8. Kapitel - Ich bin keine Hexe!

142 15 0
                                    

„Gefährlich? Was soll an einfachen Zufällen bitte gefährlich sein?", fragte ich verwirrt.

„Keine Ahnung, vielleicht bist du ja eine Hexe oder so... und die Zufälle kündigen deine Kräfte an." Ich begann zu lachen. Das meinte sie nicht ernst oder? Eine Hexe? Ich? Sicher nicht! Ich hatte mit diesem ganzen übernatürlichen Zeug nichts am Hut. Ich glaubte ja nicht mal an Geister.

„Was ist so witzig?", zischte sie gekränkt, als ich ihre Theorie keineswegs ernst nehmen konnte und mein Gelächter immer heftiger wurde.

„Maliee, komm schon. Eine Hexe? Ich? Sind wir für diesen Kram nicht zu alt?" Maliee und ich hatten mit den Zufällen schon in unserer Kindheit zu tun gehabt. Nichts Ungewöhnliches bis dahin. Jedem passieren schließlich eine Menge Zufälle. Nur hatte meine Mom dem schon immer zu viel Bedeutung bei gemessen, sodass Maliee und ich angefangen hatten, die wildesten Storys zu erfinden. Wir hatten uns für Hexen gehalten und Wetten abgeschlossen.

Das Unheimliche daran war nur, dass viele unserer Vorhersagen tatsächlich eingetroffen sind. Ich erinnerte mich an eine Zeit, in der Maliee und ich beinahe jeden Tag Dinge erlebt hatten, die wir uns den Tag zuvor so oder so ähnlich, vorgestellt hatten. Desto älter wir wurden, desto seltener gingen unsere Vorhersagen in Erfüllung. Wahrscheinlich, weil wir aufgehört hatten daran zu glauben. Ich tat das zumindest. Als ich älter wurde, befasste ich mich zunehmend mit der Realität und verdrängte die Träumereien. Wahrscheinlich hatten wir uns als Kinder in diese Sache einfach hineingesteigert und ein paar Dinge dazu gereimt, an die wir uns jetzt nicht mehr erinnerten.

„Was für einen Kram? Denk doch mal daran, wie oft uns früher diese Zufälle passiert sind und kannst du dich noch daran erinnern, wie wir..."

„Wetten abgeschlossen haben und die real geworden sind?", unterbrach ich sie genervt.

„Ja genau!", entgegnete Maliee voller Euphorie. Manchmal glaubte ich, dass sie die Zufälle ähnlich ernst nahm, wie meine Mom es tat. Nur, dass sie für sie etwas Gutes waren. Maliee hatte man schon immer mit Fantasien und Legenden begeistern können.

„Ja kann schon sein, aber vorhergesagt haben wir lange nichts mehr. Bestimmt drei Jahre nicht. Außerdem haben wir uns früher da vielleicht einfach ein bisschen zu sehr reingesteigert. Ich glaube einfach an diesen Unsinn nicht. Ich bin keine Hexe. Davon hätte mir doch wohl jemand erzählt. Außerdem gibt es keine Hexen!", sagte ich festentschlossen.

„Genau das ist aber dein Problem. Du glaubst nicht mehr daran und deswegen passiert es nicht. Nachdem wir aufgehört haben etwas vorherzusagen, habe ich es eine sehr lange Zeit alleine versucht, aber es hat kein einziges Mal geklappt. Es hat nur funktioniert, wenn wir zusammen waren. Es muss also an dir liegen. Irgendetwas Übernatürliches hast du an dir."

Maliee konnte wirklich überzeugend sein und oft ließ ich mich zu Dingen hinreißen, die ich ohne ihre Überzeugungskraft niemals ausprobiert hätte. Aber eine Hexe? Nein, eine Hexe war ich ganz sicher nicht. Dann hätte mir doch aus Versehen mal ein Zauber passieren müssen oder nicht? Ich würde doch wohl wissen, wenn ich eine Hexe wäre!... Fast hätte ich mich mit in diesen übernatürlichen Kram hineinziehen lassen. Dann aber kehrte meine Vernunft wieder zurück und machte mir klar, dass es sowas wie Hexen doch gar nicht gab. Alles ließ sich wissenschaftlich erklären und was sich nicht wissenschaftlich erklären ließ, darüber sollte man vielleicht einfach nicht nachdenken.

„Okay, okay stopp! Ich bin keine verdammte Hexe. Geht das in deinen Kopf?", unterbrach ich ihre euphorischen Träumereien, über all die tollen Dinge, die ich ja hexen könnte.

„Woher willst du das wissen? Kannst du's nicht einfach ausprobieren?"

„Ausprobieren? Sag mal geht's dir noch gut. Soll ich mir jetzt einfach einen Zauberspruch ausdenken und tadaaa schon kann ich hexen? Ich glaube du bist ein bisschen zu weit von der Realität entfernt", entgegnete ich kopfschüttelnd und wusste nicht so recht, wie ich sie aus ihren Träumereien wecken sollte. Würde sie mir gegenüber stehen, würde ich sie wahrscheinlich einfach schütteln.

„Nein, so mein ich das nicht. Lass uns was überlegen, was morgen passieren soll. Dann sehen wir doch am besten, ob daran irgendwas wahr sein könnte." Ich seufzte. So ein Schwachsinn. Wir hatten das ewig nicht mehr gemacht. Das würde niemals klappen. Die letzten Male war gar nichts mehr passiert, wieso sollte es uns also jetzt gelingen? Außerdem hatte ich, seit dem Verlassen von New York, keinen einzigen Zufall mehr erlebt. Es konnte also gar nicht an mir liegen. Vielleicht war es auch meine Mutter gewesen, die mich für diese bedeutungslosen Zufälle sensibilisiert hatte und jetzt wo sie nicht mehr in meiner Nähe war, fielen mir die Zufälle nicht mehr auf. Weil sie eben einfach nur Zufälle waren!

„Muss das sein? Das wird doch eh nicht funktionieren", versuchte ich sie umzustimmen. Doch Maliee war wie besessen und sich sicher, ich würde auf diese Weise etwas ganz Wichtiges über mich herausfinden. Mir war klar, dass sie sich nicht abwimmeln lassen würde, als stimmte ich ihr schließlich einfach zu und hoffte damit meine Ruhe zu haben.

„Okay, sehr gut. Aber du musst mir versprechen, dass du wirklich daran glaubst, sonst kann es ja nicht funktionieren."

„JaHa! Und was soll das bitte sein?", fragte ich genervt.

„Keine Ahnung vielleicht,... dass du in jemanden reinläufst?"

„In jemanden reinlaufen? Das ist das Erste was dir dazu einfällt?", fragte ich kopfschüttelnd. Da wurde mir mal wieder klar, wie gerne Maliee versuchte mein Leben zu romantisieren.

„Ja, wenn du eine Weile dort bleiben musst, kann es nicht schaden, wenn du einen heißen Typen kennenlernst", erklärte sie verträumt. Ich rollte die Augen.

„Was soll ich hier mit einem Typen? Ich werde hoffentlich nicht lange hier bleiben müssen."

„Aber so ein heißer Typ wäre doch trotzdem nett."

„Nein danke und außerdem bin ich gestern sowieso schon in jemanden reingerannt."

„Ach ja? Und sah er gut aus?", fragte sie neugierig und hatte diesen ganz bestimmten, hoffenden Tonfall drauf. 

„Oh nein, das kannst du vergessen! Glaub mir, der ist ein Arschloch."

„Das beantwortet meine Frage aber nicht." Ich seufzte.

„Ja okay, er sieht vielleicht ganz gut aus, aber..."

„Du findest ihn hot? Das muss ein Zeichen sein", unterbrach sie mich.

„Man Maliee! Nicht alles auf dieser Welt ist ein Zeichen. Fang jetzt bloß nicht an, wie Mom", antwortete ich ernst und versuchte sie der Realität näher zu bringen. Doch Maliee war nicht mehr zu stoppen. Sie bestand darauf, dass ich ihr eine genaue Beschreibung von Jayden gab. Nachdem sie unaufhörlich auf mich eingeredet hatte, erzählte ich ihr zunächst nur grob von ihm. Mit der Zeit geriet ich jedoch selbst in Redefluss und erzählte ihr schließlich jedes noch so kleine Detail, an das ich mich erinnerte. Ich erzählte von den wunderschönen, grünen Augen, seinen blonden, perfekten Haaren, dem breiten Oberkörper, seinem markanten Gesicht und dem süßen Lächeln. Maliee verfiel in Schwärmerei, sich sicher, dass ich bald mit ihm zusammen sein würde.

Obwohl ich es wirklich nicht gewollt hatte, steckte sie mich mit ihren Träumereien an, sodass ich schließlich bei den Gedanken an ihn lächeln musste.

„Und? Habt ihr euch schon näher kennengelernt?", bohrte sie aufgeregt nach und hoffte auf pikante Details.

„Also Kennenlernen kann man das nicht nennen", entgegnete ich und musste an unsere erste Begegnung denken. Mein Lächeln verschwand und stattdessen erinnerte ich mich an die Wut, die ich in dieser Situation gefühlt hatte.

„Dieser eingebildete Schnösel dachte ich würde ihn klären wollen, als ich nur gefragt habe, ob ich sein Instagram benutzen kann, um dich dort zu finden."

„Du willst mich rollen oder?", lachte sie etwas zu laut in den Hörer und schien sich nicht mehr einkriegen zu wollen. Du willst mich rollen? Wiederholte ich erschrocken in Gedanken und verstummte für einen Augenblick. Diese Redewendung hatte ich heute zum ersten Mal in meinem Leben gehört, jedoch nicht von Maliee. Stattdessen war sie von dem Mädchen vor mir gekommen. Ich hatte mich vorhin schon darüber gewundert, aber ich war davon ausgegangen, dass man hier vielleicht so sprach. Maliee hingegen hatte dieses Wort zuvor noch nie benutzt. Ausgerechnet jetzt ereignete sich der erste Zufall? Jetzt? Wo wir eben darüber gesprochen hatten? Und ich festgestellt hatte, dass ich bis eben keinen einzigen Zufall erlebt hatte? Vielleicht gab es da wirklich einen Zusammenhang? Vielleicht war es auch Maliee, die die Zufälle zum Leben erweckte.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt