Fourty-Seven

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Raya

Gedankenverloren kaute ich auf meiner Unterlippe. Eigentlich sollte ich mit meiner Aufmerksamkeit einzig und alleine bei meinem Vater sein, aber ich schaffte es nicht, mich auf etwas anderes zu fokussieren, als auf das, was in den letzten Tagen passiert ist, was an diesem ganz bestimmten Tag passiert ist. Pausenlos dachte ich darüber nach, wie das Gespräch zwischen Carter und mir verlaufen war, welche Worte gefallen waren, aber ganz besonders, die Tatsache, dass er keine von meinen Vorwürfen abgewiesen hatte.

An dem Tag, an dem die Räumungsklage zugestellt wurde, kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor und doch konnte ich mich an jedes einzelne Detail erinnern. Ich war gerade fertig mit der Arbeit und trat meinen Weg zur Organisation an. Mit meinen Gedanken hing ich eigentlich bei meinem Vater, deswegen traf mich dieser Brief auch wie ein Blitz einen hohen Maß. Zuerst dachte ich, dass das ein schlechter Scherz sei, da wir uns immer an alle Forderungen der Staat gehalten und ganz brav unsere Rechnungen gezahlt hatten. Als ich dann schließlich die stellvertretende Unterschrift der Warren Company auf dem weißen Papier entdeckte hatte, sackte alles in mir zusammen. Ich konnte nicht fassen, dass Carter hinter meinem Rücken eine Räumung angeordnet hatte. Ich konnte nicht glauben, dass er mich so verraten, so hintergangen würde. Ich konnte einfach nicht. Das würde bedeuten, dass die letzten Monate vollkommen irrelevant waren, und das würde ich nicht überleben können.

Innerhalb eines Jahres hatte sich mein Bild über Carter Warren vollkommen geändert. Früher war ich der Meinung, dass Carter genauso war, wie alle anderen aus der Oberschicht, nämlich arrogant, kaltherzig und egoistisch. Aber ich hatte ihn kennen gelernt, und zwar Stück für Stück. Er hatte sich mir geöffnet, sich mir offenbart, bis ich ihn besser kannte, als mich selbst. Er war nicht der Mann, der diese Unterschrift auf dem Papier gesetzt hatte. Er besaß ein reines Herz, immer mit dem Ziel das richtige zu tun, er könnte das alles also nicht einfach ohne schlechtes Gewissen getan haben.

Aber was wenn doch? Was wenn ich mich in ihn getäuscht hatte? Was wenn meine Gefühle mich blind gemacht hatten? Vielleicht hätte ich es dann klar sehen können, vielleicht hätte ich viele Dinge verhindern können. Angefangen von der Organisation und all den Bewohnerns des Stadtbezirks bis hin zu meinem Herzen. Das Herz, das nicht mehr existierte, weil Carter es mir mit beiden Händen rausgerissen hatte.

Ich hatte keine Ahnung, dass ich in der Lage war, noch weiterleben zu können, seitdem Carter nicht mehr in meinem Leben war, aber hier saß ich. Lebendig und doch tot. Ohne einen einzigen Tropfen Wasser in mir, den ich hätte noch vergießen können.

Die letzten Tage waren die Hölle, ich kann es noch nicht einmal gutreden, aber das möchte ich auch nicht. Innerlich brach und zersplitterte alles in mir, während ich äußerlich ruhig blieb. Anders konnte ich auch nicht auftreten, mein Vater brauchte jetzt einfach eine gewisse Sicherheit, die ich ihm nur geben konnte, wenn ich alles, was ich mit Carter verband, in eine Kiste sperrte und diese niemals aufmachte. Es war nicht die Zeit, um über all das zwischen uns zu trauern, zu weinen oder auch nur zu grübeln. Ich gab meinen Gedanken keine Chance, ich musste mich jetzt auf meinen Vater fokussieren. Meine Probleme mit Carter hatten gerade keinen Platz in meinem Leben. Es war das Beste, wenn ich mich ab sofort von ihm fernhielt und nie wieder den Kontakt zu ihm suchte.

Wieso konnte ich dann nachts, wenn ich alleine in meinem Bett lang und mich nichts außer die Stille umgab, an nichts anderes mehr denken, als an ihn? Wieso weinte ich dann still, mit zusammengepressten Lippen und gebrochenem Herzen vor mich hin? Wieso tat es dann so verdammt weh, obwohl ich mir ständig sagte, dass ich das alles nicht so nah an mich heranlassen sollte?

Carter hatte mich hintergangen, er hatte mir belogen, er hatte mich verletzt. Er hatte mir das eine genommen, was mir wichtig genug war, dass ich daran hing. Er wusste, wie viel mir die Organisation bedeutet, wie viel Arbeit ich und alle anderen in das Hilfsprogramm gesteckt hatte, wie viel Herzblut in dieses Projekt floss. Und jetzt war alles umsonst. Wir konnten und keine günstige Alternative leisten, weil es diese nun einmal nicht gab. Alles, was wir uns aufgebaut hatten, alles, was wir und erkämpft hatten, hatte jetzt keinen Sinn mehr.

The Warren-Deal | (Broken Billionaires, #1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt