~27

1.6K 63 1
                                    

Mit zuckenden Muskeln hangelte ich mich irgendwann an der Wand nach oben und aus dem Zimmer. Meine Gedanken kreisten nur um Cole, wie er mich schon den ganzen Tag angesehen hatte, was Amanda mir gesagt hatte, dass sie mir helfen wollte. War das ihr Plan gewesen? Cole eifersüchtig zu machen? Wenn es das war, hatte es wohl funktioniert, doch jetzt fühlte ich mich noch verlorener als ich es bisher getan hatte. Cole war schon immer mein Freund gewesen und jetzt waren wir irgendwas anderes. Nur hatte nicht ich diesen Schritt gewagt, sondern er. Vermutlich sollte ich glücklich darüber sein, über alles, was heute passiert war, doch ich wäre tausendmal glücklicher, wenn Cole jetzt hier neben mir wäre und nicht wer weiß wo. Zittrig wackelte ich Schritt für Schritt den Gang hinunter, um zu der Party zu gelangen, von der man schon laute Musik spielen hörte. Die Herberge hatte noch ein separates Gebäude, wo zu Veranstaltungen gegessen wurde, wie es aussah. An den Seiten des großen Raumes waren die Tische geschoben, dass sich in der Mitte eine offene Fläche ergab. Frustriert schaute ich mich um, doch zwischen all meinen Klassenkameraden konnte ich Nicholas nirgends entdecken. Vielleicht war er auch gar nicht hier. Vielleicht sollte ich mir aber auch gerade einfach keine Gedanken um ihn machen. Wenn er mich mochte, was nach unserem Kuss gar nicht mehr so unwahrscheinlich war, dann hatte ich jetzt wenigstens wirklich eine Chance. Schließlich war es nicht einfach, sich einzugestehen, Gefühle für Männer zu haben. Das wusste ich aus jahrelanger Erfahrung. Vor allem für Cole müsste es schwer sein, der wie ich vermutete, genauso geschockt von seinen Taten war wie ich. Der, immer eingeredet bekam, wie ein richtiger Mann zu leben hatte. Vielleicht brauchte er nur etwas Zeit, um zu verarbeiten, was hier eigentlich abging, was in ihm abging. Ich brauchte das definitiv auch.

"Wo ist Cole?", fragte Tyler mich auf einmal, nachdem er sich an mich angeschlichen hatte.

"Das wüsste ich selbst gern", entgegnete ich ernst.

"Ist alles okay?", fragte er mich besorgt durch mein gesamtes Auftreten, meine Stimme und meine rot angelaufenen Augen. Kurz schaute ich ihm ins Gesicht, wahrscheinlich verstand er, was ich ihm sagen wollte.

"Komm raus, lass uns draußen reden", sagte er und zog mich mit sich aus dem Gebäude. "Was ist los?", fragte er ernst.

"Keine Ahnung, - ich war im Bad und dann kam Cole auf einmal - und hat mich einfach so geküsst... I- Ich war total überfordert und dann ist er abgehauen, einfach so. Hat sich bei mir entschuldigt und ist gegangen", erklärte ich aufgeregt. In diesem Moment war es mir nicht möglich den Augenkontakt mit Tyler zu halten. Mein Körper stand einfach vollkommen unter Adrenalin. Gefühlvoll packte Tyler mich an den Schultern und rieb etwas auf und abwärts.

"Beruhig dich erstmal, das klingt doch eigentlich ganz gut, oder nicht?", sagte er ruhig. Ich wollte ihm widersprechen, doch was wenn er Recht hatte. War das gut so? "Schau mal, wie wär's damit: Ich suche Cole für dich und rede mit ihm. Und du gehst schön auf die Party zurück und hast Spaß, okay? Ich will, dass du jetzt nicht mehr an Cole denkst. Ich regel das", bot er mir an.

Ich schüttelte den Kopf, nein verdammt, das wollte ich nicht. Ich wollte selbst mit ihm reden! Allerdings ließ Tyler mir keine Wahl. Unbeabsichtigt stark schubste er mich zurück ins Haus und übergab mich an Amanda als wäre ich ein scheiß Hund. Er war wirklich ein guter Freund, aber ich war einfach zu betrunken, um klar zu denken.

Die laute Musik in meinen Ohren beruhigte mich dann doch etwas, zumindest mein Herz raste nicht mehr als würde es gerade 200km/h fahren. Im Moment war es wohl das Beste, dass Tyler sich jetzt um alles kümmerte und vielleicht wäre es das Beste für mich, endlich mal eine Nacht meinen Kopf von Nicholas freizukriegen. Abstreiten konnte ich es aber nicht, Sorgen machte ich mir schon. Irgendwie wünschte ich mir schon ein bisschen, dass alles wieder wie früher war - es wäre mir schon genug, wenn Cole ohne mich glücklich wäre, denn dann wäre ich genauso glücklich wie er. Auf der anderen Seite hätte ich dann niemals diese weichen geschmeidigen Lippen oder seine Zunge auf meiner gespürt und dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich. Unbeschreiblich beruhigend und erregend zugleich. Allein der Gedanke daran, wie Cole mich küsste, ließ meine Knie wieder zittern.

"Du bist raus, Henry!", weckte mich plötzlich eine Stimme aus meinen Gedanken. Frau Bergold hatte uns dazu gebracht Stopptanz auszuführen. Eigentlich war ich da echt gut drin, doch jetzt gerade zitterte ich einfach immer noch zu sehr und war zu schwach, um mich stabil aufrecht zu halten. Dazu kam noch der dreckige Alkohol in meinem Blut, der langsam richtig kickte. Gerade laufen fiel mir schon unglaublich schwer, wie sollte ich da beim Stopptanz gewinnen?

Wahrscheinlich war es mittlerweile schon Mitternacht geworden, aber Cole und Tyler hatte ich die ganze Zeit nicht einmal gesehen. Nicht ein einziges verdammtes Mal. Diese Feier war scheiße langweilig ohne meine einzigen Freunde, sogar so scheiße langweilig, dass ich aus Langeweile mit Sam und Marcus getanzt hatte. Niemand tanzte mit ihnen, niemand mochte sie wirklich. Um ehrlich zu sein, hatte ich gar nichts gegen sie, nur diese Situation zwischen mir und meinem ehemaligen besten Freund Marcus war wie so eine unausgesprochene Sache, die immer zwischen uns stand und uns immer weiter voneinander entfernte. Letztendlich wurde es mir zu awkward und durch Frau Bergolds komischen Stopptanz konnte Amanda mich wenigstens nicht länger auf der Party gefangen halten. Also haute ich ab und wackelte mir meinen Weg hinüber zum Steg. Scheiße kalt war es hier draußen, vor allem das Wasser, doch viel schlimmer waren die nervigen Mücken, die mich alle sofort verspeisen wollten. Glücklicherweise hatte ich ja keine kurzen Klamotten an, nur mein Hemd, das war ja ziemlich dünn. Da könnten sie trotzdem ohne Probleme durchstechen. Wie auch immer, das war mir alles egal. Ich brauchte nur einen Moment meine Ruhe. Ungeschickt stülpte ich meine Schuhe von den Füßen, ohne die Schnürsenkel zu öffnen und warf sie mit meinen Socken an die Seite. Im Wasser baumelten meine Füße nun zum Rythmus der Musik, die man noch deutlich wahrnehmen konnte. Erschöpft blickte ich in den Himmel und beobachtete die Sterne, zählte sie überlegte welcher von ihnen wohl die bekannte Raumstation war. Irgendwie war das alles - keine Ahnung, was danach passierte - vermutlich holte mich Tyler irgendwann zurück ins Zimmer. Erinnern konnte ich mich daran aber nicht. Er meinte nur, dass ich wohl am Steg eingeschlafen wäre und er mich mit Amanda zusammen ins Bett gebracht, mir meine Sachen ausgezogen und mich schlafen gelassen hätte. Zumindest war das das, was er mir am nächsten Morgen erzählte.

Nervös mit dir [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt