Unsicher wandte ich meinen Blick von ihr ab und sah an ihr vorbei. Woher wollte sie wissen, dass er mir wehtun würde? Sie wusste doch nichts von den Gesprächen mit ihm und wie er wirklich zu mir war. In meiner Gegenwart verhielt er sich doch schon eine Weile nicht mehr wie ein Arschloch. Vorsichtig versuchte ich ihr davon zu erzählen. Nach meinem ersten Satz unterbrach sie mich jedoch wieder und machte eine lange Pause, in der sie nachdachte.
„Okay, okay erzähl mir alles. Komplett bitte!", sagte sie schließlich aufgeregt, aber der leichte Unterton von großer Besorgnis verschwand einfach nicht. Genauso ihr seltsamer Blick. Sie schien mich wirklich für einen anderen Menschen zu halten. Aber warum? Hatte sie nicht glauben können, dass jemand wie er, jemanden wie mich gut finden würde? Oder war da noch etwas anderes?
Nach und nach erzählte ich Michelle immer mehr von Jayden und mir. Ich erzählte ihr sogar jedes kleinste Detail über den Abend bei mir und wie wir auf dem Hof zusammen getanzt hatten. Ich erzählte ihr von den Komplimenten, die er mir gemacht hatte und davon, dass er mich Dienstag schon wiedersehen wollte. Ich erzählte ihr sogar davon, was er mich fühlen ließ, dass er der erste Typ war, bei dem ich mir überhaupt einen Kuss hatte vorstellen können. Das Einzige was ich für mich behielt, waren die Dinge, die er mir anvertraut hatte. Michelle schien sich auf irgendeine Art und Weise für mich zu freuen. Wahrscheinlich, weil sie bemerkte wie glücklich er mich damit machte.
Manchmal jedoch schwieg sie für einige Minuten einfach und starrte ins Leere, als würde sie sich an etwas erinnern. Und dann hinterfragte sie alles und versuchte mir klar zu machen, dass ich bloß nicht zu viel hineininterpretieren sollte. Jayden hatte sich zuvor wohl auch schon über längere Zeit Mühe gegeben und hatte am Ende immer nur das Gleiche gewollt. Doch gleichzeitig gab sie auch zu, dass er so fürsorglich und anscheinend ehrlich, schon lange Zeit nicht mehr gewesen war. Sie konnte nicht verstehen, wie er bei mir geschlafen haben konnte, ohne dass da mehr gewesen war. Ohne, dass er auch nur ein Mal versucht hatte mich zu küssen. Auch, dass er Pfannkuchen für mich gemacht hatte, schien sie fast umzuhauen. Michelle's Aussagen hatten mich zunächst verunsichert und für einen Moment hatte ich das Verlangen gespürt, alle Erinnerungen an ihn aus meinem Kopf zu löschen. Für den Fall, dass er ja doch nur das Eine wollte.
Aber dann redete sie mir wieder gut zu und meinte, dass er ganz tief in sich drin, wohl doch ein guter Kerl sei und einfach nur gerne den Macho und Fuckboy raushängen ließ. Ich klammerte mich an diese Aussage und daran, dass Jayden einfach vor mir geweint hatte. Das machte man doch nicht, wenn man nur Sex wollte. Obwohl das recht überzeugende Argumente waren, verschwand das ungute Gefühl nicht mehr. Seit unserer Begegnung war es nie wirklich verschwunden gewesen. Ganz sicher hatte er es erst ausgelöst, doch ich bildete mir ein, dass es einfach nur meine Ängste waren, verletzt zu werden, die er mit seiner Anwesenheit hervorbrachte. Dass dieses Gefühl bei jedem auftauchen würde, in den ich mich verlieben könnte. Schließlich hatte sich dieses Gefühl schnell in eine aufgeregte Übelkeit verwandelt. In etwas, das sich auf merkwürdige Art und Weise gut anfühlte.
Morgen würde ich Jayden wiedersehen. Ich musste ihn danach fragen. Ich konnte noch tausende Vermutungen aufstellen, am Ende brachten sie mir alle nichts. Nachdem Michelle einige ihrer Bedenken geäußert hatte, war sie schließlich doch zu dem Entschluss gekommen, dass sie diese Sache zwischen ihm und mir unterstützen wollte. Sie war beinahe so aufgeregt, wie Maliee es eigentlich gewesen wäre, wenn ich ihr unter „normalen" Umständen, davon hätte erzählen können. Es war zwar nicht das Gleiche, als hätte ich mit Maliee reden können, doch es kam dem schon sehr nah. Es war erleichternd jemanden hier zu haben, der Bescheid wusste. Das gab mir irgendwie die Sicherheit, ich hatte jemanden mit dem ich darüber reden konnte, auch wenn es vielleicht nicht funktionieren würde. Jemand, der mich im schlimmsten Fall auffangen würde.
DU LIEST GERADE
Zufall oder Magie? (1. Teil)
SpiritualBereits in ihrer Kindheit wird Sam von zahlreichen Zufällen verfolgt. Während sie daraus keine große Sache machen will, gerät ihre Mutter mit jedem Zufall mehr und mehr in Panik. Als Sam dann plötzlich aus ihrem gewohnten Leben gerissen wird, verste...