~19

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Tyler und ich kamen noch gerade rechtzeitig draußen auf der Anlage der Herberge an. Es war echt stockdunkel und nur die Taschenlampe von Frau Bergold erleuchtete die Umgebung. Augenblicklich marschierten wir davon, in Richtung der Berge, wo ein großer Wald war, durch den wir hierher gefahren waren.

"Hey", hörte ich, während mir eine Hand auf die Schulter klatschte. Es war Nicholas, der mich so dermaßen erschrak.

"Geht's dir besser?", fragte er vorsichtig.

Beängstigt lächelte ich ihn an: "Wenn du mich nochmal so erschreckst, wahrscheinlich nicht!" Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

"Wisst ihr, wo wir hingehen?", fragte er mich und Tyler. Tyler schüttelte nur den Kopf.

"Wahrscheinlich in den Wald, würd ich schätzen", antwortete ich besten Gewissens.

"Das denke ich auch", ertönte auf einmal eine weibliche Stimme hinter uns, die uns alle erschrak.

"Wo warst du? Ich hab euch schon die ganze Zeit gesucht!", beschwerte sich Amanda bei Tyler, während sie seine Hand ergriff.

"Ich musste noch Henry holen, hab ich doch gesagt", erklärte er.

"Sie sind schon irgendwie süß, oder?", flüsterte mir Cole leise ins Ohr.

"Was? - Jaja, ich bin gleich wieder da", reagierte ich auf seine Worte, denen ich absolut keine Beachtung geschenkt hatte. Es gab Wichtigeres zu tun, das hier war eine Leben-oder-Tod-Situation.

"Amanda, könnte ich vielleicht kurz mit dir reden?", fragte ich direkt heraus, meine Stimme ernst wie immer. Tyler gab mir einen ernsten Blick, mit dem er mir suggerierte, ruhig zu bleiben. Also atmete ich aus, er hatte Recht. Bleib ruhig verdammt! Zusammen mit Amanda entfernte ich mich also ein Stück von den anderen.

"Was gibt's?", fragte sie verwirrt.

"Also, ehm, du hast Tyler gesagt, dass ich auf Cole stehen würde - das kannst du sonst niemandem sagen, okay?", versuchte ich ihr klar zu machen.

"Es ist doch aber wahr, oder nicht?", klagte sie unverständlich.

"Ja, natürlich ist es wahr. Aber Cole würde es nicht verstehen..."

Verdammt, wieso war Amanda nur so unglaublich sturr?!

"Jetzt hör mir mal zu, Henry", fing sie ernst an. Das war total unerwartet und raubte mir jede Möglichkeit auch nur irgendwas zu sagen.
"Nicholas ist der verständnisvollste Mensch, den ich kenne, wenn er es nicht versteht, versteht es keiner. Ich will mich nicht in eure Beziehung einmischen, die ihr habt, aber früher oder später wird Cole rausfinden, was du für ihn empfindest. Tyler hat dir das nicht umsonst gesagt, weißt du?", gestand sie.

"Was? Ich dachte, dass du..." ich hatte gedacht, dass sie meine Beziehung zu Cole zerstören wollte, aber das hatte ich mir nur eingebildet.

"Du kennst mich doch gar nicht richtig, Henry. Glaub mir, ich versteh dich besser, als du glaubst. Vor zwei Jahren war ich in meine beste Freundin verliebt, ich. Ich habs ihr gesagt, daraus wurde nichts, so ist das Leben. Ich hab mit Tyler darüber geredet, weil wir dir helfen wollen. Es ist nämlich genauso offensichtlich, dass Nicholas etwas für dich empfindet, wie du für ihn. Die einzigen, die das nicht sehen, seid ihr!", meckerte sie mich an.

Verdammt hatte sie gute Argumente. War ich wirklich so blind gewesen? Mochte Cole mich auch?

"Du wirst Cole also nichts sagen?", fragte ich noch immer verwirrt, irgendwie waren Amandas Worte noch nicht ganz in meinem Kopf angekommen.

"Ich schlag dich gleich, wenn du weiter so dummes Zeug laberst!", wurde sie sauer. "Können wir jetzt zurückgehen? Ich würde gerne etwas Zeit mit meinem Freund verbringen, so wie es geplant war", klagte sie.

"Natürlich, 'tschuldige", entschuldigte ich mich bei ihr, dass ich so unglaublich unvernünftig gehandelt hatte, dass ich nicht über meinen eigenen Horizont hinausblicken konnte.

"Wo sind die anderen denn?", fragte Amanda unruhig. Durch unser Gespräch hatten wir die anderen ganz aus den Augen gelassen und standen nun zu zweit im Dunkeln irgendwo in einem riesigen Wald.

"Sind sie nicht da lang gegangen?", wollte ich wissen.

"Keine Ahnung", reagierte sie. "Halt einfach kurz den Mund, vielleicht hören wir sie noch!", maulte sie mich an und hielt ihre Finger vor mein Gesicht. Zugegeben Amanda war manchmal echt schwierig zu lesen, aber ihr Herz hatte sie am rechten Fleck. Da war ich ganz froh, dass sie diejenige war, die mit Tyler zusammen war.

"Ich kann sie hören, komm bevor wir sie verlieren!", forderte sie mich nach einem Augenblick auf. Auf ihre Aufforderung hin folgte ich ihr vorbei an den Bäumen.

"Du hast gesagt, dass ihr mir helfen wollt, wie genau wollt ihr das machen?", überlegte ich laut, während ich unser Gespräch verarbeitete.

"Es ist besser, wenn du das nicht weißt", antwortete sie stumpf. Fuck, das machte mich ganz nervös. Was plante sie?

"Mach dir keine Sorgen, ich hab schon mal eine Abfuhr bekommen und ich lerne aus meinen Fehlern. Das wird dir gar nicht erst passieren. - Es gibt nur eine Sache, die du auf keinen Fall tun darfst", erklärte sie, während wir weiter zur Gruppe aufholten.

"Was meinst du?", hakte ich nach.

"Sei nicht so dumm und sag ihm, was du für ihn empfindest, sonst lässt er dich ablitzen. Lass ihn zu dir kommen, lass ihn dich haben wollen. Umso weniger er dich kriegen kann, umso mehr will er dich haben, glaub mir", ermutigte sie mich.

Irgendwie ergaben ihre Worte keinen Sinn für mich, aber ich vertraute ihr. Sie hatte hierbei definitiv mehr Erfahrung als ich. Vor allem, dass sie in ihre beste Freundin verliebt war, hätte ich nicht erwartet. Ich meine, natürlich wusste ich, dass es bisexuelle Menschen gab, aber ich hatte Amanda gar nicht so eingeschätzt. Was solls, man kann jemandes Sexualität ja nicht am Aussehen ablesen. Ich nickte nur auf ihre Worte, jetzt noch zu antworten, wäre sowieso unmöglich gewesen, da wir im selben Moment zur Gruppe aufschlossen.

"Ist alles in Ordnung bei euch? Ihr wart so lange weg", fragte Nicholas verwundert. Gleichzeitig griff Amanda erneut nach Tylers Hand.

"Ja, ich musste Henry nur ein paar Dinge zu meinem gutaussehenden Freund hier fragen", antwortete Amanda, grinste Cole an und küsste Tyler.

"Nehmt euch ein Zimmer, man", beschwerte sich Cole und verdrehte die Augen. Echt unglaublich wie froh ich jetzt war, dass diese drei Idioten meine Freunde waren.

Nervös mit dir [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt