𝐕𝐎𝐑 𝐃𝐄𝐌 𝐒𝐓𝐔𝐑𝐌
Inzwischen waren sieben Tage vergangen, seitdem Ryu seine Augen in Lunas bescheidener Hütte geöffnet hatte. Dank ihrer Hilfe verheilten seine Wunden gut und seit gestern war er nicht länger auf die Bandagen angewiesen.
Ryu stand in einem kleinen Anbau der Hütte, der nur von außen betretbar war. In dessen Inneren befand sich ein Becken aus Lehm geformt. Darunter eine Feuerstelle, welche die Drachendame Nachtstern bereits entzündet hatte. Das Wasser, das sich darüber befand, war noch relativ frisch. Nur Estelle hatte es zuvor benutzt. Aber das störte ihn nicht. Schließlich gehörte Estelle zu seiner zweiten Familie und jedes Mal neues Wasser zu besorgen, konnte er Luna nicht zumuten.
Seufzend entledigte sich Ryu seiner Kleidung und legte sie sorgfältig auf einem Hocker ab. Dann drehte er sich um und betrachtete sich in dem alten Spiegel, welcher neben der Wanne stand. Gestern hatte er die verheilenden Wunden erstmals in ihrem vollen Ausmaß gesehen und ihr Anblick war noch immer belastend. Ursprünglich hatte er gehofft, dass durch Lunas Magie keine weiteren Narben zurückbleiben würden, aber damit hatte er sich getäuscht. Obwohl sie ihm vor dem Tod bewahrt hatte, konnte auch sie nicht die Spuren der Vergangenheit verschwinden lassen. Diese Narben, sie waren die Beweise seines Versagens und er konnte sie nicht einfach verdrängen, wie er es mit seinen Gedanken tat. Es spielte keine Rolle, wie blass sie sich in der Zukunft färbten, er würde sie immer deutlich fühlen und an sein schlimmstes Vergehen erinnert werden.
Ruckartig wandte Ryu seinen Kopf von seinem Spiegelbild ab. Auch wenn er begonnen hatte, eigenständig zu laufen und zusammen mit Luna, Nachtstern und Estelle den Wald zu durchstreichen, so hatte er doch an Muskeln verloren. Harte Zeiten würden ihm bevorstehen.
Während der Schwertkämpfer einen Fuß in die Wanne setzte, hielt er sich am Rand fest. Dann ließ er sich langsam ins Wasser gleiten. Im Sitzen reichte es ihm bis zu den Achseln und strahlte eine angenehme Wärme aus. Sofort spürte Ryu wie die Entspannung durch seinen Körper fuhr. Dann lehnte er sich an und legte den Kopf in den Nacken. Je länger sie bei Luna lebten, desto mehr stieg die Gefahr sie zwischen die Fronten zu ziehen. Auch wenn sie sich willentlich dazu entschieden hatte, ihnen zu helfen, schuldig fühlte er sich trotzdem. Sie gab ihnen so viel und verlangte nichts zurück. Im Krieg glich sie einem Wunder, das vom Ersten geschickt wurde. Ihre Heilfähigkeiten waren außergewöhnlich. Das erkannte selbst ein einfacher Mensch wie er, aber um ehrlich zu sein, wusste er nicht, ob sie auch kämpfen konnte. Im Gegensatz zu den anderen Frauen, die er kannte, wirkte sie so gebrechlich, so verletzlich. Als könnte sie ein einziger Windstoß zu fernen Ufern tragen. Ryu konnte sich nicht helfen, als ein gewisses Maß an Verantwortung zu empfinden. Wenn Luna seinetwegen in Schwierigkeiten geriete, würde er alles tun, um sie zu beschützen. Andererseits befanden sie sich abseits jeglicher Zivilisation. Wer würde sie hier finden? Vielleicht waren seine Sorgen unbegründet.
Ryu rutschte an dem Rand der Wanne noch ein Stück herunter und genoss die Wärme, die nun seinen Hals küsste. Estelle schien sich bereits erholt zu haben. Das Einzige, das sie aufhielt, nach ihren Kameraden zu suchen, war seine Verfassung. Aber auch er hatte große Fortschritte gemacht. Sobald er fertig mit Waschen war, würde er Estelle mitteilen, dass sie spätestens in fünf Tagen aufbrechen würden. In dieser Zeit müsste er sich aufraffen und an sich arbeiten. Sein Schwert besaß er zum Glück noch. Dann könnte er seine Techniken mit der Klinge auffrischen. Vielleicht könnte er sogar Estelle zu einem Übungskampf überreden. Früher hatte er meistens mit Kira und Raidon trainiert, die ihn mehr als hart rangenommen hatten. Von einer ehemaligen Generälin und einem Limiter war auch nichts anderes zu erwarten. Aber auch Estelle war eine mächtige Kriegerin. Eine der fähigsten Todesgötter, die jemals gelebt hatten. Leider hatten ihre Artgenossen Estelles wahres Potenzial unterdrückt, aus Angst, dass sie sich gegen die Obrigkeiten wenden könnte. Auch wenn sie es nie als Unterdrückung empfunden hatte, ihre Schilderungen deuteten eindeutig darauf hin.
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Das Leiden der Teufel
Fantezie❞Weiß ist eine sinnliche Harmonie aller Farben, ein Spektrum an Reinheit und Frieden, das unter allen Umständen zerstört werden muss.❝ In weniger als fünf Tagen eroberten die Drachenteufel das Land Benela. Mit ihren magischen Fähigkeiten waren sie j...