Kapitel 56

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PoV Kai

Besorgt blicke ich auf den kleinen Körper vor mir. Schon wieder hat sie das Bewusstsein verloren und ihre Lippen werden von Minute zu Minute blauer.

"Warum tragen wir sie nicht zum Auto? Da ist es viel wärmer und wir können sie in ein Krankenhaus fahren."

"hast du schonmal was vom Bergungstod gehört? Dabei kann es zu Herz-Kreislauf-Störungen kommen, auch Afterdrop genannt. Wir müssen sie flach hinlegen. Gib mir nochmal meinen Rucksack. Mit etwas Glück ist da noch etwas vom letzten Einsatz drin."

Vorsichtig und Stück für Stück löse ich sie vom Baumstamm und lege sie auf den Boden. Dabei entgeht mir nicht, dass sie viel zu leicht ist für ihr Alter.

Sobald sie auf dem Boden liegt, suche ich wieder in meinem Rucksack. Mit etwas Glück sind noch chemische Wärmebeutel von einer Hibler-Wärmepackung da drinnen. Und tatsächlich bin ich noch nicht dazu gekommen sie auszupacken. Schnell aktiviere ich sie und lege sie auf ihren Rumpf, danach wickele ich wieder die Decke um ihren Oberkörper. Die Arme und Beine lasse ich dabei bewusst frei.

"Weist du noch den Weg zurück zum Auto Matts?"

"Klar, so weit ist das ja gar nicht."

"Gut, dann lauf jetzt bitte zum Auto und fahr zu mir nach Hause. Im Flur müsste ein dunkelgrüner Schlafsack rumliegen. Den nimmst du mit und kommst wieder hierher."

"Alles klar. Aber warum? Können wir sie nicht weiter in Decken einwickeln? Das wäre doch viel einfacher und ginge auch schneller."

"Das erkläre ich dir später. Beeile dich, wir müssen sie so schnell wie möglich richtig aufwärmen. Ich passe so lange auf sie auf und schiene den Fuß nochmal richtig. Versuch am besten auch den Notruf zu wählen. Mir wäre es lieber, wenn das professionelle Leute machen."

Etwas verwirrt sieht mich Matts noch einmal kurz an und macht sich dann aber endlich auf den Weg. Hoffentlich findet er den Weg zum Auto und wieder zurück schnell. Ansonsten steht es um Ricca nicht gut. Sehnlich wünsche ich mir, dass ein Kamerad der Kampfretter hier wäre. Die wissen viel besser was machen kann und haben auch ganz andere Mittel als ich im Moment. Aber wie es meistens so ist, ist das was man im Moment am meisten braucht in unerreichbarere Ferne. 

Die Zeit überbrücke ich damit regelmäßig ihre Atmung zu überprüfen und sie nach weiteren äußerlichen Verletzungen zu untersuchen. Nebenbei pfeife ich zur Beruhigung den Refrain von Whatever it takes von Imagine Dragons vor mich hin. Doch bis auf den geschwollenen und schon leicht blauen Knöchel finde ich keine Verletzungen. Schließlich höre ich in der Ferne Äste knacken und hoffe, dass es Matts ist, der den Biwaksack bringt. Wenige Momente später bricht er auch schon aus dem Unterholz und hält mir den Sack unter die Nase.

(Wusstet ihr das ein Moment definiert ist? Es handelt sich hierbei um eine alte britische Zeiteinheit und umfasst neunzig Sekunden.)

Dankend nehme ich ihn entgegen und breite ihn neben ihr aus. Zusammen legen wir sie rein und ich verschließe alles.

"Was machen wir jetzt?"

"Warten. So herzlos es auch klingen mag. Das ganze sollte sie auf circa 36° aufwärmen. Erst dann können wir sie zum Auto bringen. Mit viel Glück kommt sie auch wieder zu Bewusstsein."

"Ist sie nur wegen der Unterkühlung bewusstlos?"

"Vermutlich. Wahrscheinlich spielen Schlaf-und Nahrungsmangel allerdings auch eine wichtige Rolle."


Whatever it takesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt