Four

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Carter

Ich rieb mir müde über mein Gesicht, ließ meinen Nacken leicht kreisen und stützte dann meine Unterarme wieder auf meinem Schreibtisch ab. Heute Nacht hatte ich kein Auge zu bekommen. Wie auch? Die eine Frau, die mit meinem Körper das anstellen konnte, was andere seit Jahren nicht geschafft hatten, stand urplötzlich in meinem Apartement. Völlig abgearbeitet und doch so verdammt sexy, wie ich sie in Erinnerung hatte. Nein, eigentlich war sie noch viel schöner als in meinem Gedächtnis. Sie sah im dunklen Stripzimmer schon wunderschön aus, doch im Tageslicht verschlug es mir wortwörtlich meine Sprache.

Vielleicht war ich auch einfach zu geschockt, um mir ihr zu sprechen. Immerhin hatte sie in meinen achtundzwanzig Jahre noch nie irgendwo gesehen und innerhalb von drei Tagen war ich ihr zweimal begegnet. An so etwas wie Schicksal glaubte ich nicht, doch ich windete mich gegen den Gedanken, dass es lediglich ein dummer Zufall war, sie wieder getroffen zu haben. In New York leben etwas weniger als acht einhalb Millionen Menschen, wie hoch war also die Wahrscheinlichkeit zweimal auf dieselbe Person zu treffen? Vermutlich gleich null, aber irgendwie war genau das Unwahrscheinliche passiert.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie mir seither aus dem Kopf gegangen ist, aber das war gelogen. Zwar hatte sie seit der Nacht im Stripclub mein Interesse geweckt, doch ich ging davon aus, dass es dem Alkohol geschuldet war, dass ich so auf sie reagierte. Jetzt, wo sie in meinem Apartment aufgetaucht war, wusste ich, dass es nicht der Alkohol, sondern ihr Auftreten war. In meiner Wohnung wirkte sie zwar nicht ganz so selbstsicher, wie an der Stange, aber das hatte vermutlich hauptsächlich damit zu tun, dass die Situation eine andere war. Ich konnte Lydias Lüge zwar bereits aufdecken, seitdem sie aus dem Fahrstuhl mit einer neuen Flasche Dom Pérignon gekommen ist, aber ich hatte keinen Nerv, sie deswegen auszufragen, weil meine volle Aufmerksamkeit auf Raya lag.

Raya.

Ich kannte jetzt ihren Vornamen und der klang genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Nämlich ausergewöhnlich und wild. Ich konnte es nicht lassen, und hatte tatsächlich ihren Namen auch nachgeschlagen. Er stammte aus dem Spanischen und bedeutete soviel wie Sonnenschein. Und ich musste zugeben, dass das wie die Faust auf's Auge zu ihr passte, denn als ich in meine Wohnung kam und sie gesehen hatte, könnte ich schwören, dass jedes Zimmer von Licht durchflutet wurde. Nicht wegen der Mittagssonne in New York, sondern wegen ihrer Ausstrahlung. Ihre Präsenz erfüllte den Raum und selbst nachdem sie mein Apartment verlassen hatte, konnte ich ihre Anwesenheit in jedem Winkel meiner Wohnung spüren. Es war also schlichtweg unmöglich, nicht mehr an sie zu denken, was komisch war, denn ich hatte lediglich einen Namen und eine Erinnerung an ihr Aussehen wie auch an ihre Stimme.

Sie hatte nicht besonders viel gesagt: Ich bin Reinigungskraft, und obwohl das lediglich eine Beschreibung ihrer Tätigkeit war, ging mir dieser eine verdammte Satz nicht aus dem Kopf. Ich spielte ihn wieder und wieder in meinem Kopf ab, weil ich mich gerne an ihre Stimme zurückerinnern wollte. Sie war hell und fließend und erinnerte mich an einen sonnigen Morgen an der Bretagne. Ich hatte mir gewünscht, dass sie noch einmal etwas zu mir sagen würde, etwas, dass sie nur an mich richten würde, nur damit ich ihren Klang noch einmal hören durfte, aber sie blieb lieber still und mir blieb lediglich ein einziger Satz von ihr.

Es klopfte plötzlich an der Tür und ich schüttelte all meine Gedanken über Raya ab, um mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren.

"Ja", überkam es meine Lippen und ich zog meinen Laptop näher zu mir, um mich wieder in die Verkaufszahlen einzulesen.

Lydia steckte ihren Kopf durch den Spalt und schenkte mir ein freundliches Lächeln. Ob ihr bewusst war, dass ich ihre Lüge bereits aufgedeckkt hatte? Vermutlich nicht, ansonsten würde sie nicht so heiter durch mein Eckbüro laufen, sondern vermutlich vor Scham im Boden versinken. Sie hatte versucht ihre Spuren zu verwischen, aber ich war nun einmal besser als sie und schaffte es mit nur einem klärenden Anruf herauszufinden, dass sie für das Chaos in meiner Wohnung verantwortlich war. Trotzdem hielt ich lieber meine Klappe und verschonte sie mit einer Kündigung, weil sie nun einmal eine fantastische Assistentin war. Es würde Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis ihr Nachfolger mich und meine Gewohnheiten so kannte, dass er nicht jedes mal nachfragen müsste, wenn ich ihm etwas auftrug.

The Warren-Deal | (Broken Billionaires, #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt