Kapitel 16 - Tierische Unterhaltung

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𝐓𝐈𝐄𝐑𝐈𝐒𝐂𝐇𝐄 𝐔𝐍𝐓𝐄𝐑𝐇𝐀𝐋𝐓𝐔𝐍𝐆

Nachdem Ryu und Estelle das Wirtshaus gemeinsam verlassen hatten, beschlossen sie sich aufzuteilen und getrennt nach Informationen zu suchen. Dazu teilten sie die Hafenstadt in zwei Bereiche. Estelle übernahm den östlichen Bereich, wozu unter anderem der Markt gehört. Dafür kümmerte sich Ryu um die Attraktionen, die sich nicht direkt um das Zentrum der Stadt spannten. Dazu gehörten nicht nur Spielhallen und Theater, sondern auch der Zoo, dessen Berühmtheit sich über den gesamten Hauptkontinent zog.

Soeben verließ Ryu ein Theater, nachdem er dieses unter dem Vorwand, sich über das Programm zu erkundigen, betreten hatte. Die Gegend, in die er sich befand, unterschied sich deutlich vom Markt. Mit seiner einfachen Kleidung fiel er auf wie ein bunter Hund. Zumal ihn die vielen reichen Leute mit verächtlichen Blicken musterten. Selbstverständlich war es dem einfachen Volk nicht verboten, durch diese Straßen zu schlendern, hoch angesehen war es trotzdem nicht. Die Familien, mit ihren Anzügen und schönen Kleidern machten einen großen Bogen um ihn. Sah er wirklich so schlimm aus? Selbst ein höfliches Lächeln half nicht viel.

Ryu blickte die Fassaden des Theaters hoch. Nur wenn er den Kopf in den Nacken legte, konnte er das Dach erkennen, an dem allerlei bunte Stoffe befestigt worden waren. Die Tücher waren aufwendig bestickt, oftmals mit den Titeln der derzeitigen Vorführungen. Auf einer Fahne erkannte er einen Vogel, der seine Schwingen elegant ausbreitete. Da er mit Estelle ausgemacht hatte, sich gegen Sonnenuntergang wieder im Wirtshaus zu treffen, würde ihm nicht genug Zeit bleiben, um sämtliche Attraktionen, die Redemia anbot, abzuklappern. Er musste seine Suche priorisieren. Dabei hatte ihn der Vogel auf eine Idee gebracht. Er würde jenem Zoo einen Besuch abstatten. Selbst wenn er nicht das Gelände betreten könnte, aufgrund des hohen Eintrittspreises, so würde er wesentlich mehr Familien belauschen können, als in der Eingangshalle eines Theaters. Eine andere Option blieb ihnen momentan nicht. Selbst wenn sie an einen Informanten gelangen würden, dieser würde Informationen bezüglich der Rebellion zu keinem niedrigen Preis verkaufen. Möglicherweise könnte ihn Luna mit absoluter Manipulation zum Reden bringen, aber solange die Drachenteufel ans Bett gefesselt war, gab es keine andere Möglichkeit. Natürlich konnten Estelle und er jemanden bedrohen, aber wenn er darüber nachdachte, war ihm diese Vorgehensweise zu riskant. Was, wenn der Informant sie anschließend bei den Soldaten verpfiff? Sie müssten ihn vollends beseitigen, aber das konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Definitiv nicht.

Der Anführer fuhr sich durch das Haar und setzte sich anschließend wieder in Bewegung. Wenn er sich richtig an den Stadtplan erinnerte, den im Wirtshaus hing, dürfte der Eingang des Zoos nicht allzu weit entfernt nach. Zum Glück konnte er sich auch auf seine Nase verlassen. Die vielen Kochstunden bei seiner Mutter hatten ihn sensibler für Gerüche gemacht, als jemand, der sich nie mit Kräutern und Gewürzen auseinander gesetzt hatte. Zumal Tiere bekanntlich einen gut erkennbaren Eigenduft besaßen. Jetzt galt es nur noch zu hoffen, dass sich der Zoo nicht hinter meterhohen Mauern befand. Auch wenn er scharfe Sinne besaß, das änderte nichts an der Begrenztheit, die er durch sein menschliches Blut besaß.

Tatsächlich fand Ryu, nachdem er zweimal in eine neue Straße abgebogen war, ein Schild, das ihm den restlichen Weg deutete. Anschließend dauerte es keine fünf Minuten, bis er das große Eingangsschild erkannte. Auf einem metallenen Gerüst, ungefähr in vier Metern Höhe prangte die Aufschrift Tierpark Redemia. Direkt unter dem Schild standen mehrere Kassenhäuschen, vor jedem eine Schlange von mindestens zwanzig Personen. Trotz der schrecklichen Zeiten, in denen sie sich befanden, mangelte es dem Zoo nicht an Kunden. Wenn man die lachenden Gesichter der Menschen sah, konnte man kaum glauben, dass draußen der Krieg tobte. Allein in diesem Moment, wie viele tausend Menschen litten aufgrund der Drachenteufel? Auf der einen Seite, fand Ryu es erleichternd, dass in manchen Bereichen Benelas Normalität herrschte. Auf der anderen Seite enttäuschte ihn das Verhalten der Menschen. Sie sahen zu, wie Benela Stück für Stück dem Erboden gleich gemacht wurde. Stattdessen fügten sie sich aus Bequemlichkeit der Regentschaft der Drachenteufel. Und wenn man fragte, warum sie ihre Stimmen nicht erhoben: Was kann ich schon bewirken? Ich bin doch nur eine einzelne Person.

Das Leiden der TeufelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt