Fifty-Four

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Raya

Tief atmete ich durch die Nase ein. Ich hatte keine Angst vor dem, was mir noch bevor stand, nein, ich hatte Angst, dass diese Bemühungen umsonst sein würden. Mein Vater war derjenige, der sich kämpfend durchschlagen musste.

Sein Immunsystem war durch die starke Chemotherapie vollkommen vernichtet worden, damit meine transplantierten Stammzellen sein Blutbild neu aufbauen würden, doch niemand wusste so recht, ob sein Körper meine Stammzellen auch annahm. Ich betete, dass alles irgendwie gut gehen würde, doch es gab Dinge im Leben, die einfach nicht in unseren Händen lagen. Das Schicksal meines Vaters war eines von diesen Dingen.

Carter stellte sich neben mich, seine Augen waren schon den ganzen letzten Tag auf mich gerichtet, so als ob er sicher gehen wollte, dass ich meine Meinung bezüglich dieses kleinen Eingriffs nicht doch in letzter Minute ändern würde. Das war süß, aber ausgeschlossen. Wenn ich meinem Vater helfen konnte, dann würde ich diese Chance ergreifen. Was wäre ich für eine Tochter, wenn ich nicht bis zum Schluss sämtliche Möglichkeiten erwägen würde, die ihm vielleicht irgendwie das Leben retten oder es zumindest verlängern könnten?

Klar, die Stammzelltransplantation war kein Wundermittel. Der Krebs meines Vaters hatte sich tief in seinen Zellen verankert, eine Chance auf Heilung gab es also nicht wirklich.

Und ganz ehrlich? Ich hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Natürlich ist diese Tatsache furchtbar und niederschmetternd, immerhin würde ich meinen Vater verlieren. Den Menschen, der mich großgezogen hatte. Den Menschen, der noch vor meinem ersten Atemzug mehr geliebt hatte, als sein eigenes Leben. Aber mein Vater war bereits Jahre krank gewesen, es wäre also utopischen Denken, davon auszugehen, dass er vollkommen gesund werden würde. Mit der Stammzelltransplantation würde ich zumindest sein Leben etwas verlängern können. Wir wusste nicht, wie viel Zeit ihm das einbringen könnte, aber so genau wusste das sowieso keiner.

"Bist du nervös?", fragte Carter mich und ich zuckte leicht die Schultern, während ich den Blick auf das Gebäude gerichtet hatte, indem mir gleich fünf Prozent meines Knochenmarks entnommen wird. Sicherlich gab es freudiger Anlässe, in eine Klinik zu gehen, aber immerhin konnte nicht jeder von sich behaupten, möglicherweise ein Leben zu retten.

"Eigentlich nicht", gestand ich und sah zu dem Mann, den ich bedingungslos liebe. In seinen Augen sah ich die Sorge um mich, weshalb ich schnell nach seiner Hand griff und meine Finger mit seinen verschränken ließ.

"Und du musst es auch nicht sein", fügte ich hinzu und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

Ich war froh, dass Carter hier war. Nicht, weil ich Angst vor der OP hatte, sondern weil ich ihn gerne an meiner Seite haben wollen würde, wenn die Narkose einsetzte und ich einschlief, und wenn die Narkose nachließ und ich wieder aufwachte. Er gab mir schon immer ein sicheres Gefühl, und außerdem wollte ich sowieso jede verpasste Stunde mit ihm aufholen. Klar, er würde vermutlich eine Weile im Wartezimmer warten müssen, bis ich wieder ins Krankenzimmer gebracht werden würde, aber ich wüsste ihn immer bei mir.

"Ich bin nicht nervös", erwiderte er mit nachdenklicher Miene, als er das Krankenhaus mit seinen Augen scannte.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als er mich in genau dieselbe Klinik gebracht hatte, als ich mir tief in die Handfläche geschnitten hatte. Damals war noch vieles anders, damals waren wir einfach andere Menschen, kaum wiederzuerkennen, wenn wir unserem Selbst vor einem Jahr begegnet wären.

"Du weißt doch, ich mag keine Krankenhäuser", setzte er hinten dran, was mich allerdings zum Lächeln brachte. Mit meinem Ellebogen stupste ich ihm am Oberarm an, woraufhin er seine Augen zu mir drehte.

"Ich habe dich als meine Unterstützung mitgenommen, ich hatte nicht damit gerechnet, deine zu spielen", zog ich ihn auf, was sofort Wirkung bei ihm zeigte.

The Warren-Deal | (Broken Billionaires, #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt