirklich breiter. Trotz alledem hat er eine wirklich erstaunliche Präsenz, eine der Respekt gezollt werden sollte.

Ich räuspere mich einige Male, bevor ich überhaupt einen Satz herausbekomme.

„Sir, ich wollte zu Nathalie. Ist sie zu sprechen?"

Er sieht mich aus leicht zusammengekniffenen und kritischen Augen an, dann schüttelt er kurz den Kopf. „Nathalie ist nicht bei dir? Er neigt seinen Kopf aus der Tür und sieht nach rechts und links, um auch sicherzugehen, ob ich Nathalie nicht irgendwo versteckt habe. Womöglich ist sie ja in meinem Kofferraum, aber den Scherz spare ich mir lieber.

Seine Aufmerksamkeit gilt jetzt wieder ganz mir und mitten auf seiner Stirn tritt eine Ader gefährlich hervor. Ich denke, er weiß ebenfalls nicht wo Nathalie steckt und das bedeutet, ich kann mir daraus einen Nutzen machen, indem ich ihm anbiete das wir gemeinsam nach ihr suchen.

„Was hast du angestellt? Ich habe dir gesagt, du sollst dich von ihr fern halten, aber sollte es mich schockieren, dass du es natürlich trotzdem nicht gemacht hast?"

Meine Lippen teilen sich und ich möchte mich irgendwie äußern, doch ich komme nicht zum Zug.

„Nathalie ist weg und ich meine damit SIE IST WEG! In ihrem Zimmer sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, außerdem ist ihr halber Schrank leer geräumt und ihr Laptop fehlt auch. Es sieht so aus, als wäre sie wie von der Tarantel gestochen auf die Idee gekommen abzuhauen. UND DAS PASSIERT NICHT OHNE GRUND!", schreit er. Ich weiche ein kleines Stück zurück und muss erstmal realisieren was er gerade versucht hat mir zu erklären.

Sie ist verschwunden.

„Fuck..Fuck..Fuck...!" Ich lege meinen Kopf und meine Hände in den Nacken und die Verzweiflung scheint mich gerade zu mit voller Wucht zu treffen.

„Sir, Nathalie hat die letzte Nacht bei mir geschlafen. Wir sind auf dieser grässlichen Hausparty von diesem Typen namens Maddox gewesen und"-

„Meine Tochter ist verschwunden und du redest gerade um den heißen Brei. KOMM. ZUM. PUNKT!" unterbricht er mich ungeduldig.

„Ja..Ja ist ja schon gut! Was ich sagen möchte ist, dass mein Vater einige dumme Dinge gesagt haben könnte, oder hat, oder was weiß ich! Auf jeden Fall denke ich, dass es etwas damit zu tun hat, das sie verschwunden ist, aber warum kann ich Ihnen auch nicht genau sagen."

Ich fuchtle ein wenig mit den Händen in der Gegend herum und falte sie schlussendlich ineinander, um ihn darum zu bitten mir einfach noch kurz zu zuhören. „Mein Vater ist ein Arschloch und ich weiß was sie von ihm und meiner Familie halten und wissen sie was? Ich bin voll auf ihrer Seite..aber..aber ich bin nicht wie sie, ich bin kein schlechter Mensch und wir beide, wir haben eine Gemeinsamkeit und zwar lieben wir Nathalie, nicht wahr? Also können wir uns bitte zusammen raufen und nach ihr suchen? Es geht jetzt um sie und nicht um uns."

Ich bin erleichtert, denn ich kann sehen wie die Ader auf seiner Stirn, die vor einer Minute fast noch geplatzt wäre, verschwindet und die Feindseligkeit die er mir gegenüber gebracht hatte, sie scheint leichter zu werden.

Er stößt sich mit seinen Händen vom Türrahmen, greift nach seiner Jacke und ein paar Schlüsseln, dann knallt er die Tür zu und steht so nah, dass seine Stirn fast die meine berührt. „Suchen wir meine Tochter", sagt er bestimmt. 

One HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt