Kapitel 14 - Redemia

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𝐑𝐄𝐃𝐄𝐌𝐈𝐀

Die Schlange, in welcher sie standen, zog sich schätzungsweise über zweihundert Meter. Pferdekarren und Gepäckesel, dicht an dicht, während eine Vielzahl von Stimmen in der Luft schwirrten. Ryu erblickte die unterschiedlichsten Gesichter. Insbesondere waren Trasoren vertreten. Hinter ihnen stand eine Familie von Händlern, die eindeutig das Blut von Füchsen in sich trugen und nur wenige Meter vor ihnen stand eine Frau, welche die Hand eines beflügelten Mannes hielt. Margunen waren schwerer zu identifizieren, aber Ryu meinte sich zu erinnern, einige Gestalten mit alten Stäben gesehen zu haben, an dessen Spitzen sich magische Runen befanden hatten. Wirklich unüblich war dieser Anblick trotzdem nicht. Trasoren waren auf dem Hauptkontinent fast so weit verbreitet wie die menschliche Zivilisation und wenn man es genau nahm, unterschieden sich Margunen auf biologischer Ebene nicht von Menschen.

Der Anführer blickte nach rechts, wo Estelle eingehakt in seinem Arm stand. Ihre Augen waren nach vorne gerichtet und sahen erst zu ihm, als sie seine Blicke spürte. Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie rückte noch ein Stück näher an ihn. Der Stoff ihrer Kleidung kitzelte seine Haut. Estelles Nähe war ihm nicht unangenehm. Die Phase, in der Mädchen und Jungs kicherten, wenn sie in Berührung mit dem anderen Geschlecht kamen, hatte er einfach übersprungen gehabt. Das war kindisch und sie befanden sich auf einer Mission. Hinzu kam, dass sie einander vertraut waren. Ryu hatte bereits mit vielen seiner Kameraden in einem Zimmer geschlafen. Wie oft war er mit Kiras Ellenbogen im Gesicht aufgewacht? Wie oft hatte Raidon seine Brust mit einem Kopfkissen verwechselt?

Endlich rückte die Schlange einige Meter nach vorne. Luna, die etwas seitlich der Schlange gestanden hatte, eilte wieder zu ihnen. »Es sollte nicht mehr lange dauern«, flüsterte sie ihnen zu. »Man kann bereits die Wachen sehen.«

Ryu richtete seinen Blick nach oben und spähte unauffällig über die Köpfe der Menschen. Tatsächlich erkannte er einige Speerspitzen. »Wie viele sind es?«

»Ich habe drei gezählt, aber es ist nicht auszuschließen, dass sich in der Nähe noch weitere befinden«, antwortete die Drachenteufel. Das schlichte, mehr staubig als gewaschene Dienstmädchenkleid, das er von einem Wagen stibitzt hatte, schmeichelte ihrer Geschichte. Natürlich war Stehlen nicht gut, aber so wie es in einer Ecke gelegen hatte, zusammengequetscht, schien es den Besitzern nicht gerade wichtig gewesen zu sein. Zudem hatte der Rest der Ware ebenfalls so ausgehen, als wäre es nicht länger für den Handel geeignet. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass die Kutsche ins nächste Moorgebiet fuhr, damit der Händler keine Kosten für die Entsorgung zahlen musste.

»Letztendlich spielt die Anzahl keine Rolle, solange wir unsere Rolle spielen«, kommentierte Estelle ihr Gespräch. »Ich schlage vor, anstelle uns gegenseitig nervös zu machen, atmen wir durch und entspannen ein wenig.«

Der Schwertkämpfer nickte zustimmend. Es wäre eine Lüge, wenn er behaupten würde, keinerlei Nervosität zu verspüren, aber es war auch nicht das erste Mal, dass er sich unter falschem Namen und Aussehen in eine Stadt schmuggelte. Der Nervenkitzel blieb gleich, während seine Worte und Taten von Mal zu Mal ruhiger wurden. Mit anderen Worten, solange niemand etwas Widersprüchliches von sich gab, würden sie nicht erwischt werden.

Es dauerte noch einige Minuten, bis sie schließlich von den Wachen aufgerufen wurden. Ryu setzte ein einfaches Lächeln auf, während Estelle ihm einen verliebten Blick zuwarf, als sie zu einem Mann traten, der die Verwaltung aller An und Abreisen zu übernehmen schien. Er saß auf einem hölzernen Stuhl. Sein Buch, dessen Seiten bereits zum größten Teil beschrieben waren, lag vor ihm auf einem Tisch. Wie erwartet, handelte es sich bei dem Aufseher um einen Damogen. Das verrieten die leicht rötlichen Augen.

»Name, Alter, Herkunft und Anliegen?«, verlangte der Aufseher schroff. Durch sein braunes Haar warf er ihnen einen ernsten Blick zu.

Ryu trat einen Schritt nach vorne. »Mein Name lautet Kain Apatow. Die bezaubernde Frau an meiner Seite ist meine Gattin Alice Apatow.«

Das Leiden der TeufelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt