Sixteen

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Raya

Ich lehnte über den Unterlagen und stützte zusätzlich mein Kinn auf meinem Handbalen ab, während ich unbewusst auf dem Ende des Kugelschreibers kaute. Ich kannte mich nicht sonderlich gut mit all dem ganzen Steuerkram aus, aber ich half, wo ich konnte - auch wenn ich mir stundenlang den Kopf über all die hoch gestochenen Wörter zerbrach, die ich beim besten Willen nicht verstand.

Heute war einer meiner freien Tage, was eine ziemliche Seltenheit war. Ich musste weder im Club aushelfen, noch war ich für einen Putztermin bei Carter eingetragen worden. Statt mich allerdings etwas auszuruhen, nahm ich den Leuten aus der Hilfsorganisation etwas Arbeit ab, um ihnen entgegen zu kommen. Vielleicht wusste ich auch einfach nichts besseres mit meiner freien Zeit anzufangen. Natürlich könnte ich zuhause bei meinem Vater sein und ihn pflegen, allerdings hatte er mir immer wieder deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich noch um sich selbst kümmern konnte und meine Hilfe nicht brauchte. Außerdem machten ihn seine Medikamente immer ziemlich müde, weshalb ich eh nicht sonderlich viel für ihn ausrichten konnte.

Ein Schatten bewegte sich auf mich zu und ich sah zu der Frau auf, die mich praktisch groß gezogen hatte."Cariña." Die warme Stimme meiner Tante drang zu mir durch, sie ließ sich neben mir auf einem Stuhl nieder und strich mir sanft eine Strähne hinter mein Ohr. Das war eine ganz gewohnte Geste von ihr, die fast zu unserem kleinen Ding geworden ist.

Nach dem Tod meiner Mutter hatte meine Tante sofort die Verantwortung übernommen, weil sie sich irgendwo dazu verpflichtet fühlte, ihre Schwester den letzten Gefallen zu erweisen.

Anfangs konnte mein Vater und meine Tante nicht gut miteinander, sicherlich weil ihre Erziehungsstile unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch genau diese Mischung machte mich zu der Frau, die ich heute bin. Ich war mehr als dankbar dafür, neben meinem Vater auch eine weibliche Bezugsperson in meinem Leben zu haben.

"Was machst du denn heute hier? Ich hatte gedacht, du würdest dir zumindest einen Tag lang eine Pause gönnen", murmelte sie und sah mich ernsthaft an.
Den starken Akzent in ihrer Stimme war ich bereits so gewohnt, dass er mir nicht einmal mehr auffiel.

Ich zuckte mir den Schultern und lehnte mich ein Stück zurück. "Einige von der Organisation haben mich um Hilfe bei den rechtlichen Angelegenheiten gebeten, wie könnte ich da Nein sagen?"

"Sag' mir ihre Namen und ich werde sie eigenhändig dazu verdonnern, diesen Kram selbst zu machen", forderte sie mit strenger Stimme an, die mich allerdings nur zum Lachen brachte. Meine Tante sorgte sich wie eine echte Mutter um mich, vielleicht sogar noch etwas mehr, immerhin kannte sie meine Lebensumstände und meinen vielen Nebenjobs. Sie hatte Angst, dass ich neben der Arbeit und der Organisation nicht genügend schlafen, essen, leben würde, obwohl sie genau wusste, dass ich das alles aus freien Stücken machte.

"Damit kennt sich doch kein normaler Mensch aus", schüttelte sie den Kopf, als sie sich die Unterlagen durchlas. Sie hatte Recht, für diese ganzen Fachausdrücke brauchte man eine eigene Übersetzung.

Meine Tante schob die Augenbrauen zusammen und tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Unterlippe. "Vielleicht sollten wir ernsthaft in Überlegung ziehen, jemanden für das alles anzuheuern."

Ich warf ihr einen Blick zu. Die Organisation lebt von ihren Spenden, die jedoch alles andere als genügend stellend wären. Die meisten, die hier arbeiten, sind Freiwillige, ansonsten wäre der Laden schneller zu als wir gucken könnten. Die Organisation konnte kaum die richtigen Angestellten hier bezahlen, sie würde daher ein weiteren Arbeiter wohl kaum überleben.

"Finanzen, Rechtliches, Steuern. Jemand, der sich mit all dem Kram auskennt", führte sie ihren Gedanken aus und ich zog ihr die Papiere wieder aus der Hand.

The Warren-Deal | (Broken Billionaires, #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt