"...wenn einen die Dunkelheit des Meeres verschlingt."

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Neil:

Maddox ist wirklich ein superklasse Weltarsch. Wir kennen uns schon seit Jahren, aber wenn es um Frauen geht ist er nicht zu gebrauchen und als ich gesehen hatte, wie er dabei war, sich mein Mädchen zu krallen hätte ich ihm am Liebsten das schelmische Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.

„Alles gut bei dir?", frage ich und denke wie schön es gerade ist, sie so nah bei mir zu haben. Es waren mal wieder drei harte Tage vergangen, in denen sie nichts von mir hören geschweige denn mich sehen wollte. Verdammt, ich weiß die Situation ist beschissen und wie beschissen sie ist, aber was soll ich tun? Mir mein neu gewonnenes Herz aus der Brust zu reißen ist leider nicht die Option, obwohl ich es liebend gerne getan hätte, denn es fühlt sich grausam an, wenn man das Gefühl hat den Schmerz einer anderen Seele in sich austragen zu müssen.

„Ja..es, es ist alles okay", meint sie leise und ich kann sie aufgrund der krachend lauten Musik kaum verstehen. „Komm wir gehen nach draußen auf die Terrasse."

Ich schiebe sie sanft zur Seite und werfe Maddox einen letzten funkelnden Blick zu, allerdings hat der sich bereits neue Beute gesucht. Hauptsache er hält sich von Nathalie fern.

Wir gehen in Richtung Terrasse und ein paar betrunkene Gestalten tänzeln an uns vorbei.

Der Wind bläst angenehm um unsere Ohren und als ich den Blick zu Nathalie wende, kann ich sehen wie ihre langen, wellenförmigen Haare um ihr Gesicht tanzen. Erst jetzt fällt mir auf wie wunderschön sie heute Abend aussieht. Ihr schwarzes Kleid sitzt an ihr, als wäre es extra für sie entworfen worden. Sie sieht elegant und anmutig aus und der tiefe Rückenausschnitt lässt ihre helle Haut im Mondschein glänzen.

Als sie meinen Blick bemerkt, färben sich ihre Wangen rot. „Alles okay?"

Ich schüttle den Kopf. „Ja, ich meine Nein..ich meine abgesehen davon das dein Outfit mir den Atem raubt und das du mir allgemein immer den Atem raubst, wenn ich dich sehe oder mit dir spreche." Ich stehe etwas stumpf neben ihr und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mein Herz leicht anfängt zu rasen.

Mein Blick streift ihren und ich kann nicht anders, als ihr diese, für mich, bedeutsame Frage zu stellen.

„Wird es jemals eine Chance für uns geben, auch wenn ich sein Herz in mir habe?"

Sie sieht benommen in die weite, dunkle Nacht und nach einer schmerzhaft, langen Phase des Schweigens meint sie nur: „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht."

Das Stechen, welches sich beginnt in meiner Brust zu bilden ist beinahe unerträglich.

Ich hebe schwer die Schultern und lasse sie wieder sinken. „Sollen wir runter an die Küste?", flüstere ich.

„Meinetwegen."

Vereinzelte Möwen kreisen um uns, bis sie irgendwann völlig in der Dunkelheit über dem Wasser verschwinden. Die Wellen sind heute besonders stark, was mich wundert. Es waren keine Gewitter oder sonstige Unwetter angesagt, allerdings preschen sie gefährlich unruhig hervor und  gleichen Wassermonstern, die über den Meeresspiegel jagen.

„Ich denke wir sollten doch lieber wieder hoch gehen oder ich bringe dich nach Hause. Es sieht fast so aus, als würde sich da was zusammen brauen."

Nathalie lässt ihre Hände tief in den Taschen ihres schwarzen Mantels verschwinden und läuft weiter hinaus Richtung Meer. Wir sind noch weit genug davon entfernt, dass das Wasser unsere Zehenspitzen berühren könnte, aber was tut sie da? Sie näher sich dem Wasser bei diesem Wellengang viel zu sehr. Ich versuche sie sanft davon abzuhalten noch weiter zu gehen und tatsächlich hält sie jetzt inne. Die Strandbeleuchtung fängt währenddessen leicht an zu flackern.

„Nathalie, ich meine es ernst. Es ist zu gefährlich."

„Hast du gewusst, dass der Marianengraben elf Kilometer tief liegt und das erst zwei Menschen dort gewesen sind?" Ich drehe sie sachte in meine Richtung und versuche irgendetwas aus ihrem Blick zu lesen, doch dieser wirkte endlos leer. Ihre Augen sind in eine tiefe Schwärze getränkt und das warme Braun ist vollkommen aus ihnen gewichen. Ich streiche ihr vorsichtig mit dem Handrücken über ihre Wangen. „Was hast du?"

Sie starrt durch mich hindurch, es fühlt sich an als würde sie mich überhaupt nicht mehr wahrnehmen, als wäre ich durchsichtig. Nicht da. Langsam mache ich mir Sorgen um sie, sie wirkt wie ausgewechselt. „Komm wir gehen, wir können uns bei mir eine Dokumentation über den Marianengraben ansehen, was sagst du dazu?", frage ich und versuche so die düstere Stimmung zu brechen, aber es hilft alles nichts.

„Wie fühlt sich das wohl an, wenn einen die Dunkelheit des Meeres verschlingt?"

„Nathalie, du machst mir Angst und bitte hör auf weiter zu gehen. Wir müssen zurück."

Über uns zieht sich der Himmel derweil immer mehr zusammen. Grelle Blitze zischen in der Weite über uns und es fängt verdächtig an zu grollen. Das Gewitter ist noch nicht nahe genug, aber es wird definitiv nicht mehr lange dauern bis es auch bei uns angekommen ist.

Doch Nathalie scheint das nicht zu interessieren, sie schiebt mich von sich weg und läuft einfach weiter und weiter, so lange bis sie mit Den Füßen im Wasser steht. Ich sprinte hastig zu ihr und versuche sie von dort weg zu zerren, ohne ihr unnötig weh zu tun, aber leider wird die Situation immer brenzliger, denn ganz weit in der Ferne bäumen sich meterhoch die Wellen auf und es sieht so aus, als würden sie geradewegs auf uns zu rasen.

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