𝐊𝐑𝐎𝐍𝐄𝐍𝐇𝐄𝐑𝐙
Da war sie wieder. Die Flamme. Das Feuer. So warm und rein. Tanzend zu einer imaginären Musik. Ryus Erinnerungen an die Hitze waren fahl, als befänden sie sich hinter einer dicken Nebelschicht. Aber das Gefühl war ihm vertraut. Die Flamme brachte Licht in die Dunkelheit. Erst spärlich, dann immer greller.
Nach Luft schnappend riss Ryu seine Augen auf. Seine Sicht war scharf, wenngleich die Schmerzen nicht abgeklungen waren. Über ihn erkannte er Fenrys tränendes Gesicht. Er schien nicht lange ohnmächtig gewesen zu sein, andernfalls hätte Estelle ihre Seite längst verlassen. Es konnten nur wenige Sekunden gewesen sein. Aber war er nicht dabei, sich in ein Tier zu verwandeln. Benommen hob er seine Hand. Rote Schuppen umzogen sein Handgelenk, aber sie schienen sich nicht weiter zu vermehren. Wie eine Hautkrankheit, die man eingedämmt hatte. Er verwandelte sich nicht weiter. Aber warum?
»Ryu?«, flüsterte Fenrys besorgt und half ihm beim Aufstehen. Der Anführer atmete tief durch und schüttelte seine Hand sein ab. Dann fuhr er sich über sein Gesicht. Auch dort hatten sich die Schuppen verbreitet. War er im Begriff gewesen, eine Schlange zu werden? Er fühlte weiter. Zwischen seinen Haaren, so winzig, dass es andere nicht sehen konnte, ertastete er zwei Buckel. Sichtlich verwirrt fuhr er erneut über die Stelle. Waren das Hörner? Schlangen besaßen keine Hörner. Wollte er sich in einen Drachen verwandeln? Aber warum? Angesichts der Tatsache, dass Raidon zu einem Donnerwolf geworden war, wunderte es ihn nicht, dass man sich in eine andere magische Bestie verwandeln konnte, aber er hätte nicht erwartet, dass es ausgerechnet ihn traf. Trotzdem ergab es irgendwo Sinn. Raidon wurde zum Donnerwolf, weil er einen persönlichen Bezug zu ihnen besaß. Sein Vater war ein Drachentöter gewesen und die Schwertkunst, die er ausführte, hatte er von ihm gelernt. Hinzu kam sein Mantel aus Drachenschuppen. Möglicherweise war es doch nicht so ungewöhnlich, dass sich ein einfacher Mensch in eine magische Bestie verwandelte. Vielleicht lag es auch an seiner Entschlossenheit.
»Ich kann kämpfen, macht euch keine Sorgen.« Ryu griff nach seinem Schwert und unterdrückte die Schmerzen. Das war keine Lüge. Er war konnte kämpfen. Er fühlte jeden Muskel, jede Faser seines Körpers. Aber das bedeutete nicht, dass es seine Funktionalität einschränkte.
»Seid Ihr sicher, Anführer?« Estelle blickte kurz über ihre Schulter. Ryu nickte und stellte sich an ihre Seite. Dann senkte er seine Stimme, damit Azazel ihn nicht hörte. »Wir gehen in die Defensive. Es sollte nicht lange dauern, bis Raidon kommt.«
Fenrys nickte, griff nach einem Pfeil, spannte seinen Bogen und schoss auf eine Ranke. Der Direktor lachte, als der Pfeil abprallte wie von einem Schild. »Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, die Verwandlung zu stoppen, aber das bedeutet lediglich, dass ich euch erst in Grund und Boden stampfen muss. Nur eine kleine Planänderung.«
Ryu startete den Angriff, der die Schlacht eröffnete. Glücklicherweise besaß seine Klinge weiterhin immer die Fähigkeit, seine Ranken zu durchtrennen. Trotzdem benötigte es einiges an Kraft. Der Anführer durchtrennte die erste Schlingpflanze, drehte sich um seine eigene Achse, um mit dem Schwung einen weiteren Feind niederzustrecken. Anschließend rollte er sich nach rechts, wodurch er einem Rankenhieb entkam, dessen Wucht mühelos den Boden zertrümmerte. Den nächsten Angriff blockte er mithilfe seiner Schwertschneide, wodurch er die Bedrohung hinter sich nicht rechtzeitig erkannte. Glücklicherweise eilte Estelle ihm zur Hilfe und zertrümmerte das Unkraut in seine Einzelteile.
Viel Zeit für Dank blieb nicht. Der Schweiß tropfte von seiner Stirn. Ryu konnte nicht sagen, wie lange er dieser Belastung noch stand halten würde. Die Ranken vermehrten sich schneller, als er sie beseitigen konnte. Wo blieb Raidon? Sie könnten seine Hilfe wirklich gebrauchen.
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Das Leiden der Teufel
Fantasía❞Weiß ist eine sinnliche Harmonie aller Farben, ein Spektrum an Reinheit und Frieden, das unter allen Umständen zerstört werden muss.❝ In weniger als fünf Tagen eroberten die Drachenteufel das Land Benela. Mit ihren magischen Fähigkeiten waren sie j...